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Das Geheimnis der Materie-Jets

Auf der Tagung "Modern Radio Universe" in Bonn diskutieren gut 200 Experten aus aller Welt die neuesten Trends ihres Fachs. Ein Phänomen sorgt für besondere Aufmerksamkeit: sogenannte Jets. Das sind energiereiche Ströme, in denen sich Materie fast mit Lichtgeschwindigkeit bewegt.

Von Dirk Lorenzen | 24.04.2013
    Tuomas Savolainen haben es Schwarze Löcher im Zentrum großer Galaxien angetan, die viel Gas und Sterne verschlingen. Der aus Finnland stammende Forscher am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn überwacht im Rahmen des MOJAVE-Projekts 300 Galaxien, in denen es nicht nur Sterne, Gas und das Schwarze Loch gibt, sondern auch Jets – energiereiche Materieströme.

    "Die Jets entstehen in der Nähe des extrem massereichen Schwarzen Lochs. Manche Schwarze Löcher im Zentrum dieser Galaxien haben Milliarden mal mehr Masse als unsere Sonne. In den Jets bewegt sich die Materie fast mit Lichtgeschwindigkeit und sie reichen manchmal Hunderttausende Lichtjahre hinaus in den Weltraum."

    Ein Schwarzes Loch ist ein sehr kompaktes Objekt, dessen Anziehungskraft so stark ist, dass ihm nichts entkommt – nicht einmal Licht. Zieht es Gaswolken oder Sterne an, so bildet diese Materie zunächst eine große Scheibe, die um die schwarze Kugel in der Mitte rotiert. Senkrecht auf dieser Scheibe stehen die beiden Jets, in denen ein Teil des Materials kurz vor dem tödlichen Sturz in das kugelförmige Schwarze Loch nach draußen schießt. Zur Freude von Tuomas Savolainen geht es in der Umgebung Schwarzer Löcher höchst dynamisch zu:

    "In diesen Jets gibt es in sehr kurzer Zeit starke Veränderungen. Wir beobachten vor allem Galaxien, in denen die Jets fast genau auf uns gerichtet sind. Dann sehen wir alle Prozesse wie im Zeitraffer. Wenn uns klar ist, dass in einer Galaxie gerade viel passiert, beobachten wir die Materie-Jets alle drei Wochen."

    Die Jets in den Galaxien sind ebenso faszinierend wie rätselhaft. Bis heute ist nicht genau verstanden, wie es in der Umgebung mancher Schwarzer Löcher ein kleiner Teil der Materie schafft, dem Todessturz zu entgehen und stattdessen aus der Galaxie geschleudert zu werden. Doch dank der präzisen Beobachtungen vieler Jets zeichnet sich nun ein grobes Bild dessen ab, was in den Galaxien vor sich geht.

    "Offenbar entstehen diese Jets durch magnetische Kräfte. Während die Materie um das Schwarze Loch rotiert, entsteht eine Art magnetischer Trichter, durch den das heiße Gas sehr eng gebündelt nach außen schießt. Zu unserer Überraschung haben wir jetzt beobachtet, dass das Gas noch 300 Lichtjahre vom Schwarzen Loch entfernt immer schneller wird."

    Die Astronomen staunen, dass der magnetische Arm des Schwarzen Lochs so weit nach außen reicht. 300 Lichtjahre sind eine enorme Distanz. Denn selbst die massereichsten Schwarzen Löcher sind nach kosmischen Maßstäben winzig klein. Sie sind nicht einmal so groß wie unser Sonnensystem. Um genau zu verfolgen, wie die Materie-Jets entstehen, durch die Galaxien schießen und allmählich auslaufen, nutzen Tuomas Savolainen und seine Kollegen einen Verbund von Radioteleskopen. Die Instrumente stehen Tausende Kilometer voneinander entfernt in den USA, auf Hawaii und in der Karibik. Die Astronomen richten die verschiedenen Teleskope gleichzeitig auf die fernen Galaxien und kombinieren später die Beobachtungsdaten – das Resultat ist verblüffend.

    "Wir sehen so 1000 Mal(*) schärfer als mit dem Hubble-Weltraumteleskop. Die Interferometrie, also das Zusammenschalten der Radioteleskope, ist wirklich erstaunlich. Zwar sind manche Galaxien einige Milliarden Lichtjahre entfernt, dennoch beobachten wir in ihnen Strukturen, die nur wenige Lichtjahre groß sind."

    Die Radioteleskope sehen so scharf, dass man von Deutschland aus ein Straßenschild in New York entziffern könnte. Die Forscher wollen diese Technik innerhalb der nächsten Jahre noch deutlich verbessern. Dann ließe sich womöglich die Materiescheibe rund um das Schwarze Loch in allen Details untersuchen – und die Astronomen könnten direkt sehen, wie manche Materie gerade noch dem Schwarzen Loch entkommt und in den langen Jets schnell die Flucht ergreift.

    (*) Anm. d. Red.: Irrtümlich war in der Sendefassung eine falsche Zahl genannt.