Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


"Das ist für Frau Merkel ein sehr unbequemes Ergebnis"

"Bayern ist Bayern" konstatiert SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles mit Blick auf den nur geringen Stimmenzuwachs ihrer Partei im Freistaat. Dennoch sieht sie das Abschneiden als gute Ausgangslage für die Bundestagswahl. Für die schwarz-gelbe Koalition der Kanzlerin dagegen prophezeit Nahles in den nächsten Tagen Probleme.

Andrea Nahles im Gespräch mit Bettina Klein | 16.09.2013
    Bettina Klein: Wir geben direkt weiter an Andrea Nahles, Generalsekretärin der SPD. Schönen guten Morgen! Ich grüße Sie, Frau Nahles.

    Andrea Nahles: Guten Morgen, Frau Klein.

    Klein: Wir schauen zunächst noch mal nach Bayern gestern. Die SPD hat ungefähr zwei Prozentpunkte zugelegt, ist bei gut 20 Prozent gelandet. Eigentlich wollte ja Christian Ude den Ministerpräsidenten ablösen. Inwiefern ist das denn an Ihren eigenen Maßstäben gemessen ein gutes Ergebnis, wie Sie das gestern genannt haben?

    Nahles: Ja, wir haben in Bayern noch nie die Bäume in den Himmel wachsen sehen als Sozialdemokraten, und gemessen daran und vor allem, seitdem wir auch jetzt in den letzten Wochen immer Umfragen hatten, wo wir drei Prozent hinten lagen, also hinter dem Ergebnis, was wir jetzt erreicht haben, fanden wir das ein gutes Ergebnis. Und ich kann nur sagen, es sind ja auch die anderen Oppositionsparteien - die hätten wir ja gebraucht, um einen Regierungswechsel zu erreichen – eben nicht so gut abgeschnitten, wie wir uns das erhofft hatten. Die SPD ist ja die einzige der Oppositionsparteien, die überhaupt Zugewinne erzielt hat.

    Klein: Also gutes Ergebnis ist jetzt auch schon, wenn man zwei Punkte dazugewinnt und nicht den Ministerpräsidenten stellt oder den Regierungschef?

    Nahles: Wissen Sie, wenn wir den Ministerpräsidenten gestellt hätten, hätte ich gesagt, wir haben ein hervorragendes Ergebnis erzielt.

    Klein: Woran liegt es denn, Frau Nahles, dass trotz der von Ihnen kritisierten Politik der CSU und auch von einigen Affären, die es dort gegeben hat, es nicht gelungen ist, die CSU nicht nur von der Macht nicht wegzubringen, sondern durchaus auch noch einem Erfolg, einem weiteren Erfolg von Herrn Seehofer zuzuschauen an der Stelle?

    Nahles: Es ist offensichtlich sehr erfolgreich gewesen, dass Horst Seehofer sich gegen die Bundesregierung mit Frau Merkel profiliert hat und damit diese Identität "mir san mir" sehr massiv bedient hat, und das muss man anerkennen. Gleichwohl bereitet es natürlich Frau Merkel in den kommenden Tagen auch Probleme, weil er mit dieser Strategie ja auch die FDP marginalisiert hat und jetzt eine Zweitstimmen-Kampagne da losbrechen wird. Also das ist für Frau Merkel ein sehr unbequemes Ergebnis.

    Klein: Hätten Sie denn nicht aber auch erwartet, dass es etwas mehr Rückenwind aus Berlin für Ihre Partei gibt, mit einem Kanzlerkandidaten, den Sie ja selbst für sehr erfolgreich halten und für sehr vielversprechend?

    Nahles: Ich glaube, Bayern ist Bayern, so muss man es wirklich sagen. Ich glaube nicht, dass wir in den nächsten Tagen ein Mobilisierungsproblem haben nach dieser Wahl. Im Gegenteil! Das hat uns einen guten Ausgang geliefert, um in der Endspurtphase jetzt unsere Leute an die Wahlurne zu bringen, da wo unser Potenzial wesentlich höher ist als in Bayern, und das ist möglich und deswegen fühlen wir uns in diesen Stunden jetzt eigentlich gut motiviert und es ist nicht so, dass wir erwartet hätten, dass wir jetzt eine absolute Mehrheit in Bayern erreichen. Wir haben aber gehofft, dass der Pfeil nach oben geht, und das ist auch gelungen.

    Klein: Schauen wir mal auf eine Wahlkampfidee, die Ende vergangener Woche für viel Gesprächsstoff und auch für Kritik gesorgt hat: das Titelbild der "SZ", ein Bild mit dem ausgestreckten Mittelfinger des Kanzlerkandidaten. War das hilfreich für Ihre Partei auch in Bayern?

    Nahles: Ich glaube, dass das ehrlich gesagt keine Auswirkungen hat. Ich glaube, dass wir über Politik reden sollten. Das werden wir auch in den nächsten Tagen tun. Es geht bei der Bundestagswahl nicht um Gesten, sondern um die Frage, ob es einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro gibt und eine abschlagsfreie Rente nach 45 Jahren möglich wird. Das sind die zentralen Fragen der letzten Tage.

    Klein: Klar. Aber der Kanzlerkandidat hat ja selber für sich entschieden, dass er dieser Fotoreihe zustimmt, und hat auch dieses Foto zur Veröffentlichung freigegeben. Die SPD in Bayern hat das mit großer Zurückhaltung gesehen. Christian Ude sprach von einer risikoreichen Geste. Er hat nicht geglaubt, dass ihm das nützen wird. Sie schließen aus, dass es da irgendeinen Einfluss gegeben hat?

    Nahles: Das schließe ich aus, weil ich glaube, dass die Ergebnisse noch mal gerade in den letzten Tagen, die wir in den Umfragen hatten, also die Umfragesituation war deutlich schlechter als das Wahlergebnis, und da hat es offensichtlich ein Aufholen gegeben gerade in den letzten Tagen, wo auch diese Geste ja diskutiert wurde. Von daher sehe ich da keinen Zusammenhang mit dem Wahlergebnis.

    Klein: Sie haben andere Oppositionsparteien in Bayern gerade angesprochen, auf die Sie ja auch zählen müssen, wenn Sie im Bund den Regierungswechsel schaffen wollen. Die Grünen haben nicht das von ihnen angestrebte zweistellige Ergebnis erzielt, 8,5 Prozent. Dort herrschte gestern auch Trauer. Wie soll es denn mit der SPD möglich sein, ein rot-grünes Bündnis mit diesen Ergebnissen über die Bühne zu bringen?

    Nahles: Ich glaube tatsächlich, auch hier gilt: es geht um andere Themen auf der Bundesebene. Da ist zum Beispiel die große Aufgabe der Energiewende da. Es geht auf der Bundesebene auch um die Frage, dass wir Frau Merkel ablösen, und die ist in der Koalition mit der FDP, und wir haben erlebt, dass es in dieser Koalition vor allem Streit gab und Unzufriedenheit. Ich kann nur sagen, die Mehrheit der Bevölkerung wertet zwar die Arbeit von Frau Merkel immer noch sehr positiv, aber nicht der jetzigen Koalition. Schwarz-Gelb hat aus meiner Sicht keine Mehrheiten mehr und von daher ist das eigentlich eine andere Situation, ja es ist sogar dezidiert eine andere Situation als jetzt in Bayern. Man kann da vielleicht Rückschlüsse ziehen, dass die Grünen noch ein Stück weit auch sich anstrengen müssen. Das will ich ihnen auch wünschen. Sie waren geduldig mit der SPD, wir haben auch geschwächelt über viele Monate, was die Umfragen angeht. Jetzt drücke ich denen die Daumen, dass das klappt.

    Klein: Andrea Nahles, die Generalsekretärin der SPD, heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk. Ich danke Ihnen für das Interview.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.