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Das Ende eines blutigen Tages

Der Siebenjährige Krieg erlebte viele gewaltige Schlachten - die von Leuthen erregte schon vor 250 Jahren großes Aufsehen. Die Preußen unter Friedrich dem Großen errangen gegen die weitaus größere österreichische Armee einen kaum erwarteten Sieg. Das Können des preußischen Feldherrn wurde mit dieser Schlacht legendär.

Von Tillmann Bendikowski | 05.12.2007
    Danket alle Gott. Nun ja - jedenfalls konnten dies all jene tun, die diesen Tag überlebt hatten. Es ist der Abend des 5. Dezember 1757. Es ist kalt. Es liegt Schnee hier in Niederschlesien, in dem Dörfchen Leuthen westlich von Breslau. Es ist das Ende eines blutigen Tages, geschlagen ist jene Schlacht, die als die berühmteste im sogenannten "Siebenjährigen Krieg" in die Geschichte eingehen sollte. Preußische Soldaten haben die zahlenmäßig weit überlegenen österreichischen Truppen vernichtend geschlagen. Nun ruhten die Sieger erschöpft von ihrem Tun aus, als gerade ihr Heerführer Friedrich der Große des Weges kommt. In diesem Moment, so will es die hartnäckige Legende, sollen die Überlebenden spontan jenen bekannten protestantischen Choral als Dank an Gott angestimmt haben ...

    Seit über einem Jahr tobte nun schon dieser Krieg, den der preußische König mit dem Angriff auf Sachsen begonnen und der sich am preußisch-österreichischen Streit um Schlesien entzündet hat. Preußen stand unter anderem Österreich, Russland und Frankreich gegenüber, und schon nach einigen Monaten hatte Friedrich seine liebe Müh', die drohende Niederlage abzuwenden. In diesem Winter 1757 standen seine Chancen gut: Erst vor wenigen Wochen konnte er die Franzosen bei Rossbach schlagen, jetzt stand bei Leuthen der Waffengang gegen eine imposante österreichische Streitmacht unter dem Prinzen Karl von Lothringen an. Seinen Soldaten machte er Mut - und zwar mit markigen Worten:

    "Es ist fast keiner unter Ihnen, der sich nicht durch eine große ehrenvolle Handlung ausgezeichnet hätte. Und ich schmeichle mir daher, Sie werden es auch jetzt nicht an dem mangeln lassen, was der Staat von Ihrer Tapferkeit zu fordern berechtigt ist."

    Nun braucht man bekanntermaßen immer dann Tapferkeit, wenn die Dinge nicht besonders aussichtsreich stehen. Und tatsächlich wollte Friedrich seine Soldaten in ein ziemlich wagemutiges Unternehmen schicken, was er auch freimütig bekannte:
    "Ich werde gegen alle Regeln der Kunst die beinahe dreimal stärkere Armee des Prinzen Karl angreifen, wo ich sie finde! Es ist hier nicht die Frage von der Anzahl der Feinde noch von der Stärke ihrer auserwählten Stellung. Alles dies, so hoffe ich, wird die Herzhaftigkeit meiner Truppen und die richtige Befolgung meiner Dispositionen zu überwinden wissen."

    Es ist noch dunkel, als sich um vier Uhr morgens rund 30.000 preußische Soldaten in Bewegung setzen. Und ihnen sollte es tatsächlich gelingen, die numerisch überlegenen Österreicher zu schlagen. Heutigen Militärhistoriker gilt diese Schlacht als wichtiger Tag in der Geschichte der militärischen Strategie: Leuthen ist das klassische Beispiel für die sogenannte "schiefe Gefechtsordnung". Mit einer Scheinattacke täuschten die Preußen einen Frontalangriff vor, während die Hauptstreitmacht ihrer Infanterie abdrehte und - unterstützt durch die Artillerie - den österreichischen linken Flügel nicht frontal angriff, sondern eben in einem versetzten, also "schrägen" Winkel. Dieser Schachzug des Königs brachte den grandiosen Sieg. Den Preis dafür zahlten - wie zu allen Zeiten - auch diesmal die einfachen Soldaten. Ein preußischer Soldat notierte, wie er eine Schlacht im Siebenjährigen Krieg erlebte:

    "Wie sausten da die Eisenbrocken ob unsern Köpfen hinweg - fuhren bald vor, bald hinter uns in die Erde - bald mitten ein und spickten uns die Leute weg, als wenn's Strohhalme wären ... Da mussten wir über Hügel von Toten und Verwundeten hinstolpern ... , und wo sich einer von diesen letzten noch regte, wurde er mit dem Kolben vor den Kopf geschlagen, oder ihm ein Bajonett durch den Leib gestoßen."

    Wenige Stunden nach der Schlacht zog Friedrich der Große in einem Brief eine erste Bilanz:

    "Wir haben soeben eine Schlacht gegen die Österreicher vollständig gewonnen. Wir haben drei oder vier Infanterieregimenter gefangen genommen und eine große Zahl von Kanonen und Fahnen. Ich kann nichts genauer angeben, denn ich übersehe es nicht wegen der Nacht."

    Bald zeigten sich die tatsächlichen Verluste: Von den preußischen Soldaten wurden rund 7.000 Mann getötet oder verwundet, auf österreichischer Seite waren es wohl 10.000. Die Schlacht von Leuthen war beendet, der Krieg sollte sich indes noch fünf Jahre hinschleppen. Er endete übrigens so recht ohne Sieger und Besiegte - die alten Grenzen aus der Vorkriegszeit wurden bestätigt, das umkämpfte Schlesien blieb vorerst preußisch. So gesehen waren all die schöne Tapferkeit und der tausendfache Tod dieses Tages irgendwie umsonst gewesen.