Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


''Das erste Mal war auf einer Klassenfahrt''

Das erste Mal war auf einer Klassenfahrt. Wir sind - zehnte Klasse - nach Holland gefahren und da hab ich das erste Mal gekifft. Wir waren im Hafen und die Mitschüler haben gesagt: Zieh doch mal dran, Du hast doch Schiss davor.

Autorin: Agnes Steinbauer | 06.06.2003
    Das erzählt eine junge Frau aus Berlin - nennen wir sie Anna. Anna ist heute Anfang zwanzig und in der Ausbildung. Es ist noch nicht so lange her, da gehörte Haschischrauchen zu ihrem Alltag - vor allem zu ihrem Schulalltag. Eine Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe und eine Privatschule in Berlin waren für sie - damals 17-Jährig - auch der Ort, wo Drogen verkauft und konsumiert wurden:

    Mit den Leuten zusammen am Anfang in der Klasse war es halt immer lustig gewesen. Man war halt völlig anders, ein bisschen abgedreht. Wenn man da auf der Wiese lag und in den Himmel geguckt hat, dachte man, man ist dem Himmel so nah und sitzt direkt im Universum...war halt lustig.

    Später war es für Anna nicht mehr so lustig. In einer bestimmten Clique und mit ihrem damaligen Freund zusammen, der in dieselbe Klasse ging, rauchte sie regelmäßig. Gruppendruck und Neugierde waren einfach zu groß: Ich dachte, wieso soll ich das jetzt weniger verkraften, als die, aber war dann nicht stark genug, um es denen einfach zu zeigen. Das war einfach so kurzschlussmäßig und so blöd, dass ich es in diesem Augenblick einfach gemacht habe

    Eine richtige "Drogenkarriere" begann für Anna damit nicht. Kokain, Heroin oder synthetische Rauschmittel waren für sie damals immer tabu. Trotzdem: Auch die Cannabis-Phase hat schon gereicht, findet sie heute:

    Das Zeug macht einfach kaputt. Das macht die Psyche kaputt. Gerade, wenn man sensibel ist und viel wahrnimmt. Das macht die Sinne stumpf und kaputt.

    Für Anna ist ganz klar: In den meisten Fällen ist Cannabis eine gefährliche Einstiegsdroge. Zu oft hat sie frühere Mitschüler oder Bekannte aus der Szene danach zu härterem Stoff greifen und persönlich "absteigen" sehen - mit fatalen Folgen:

    Meistens haben die so wenig Kraft, was umzusetzen, weil sie sich immer weiter runterziehen. Die sind schon so gut wie verloren. Es ist schon so, dass da jeder sagt: Jetzt ist gerade die schönste Zeit des Lebens, wie alt werde ich denn?

    Aus heutiger Sicht findet Anna die Gleichgültigkeit und Hilflosigkeit erschreckend, mit denen - zumindest in den Schulen, die sie kennt - das Problem behandelt wurde. Die meisten Lehrer hätten einfach weggesehen:

    Letztendlich sind die mehr oder weniger machtlos gewesen und das haben sie irgendwie schleifen lassen. Ich kann mich an keinen Lehrer erinnern, der tollen Einsatz gezeigt hat und einem versucht hat, zu erklären, wohin das führt. Ich glaube, das wurde eher so gesagt: Wenn man einen frischen Apfel hat und den zu faulen Äpfeln dazulegt, dann wird er auch noch faul.

    In ihrer Schulzeit hat Anna noch etwas fürs Leben gelernt: Dass Minderjährige an Cannabis fast so leicht kommen wie an Alkohol und Zigaretten:

    Das sind kaum noch diese Hippies, die selber ihre Pflanze anbauen. Das ist ein Riesengeschäft und das ist allen irgendwie bewusst.

    Nicht nur in den einschlägigen Cafes oder Wohnungen konnte sich Anna schnell Nachschub besorgen. An ihrer Schule beobachtete sie, dass offensichtlich professionelle Dealer, Schüler als "Drogenboten" und Zwischenhändler einsetzten. Anna selbst verzichtete eine zeitlang auf alle Hobbys und steckte ihr ganzes Geld in die Haschisch-Tüte. Nach ihren damaligen Erfahrungen findet sie es heute besonders wichtig ,den Drogenkonsum an Schulen zu enttabuisieren. Eltern und Lehrer müssten viel mehr warnen und aufklären, betont sie. Und: Zu großes Verständnis nütze den Jugendlichen überhaupt nichts:

    Man sollte offen darüber reden. Ich glaube, das bringt nichts, wenn man sich mit denen hinsetzt und zusammen eine Tüte raucht, das ist nämlich völliger Schwachsinn so.