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Das gelobte Land

2001 verweigerte Australiens Regierungschef John Howard einem norwegischen Frachter mit 300 schiffbrüchigen Boat-People an Bord die Einfahrt in australische Gewässer. Seither steht die australische Flüchtlingspolitik immer wieder in der Kritik.

Von Andreas Stummer | 18.12.2010
    Im Indischen Ozean, vor der Küste Westaustraliens. Ein Patrouillenboot der australischen Marine bringt einen kaum seetüchtigen Fischkutter auf. An Bord sind weder Netze, noch ein Fang - oder Fischer. Auf und unter Deck drängen sich 80 Asylbewerber: Männer, Frauen und Kinder - aus dem Irak, Iran, Afghanistan und Sri Lanka. Sie haben Menschenschleppern in Indonesien bis zu 15.000 Euro für die Überfahrt bezahlt. Ihr Ziel ist es nach Australien zu kommen, wenn nötig durch die Hintertür. Doch die würde ihnen Einwanderungsminister Chris Bowen am liebsten vor der Nase zuschlagen.

    "Wir sind besorgt über die hohe Zahl von Asylbewerbern, die in Flüchtlingslagern überall auf der Welt darauf warten von Australien aufgenommen zu werden. Denn jeder Bootsflüchtling, der bei uns ankommt, nimmt einem Flüchtling in einem solchen Lager den Platz weg. Weltweit sitzen 43 Millionen Menschen in Flüchtlingscamps. Wir nehmen dieses Problem sehr ernst.”"

    Hunderttausende suchen jedes Jahr, legal, in Australien Asyl. Bootsflüchtlinge gelten deshalb als Vordrängler. Bürgerrechtler Laurie Parks aber fragt: "In welcher Schlange ?". Australien hätte weder im Irak, noch im Iran oder Afghanistan eine Botschaft und die in Pakistan oder Indonesien bearbeiteten keine Asylanträge.

    ""Der einzige Weg auf dem diese Asylsuchenden nach Australien kommen kön-nen ist mit Hilfe von Menschenschmugglern. In ihrer Heimat gelten sie als Flüchtlinge, aber wenn sie bei uns auftauchen, dann sind sie "Illegale". Das ist nichts weiter als Propaganda. Dadurch ist Flüchtlingen nicht geholfen, diese Asylpolitik kostet einen Haufen Geld und niemand sollte darauf hereinfallen."

    Als die australischen Sozialdemokraten vor zwei Jahren an die Macht kamen, versprachen sie eine humanere Flüchtlingspolitik: Schluss mit dem Abschieben von Asylbewerbern in Drittländer, keine Frauen und Kinder mehr in Internierungslager. Doch seitdem kommen die Boote. 2009 stoppte die Marine nicht einen einzigen Kutter mit Asylbewerbern, in diesem Jahr aber sind es bereits 174 - insgesamt fast 6000 Bootsflüchtlinge. Glaubt man Scott Morrison, dem Einwanderungssprecher der konservativen Opposition, dann sind Australiens Grenzen so löchrig wie ein Schweizer Käse.

    "Wir haben die Kontrolle über unsere Grenzen verloren, denn wer in unser Land kommt, das entscheiden kriminelle Menschenschmuggler. Die Labor-Regierung begreift einfach nicht, dass ihre Asylpolitik an der Flüchtlingsschwemme schuld ist."

    Auf eine Frage haben weder die Opposition noch die Regierung in Australien eine Antwort: Werden die meisten Bootsflüchtlinge tatsächlich in ihren Heimatländern aus politischen oder religiösen Gründen verfolgt und brauchen Schutz oder sind sie nichts weiter als ökonomische Flüchtlinge - Krisengewinnler, die das Elend anderer - tatsächlich Verfolgter - schamlos ausnutzen, um im Land ihrer Wahl ein besseres Leben führen zu können. Denn wie und auf welchem Weg Bootsflüchtlinge nach Australien kommen ist höchst umstritten.

    Erst geht es mit dem Flugzeug aus dem Iran, Irak, Aghanistan oder Sri Lanka direkt nach Jakarta, die Hauptstadt Indonesiens. Dort werden dann Schleuserbanden oft zehntausende Euro für die Überfahrt nach Australien bezahlt. Unterwegs werfen die Asylbewerber in der Regel ihre Papiere - Pässe und Familiendokumente - über Bord. Wer keine Identität hat, der hat auch keine Vergangen-heit. Für die australischen Behörden ist es oft unmöglich festzustellen, ob die Angaben einzelner Bootsflüchtlinge wahr sind oder frei erfunden. Flüchtlingsanwältin Jane Nichols macht da keinen Unterschied: "Asylsuchende", sagt sie, "sind verzweifelte Menschen, die nicht Misstrauen, sondern Hilfe verdienen."

    "Wir reden immer darüber, welche Menschen wir in Australien haben wollen. Die Regierung erhöht ständig die Quoten für Einwanderer. Wenn man bedenkt welche Risiken diese Flüchtlinge auf sich nehmen, nur um hierherzukommen. Als Australierin denke ich: Es wäre wundervoll diese Leute bei uns zu haben."

    Premierministerin Julia Gillard will, zusammen mit Australiens Nachbarn, eine regionale Lösung für Asylbewerber finden - vor allem um den indonesischen Menschenschleppern das Geschäft zu verderben. Gäbe es ein zentrales Auffanglager für Bootsflüchtlinge - etwa, wie vorgeschlagen, in Osttimor - dann könnten die Schleuserbanden nicht länger ihren Bestseller meistbietend verkaufen: Die garantierte Aufnahme im gelobten Land Australien. Auf der Weihnachtsinsel sitzen mehr als 5000 Asylbewerber im größten Auffanglager des Landes - auf unbestimmte Zeit. Doch frühere Bootsflüchtlinge, die heute in Australien leben, glauben nicht, dass das verzweifelte Asylbewerber abschrecken wird.