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Das "House of FIFA"

Die Fußball-WM in Südafrika hält weltweit Millionen von Fans in Atem. Doch kaum jemand kennt die FIFA-Zentrale in Zürich. An der futuristischen Architektur scheiden sich nicht nur die Funktionärsgeister: Raffinierte Machtinszenierung oder langweiliges Aluminium-Monument?

Von Sven Beckmann und Michael Marek | 28.06.2010
    "Es duckt sich in die Waldlichtung, bereit zum Sprung."

    ... sagt die Schweizer Architektin Tilla Theus über das FIFA-Hauptquartier:

    "Es hat Chromstahlseile, die sind diagonal gespannt um einen Stab, Aluminiumeluxier, hineingewoben. Diese Netze verdrehen sich, sie kippen und verdrehen sich räumlich und tanzen so um das Ganze Gebäude herum."

    Fifa-Strasse, am noblen Zürichberg: Hier, wo die Grundstücke mit am teuersten sind, steht das Vereinsheim des Weltfußballverbandes. Für umgerechnet 145 Millionen Euro haben sich die 208 Mitgliedsländer ein Zuhause gegeben: Das "Home of FIFA" erscheint von außen wie ein schlichter, drahtverhangener Monolith. An seinen 134 Meter langen Längsseiten reihen sich dicht an dicht die gläsernen, wabenartigen Büroparzellen der Belegschaft. Manchem FIFA-Exekutivmitglied muss dieser architektonische Gestus ein Dorn im Auge gewesen sein: So wenig machtvolle Erhabenheit strahlt das Gebäude aus. Fifa-Präsident Joseph Blatter:

    "Und ich muss sagen, dass das Haus … jetzt im Winter sah man es gut, jetzt Laub (...) verschwindet es etwas da drin" (...) Wir wollen ja nicht imponieren von außen her, wir wollen nur leben wie in einem Home, es ist ja wie ein Zuhause (...) wo man sich wohlfühlt. Der Platz, wo wir früher waren, ist natürlich viel schöner, da hatte ich mein Büro mit Ausblick auf den See. Jetzt habe ich halt Ausblick auf ein Fußballfeld, aber das ist etwas Beruhigendes."

    Dass es sich bei dem Gebäude um ein Hochhaus handelt, das erkennt man nur von innen, denn zwei Drittel der FIFA-Zentrale liegen - unter der Erde. Dazu gehören Archiv und Dokumentationszentrum, Parkplätze, Technik-, Parlaments- und: Andachtsraum. An die Oberfläche kommen allein das Foyer, der Konferenzsaal und die Büros für 300 Mitarbeiter – ein architektonischer Meilenstein? Wohl kaum: Die Einfahrt in die Tiefgarage wurde so großzügig bemessen, dass selbst Lkws und Stretch-Limousinen schwungvoll hineinfahren können. Geradezu mickrig erscheint dagegen der mit schwarzen Türen gestaltete Eingang, der in die riesige Empfangshalle führt.

    "Als Architektin wiederhole ich immer wieder, dass in Zukunft der leere Raum der Luxus sein wird und nicht das Gold. Wo ist es noch möglich, Leere zu bauen und nicht gleich dekorativ gefüllt wird. Und Sie sehen es hier in der FIFA: Sie wirkt nicht dekorativ gefüllt."

    Wo sonst Transparenz im Vordergrund steht, wo Glas in Parlamentsbauten das Gefühl vermittelt soll, den gewählten Vertretern kontrollierend bei der Arbeit zuschauen zu können, da verschließt sich die FIFA der Öffentlichkeit: Das Nervenzentrum des Weltverbandes liegt versteckt unter der Erde. Im dritten von fünf Untergeschossen tagt abgeschottet von der Außenwelt im großen Sitzungssaal das Exekutivkomitee. Die Verkleidung aus Aluminium-Platten, der kühle Lapislazuli-Boden – alles hier besitzt die Aura eines hermetisch abgeriegelten Schweizer Banktresors. Muss das nicht den Mythos oder das Vorurteil von den geheimen Geschäften der FIFA fördern? Joseph Blatter:

    "Ein Raum, wo man Entscheidungen trifft, der darf ganz klar irgendwo sein, wo auch nur indirektes Licht hinkommt. Das Licht sollte ja kommen von den Leuten, die da drin sind."

    Hier im unzugänglichen Herzen des FIFA-Baus wird im kleinen Kreis über die Vergabe von Weltmeisterschaften, Reformen und Sanktionen entschieden, über rechtliche Angelegenheiten und neue Spielregeln. Manchmal auch über Dinge, die die Grundpfeiler des weltweiten Fußballs erschüttern. Dann kann es schnell vorbei sein mit dem demonstrativ zur Schau gestellten Familienfrieden. Dann redet Präsident Blatter Klartext. Und manch einer sehnt sich schnell nach Sonnenlicht und Frischluft:

    "In dem Meditationsraum gehen und moralische Kräfte sammeln. Wenn es ein Fehler war, war es mein Fehler. Wenn es gut war, war es auch mein (...) Es ist mir wichtiger, dass die Angestellten der FIFA Licht haben, den direkten Zugang zum Licht, und nicht die anderen Exekutivmitglieder, die nur periodisch in der FIFA sind."
    Heute liegt das neue Domizil des Weltfußballverbandes an der "Fifa-Strasse", die von der Stadt eigens für den Neubau bewilligt wurde. "Hier baut die Fifa im Auftrag von 207 Nationen", so stand es vor der Fertigstellung auf einem Schild. Die UNO bringt es nur auf 191 Mitglieder.

    "Da bin ich ja sehr stolz, dass ich irgendwie der Hausmeister von diesem Home of FIFA bin."