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Das Glück in den Kolonien suchen

Der spanische Entdecker Vasco Nuñez de Balboa war eigentlich auf der Suche nach Gold und bahnte sich den Weg durch den Urwald. Dass er dabei auf den Pazifik stieß, ließ ihn eigentlich kalt. Dennoch: Es war der Beweis, dass Kolumbus einen neuen Kontinent entdeckt hatte.

Von Günther Wessel | 25.09.2013
    "Wenn aber eure Goldgier so groß ist, dass ihr deshalb viele friedliche Völker in Unruhe versetzt, selbst Nöte und Unbequemlichkeiten auf euch nehmt, so will ich euch ein Land zeigen, das Überfluss an Gold hat."

    So zitiert im frühen 16. Jahrhundert der Geschichtsschreiber Petrus Martyr einen Indianer aus dem Gebiet des heutigen Panama.

    "Wenn man diese Höhen überschreitet, kann man von den Gipfeln ein anderes Meer sehen. Jene Seite des Gebirges hat Gold im Überfluss."

    Gold im Überfluss. Das elektrisiert die Zuhörer, die im August 1513 um den Indianer sitzen. Es sind Spanier, ihr Anführer ist Vasco Nuñez de Balboa. Nikolaus Böttcher lehrt am Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin.

    "Nuñez de Balboa (…) ist geboren worden 1475, das bedeutet, er hat das Ende der Reconquista in Spanien, also auf der iberischen Halbinsel, im Kampf gegen die, wie es damals hieß, ungläubigen Mauren miterlebt."

    Wie manch anderer Kampfgefährte aus dem verarmten Adel beschloss Balboa, sein Glück außerhalb Spaniens, nämlich in den neuen Kolonien, zu machen. Doch viel war dort nicht zu holen. Er landete auf der Karibikinsel Hispaniola, züchtete Schweine, hing in den Spelunken am Hafen herum, träumte vom Reichtum und verspielte sein Geld. Schließlich schmuggelte er sich auf ein Schiff, das in Richtung des amerikanischen Kontinents segelte. Er übernahm dessen Kommando und gründete 1510 an der Westküste des Golfs von Urabá im heutigen Kolumbien eine Siedlung: Santa Maria de la Antigua.

    "Seit der Zeit der Entdeckungen unter Kolumbus hatte sich der Typus der Erschließung der neuen Gebiete systematisch stark gewandelt, d.h. weg vom Unternehmertum hin eigentlich zur militärischen Expedition."
    So zog auch Balboa immer wieder mit kleinen Trupps los. Doch anders als die meisten Konquistadoren bemühte er sich auch um Bündnisse mit den Indianern. Alonso de Zuazo, ein Gesandter der spanischen Krone, schrieb 1517:

    "Vasco Nuñez hat großes Geschick darauf verwandt, mit den wichtigsten Herrschern der Indianer Frieden zu schließen. Er erreichte dies, indem er ihnen nicht mehr wegnahm, als sie freiwillig hergaben."

    Von Indianern erfährt er im August 1513 auch von dem Gold im Westen. Am 1. September ziehen die Spanier los. Sie bahnen sich mit Schwertern einen Weg durch den Urwald, kämpfen gegen Eingeborene, waten durch Sümpfe und Flüsse, hungern, trinken modriges Wasser. Sie verfluchen ihre schweren Rüstungen, wagen aber nicht, sie abzulegen. Die Goldgier treibt sie an, lässt sie die Alligatoren vergessen, ebenso die Schlangen in den Bäumen oder die Skorpione auf dem Waldboden. Schließlich erreicht man einen Berggipfel. Der spanische Historiker Gonzalo Fernández de Oviedo schreibt in seiner "Chronik der Eroberung Südamerikas" aus dem Jahr 1535.

    "An einem Dienstag, dem 25. September jenes Jahres 1513 um zehn Uhr vormittags war der Hauptmann Vasco Nuñez, allen seinen Begleitern vorauseilend, auf einer freien Bergkuppe angelangt und sah von dort aus das Meer des Südens."

    Vier Tage später stehen die Spanier am Pazifik. Balboa watet in voller Rüstung ins Meer.

    "Aus heutiger Sicht kommt einem das komisch vor, aber das gehört eben auch zum System (…) Alles, was ein neues Gebiet ist, wird erstmal im Namen des spanischen Königs für die Krone (...) in Besitz genommen."

    Damit steht für Balboa fest: Dieses Meer beweist, dass Kolumbus nicht nach Asien segelte, sondern wirklich einen neuen Kontinent, eine Neue Welt, gefunden hat.

    "Die Entdeckung des Pazifiks ist natürlich ein historischer Meilenstein, ohne dass die Dimension dieser Entdeckung zu diesem Zeitpunkt schon deutlich geworden ist."

    Denn die Spanier interessierten sich nicht für das neue Meer. Schließlich fanden sie in den Flussmündungen, was sie suchten – Gold. Doch es brachte Balboa kein Glück: Zurück in Santa Maria wurde er entmachtet; die Krone schickte einen neuen Gouverneur, Pedrarias Davila. Der wurde zwar sein Schwiegervater, ließ Balboa aber wegen einer angeblichen Verschwörung im Januar 1519 enthaupten. Der erste Europäer, der den Pazifik sah, wurde nur 43 Jahre alt.