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Das Hoffen auf eine rot-grüne Mehrheit für den Bundeswehr-Einsatz

Meurer: Auf den Bündnis-Grünen lastet also ein gewaltiger Druck im Augenblick. Eine klare Mehrheit der Landesverbände hatte sich ja zuletzt vor dem Parteitag in Rostock vor gut einer Woche gegen den Bundeswehr-Einsatz ausgesprochen. Nicht dazu zählte der Landesverband Baden-Württemberg, dessen Vorsitzenden Andreas Braun ich nun begrüße. Guten Tag, Herr Braun.

    Braun: Schönen Guten Tag, Herr Meurer.

    Meurer: Mal salopp gefragt: Wie sehr hat es Sie denn umgehauen, als Sie gehört haben, der Kanzler stellt die Vertrauensfrage?

    Braun: Na ja. Es wanderte ja schon ein paar Tage durch die entsprechenden Kreise, dass so etwas möglich wäre. Insofern hat es mich nicht arg umgehauen. Ich denke, es bringt jetzt auch nichts, darüber zu diskutieren, ob es ein legitimes Mittel ist oder nicht. Er hat die Vertrauensfrage gestellt, und hier muss sich jetzt erweisen, ob die Grünen politikfähig sind oder nicht.

    Meurer: Wie denken Sie werden sich die Grünen am Freitag verhalten?

    Braun: Ich gehe davon aus, natürlich ist das auch mit einem großen Stück Hoffnung verbunden, dass wir eine eigenständige rot-grüne Mehrheit im Bundestag hinbekommen werden. Es wäre gerade absurd, wenn wir, auch angesichts der Lage in Afghanistan, an dieser Frage, die zunehmend ja auch hypothetisch wird, ob sich die Bundeswehr beteiligen wird oder nicht, daran die Koalition mit all ihren Reform-Projekten scheitern lassen würden. Man kann nur an das Verantwortungsgefühl der Acht, die ja schon erklärt haben, zumindest vor der Vertrauensfrage, dass sie nicht zustimmen werden, appellieren, jetzt die Koalition nicht scheitern zu lassen.

    Meurer: Billigen Sie den Acht Gewissensgründe zu?

    Braun: Ich billige selbstverständlich den Acht Gewissensgründe zu. Auch bei mir nagen natürlich Zweifel, ob es richtig ist, gegebenenfalls für einen Bundeswehr-Einsatz zu stimmen. Dennoch aber ist es so, dass die Vertrauensfrage gestellt ist. Es geht jetzt um mehr als um diese eine Entscheidung. Es geht um den Fortbestand eines Reformprojektes, für das, und das will ich auch persönlich sagen, ich zumindest 18 Jahre lang gekämpft habe.

    Meurer: Wird das die Basis einsehen, Herr Braun? Laut Umfragen sind die überwältigende Mehrheit der grünen Wähler gegen den Krieg in Afghanistan, und mindestens Zweidrittel der Landesverbände haben sich ja auch gegen den Bundeswehr-Einsatz ausgesprochen.

    Braun: Wir sind alle gegen den Krieg in Afghanistan. Krieg ist ein letztes Mittel, und es wird höchste Zeit, dass dieser Krieg beendet wird. Offensichtlich gibt es aber - und das müssen die Kritiker einsehen - militärische Erfolge, die zu einem politischen Erfolg letztendlich beitragen im Kampf gegen den Terrorismus und im Kampf gegen ein faschistoides System, wie es die Taliban sind. Ich glaube, dass es uns gelingen wird, an der Basis zu vermitteln, bei allen schwierigen und moralischen Diskussionen, dass wir in dieser Bundesregierung gebraucht werden, dass es ohne uns in ganz vielen Politikbereichen und insbesondere auch in der Außenpolitik wesentlich anders aussehen würde. Dafür werde ich auch in den nächsten Tagen auch noch mal verstärkt in den Kreisverbänden werden.

    Meurer: Wie wird sich die Vertrauensfrage auf die Stimmung auf dem Parteitag in Rostock auswirken?

    Braun: Ich glaube, wir haben einen sehr, sehr schwierigen Parteitag in Rostock vor uns. Allerdings, wenn wir es schaffen, die Vertrauensfrage positiv zu beantworten, dann glaube ich ist eine Linie vorgegeben. Im Übrigen will ich auch mal deutlich sagen: Sollte es jetzt am Freitag zu einem Koalitionsbruch kommen, dann nehmen acht Menschen aus der Fraktion die Entscheidung des Parteitages, oder eine Entscheidung des Parteitages über den Fortbestand der Koalition vorweg. Ich halte das nicht für legitim. Es ist die Sache der Partei zu entscheiden, ob wir in dieser Koalition bleiben, und es ist nicht die Sache von acht einzelnen Abgeordneten.

    Meurer: Und wenn die Partei eine Woche danach entscheidet, wir gehen jetzt raus - was dann?

    Braun: Dann ist das ein Mehrheitsbeschluss der Partei. Ich rechne nicht damit. Es steht zu viel auf dem Spiel, als dass man wegen einer Frage aussteigen würde.

    Meurer: Andreas Braun, Landesvorsitzender der Bündnis-Grünen in Baden-Württemberg. Ich danke Ihnen. Auf Wiederhören, Herr Braun.

    Braun: Wiederhören, Herr Meurer.