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"Das können ja nur die Amerikaner gewesen sein"

Der österreichische Europaparlamentarier Hannes Swoboda hält es für "absolut unzulässig", dass auf der Suche nach dem Ex-Geheimdienstler Snowden das Flugzeug des bolivianischen Präsidenten zur Landung gezwungen wurde. Offensichtlich hätten die USA Druck ausgeübt, vermutet der Sozialdemokrat und fordert, die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zu verschieben.

Hannes Swoboda im Gespräch mit Mario Dobovisek | 04.07.2013
    Mario Dobovisek: Bin ich nun entführt, frug Boliviens Präsident Evo Morales gestern, ohne seinen Humor dabei zu verlieren. Und das trotz des unfreiwilligen Zwischenstopps in Berlin. Wut schien dennoch durch: Auf der Heimreise von Moskau nach Lateinamerika stand seine Maschine in Österreich rund 13 Stunden am Boden, weil Frankreich, Spanien, Portugal und Italien offenbar die Überflugrechte verweigert hatten. Dahinter ein Verdacht: An Bord könnte sich Edward Snowden befinden! Nicht an Bord eines Flugzeugs, sondern bei uns am Telefon ist nun der österreichische Politiker Hannes Swoboda. Er ist Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten im Europaparlament, guten Morgen, Herr Swoboda!

    Hannes Swoboda: Schönen guten Morgen!

    Dobovisek: Wer hat da wen unter Druck gesetzt, dass am Ende Morales mit seinem Flugzeug in Wien zwischenlanden musste?

    Swoboda: Ja, das können ja nur die Amerikaner gewesen sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Franzosen, Italiener et cetera den Luftraum gesperrt haben, um Snowden selber zu bekommen und ihm Asyl zu gewähren. Ich finde das eigentlich absolut unzulässig. Auf der einen Seite die Amerikaner zu kritisieren und zu drohen, dass wir später mit den Verhandlungen über ein Abkommen für Handel und Investitionen beginnen, und auf der anderen Seite dann gleichzeitig den Luftraum zu sperren für ein Flugzeug von Evo Morales, also, das ist eine sehr, sehr zwiespältige Haltung, die manche Regierungen hier an den Tag legen.

    Dobovisek: Warum spricht Europa da nicht mit einer Stimme?

    Swoboda: Ja, ich ... Weil die auch wieder, der Druck wahrscheinlich der Amerikaner auf einzelne Regierungen unterschiedlich ist und weil einige sagen, das ist eigentlich nichts Besonderes, klar werden wir ausspioniert. Natürlich gibt es Vermutungen und gab es Vermutungen und Gerüchte und Annahmen, aber dennoch, glaube ich, muss man hier mit aller Schärfe vorgehen. Man kann das nicht dulden, dass europäische Institutionen einfach ausspioniert werden. Diese Regellosigkeit, jeder macht, was er will, das ist etwas, was absolut nicht akzeptierbar ist, weder vonseiten des Bürgers aus noch vonseiten auch der Unternehmungen. Denn da ist ja auch viel Industriespionage dabei. Ich bin mir nicht sicher oder bin mir sogar aus meiner Sicht sicher, dass viele Daten dann auch an amerikanische Unternehmungen gehen, die zum Beispiel über europäische Unternehmungen und Manager gesammelt werden. Also, da ist ja ein weites Netz dabei, die Konkurrenzverhältnisse zu verschieben!

    Dobovisek: Auch EU-Einrichtungen sollen überwacht worden sein, heißt es, ebenso wie europäische Botschaften in Washington, sogar mit Wanzen, obwohl die bislang noch nicht gefunden werden konnten. Überrascht Sie das?

    Swoboda: Es überrascht mich nicht, dass solche Einrichtungen existieren. Aber dennoch ist es nicht akzeptabel. Wenn es Beweise gibt, ist es sicherlich wichtig, das genau festzuhalten, dann muss das schärfstens zu einem Protest führen. Und wir Sozialdemokraten jedenfalls und einige andere, glaube ich, verlangen, dass der Beginn der Verhandlungen über ein Handels- und Investitionsabkommen mit den Amerikanern so lange verschoben wird, bis klargestellt ist, was es gibt. Und bis es auch ein Abkommen gibt oder eine Übereinkunft zwischen den Amerikanern und Europäern, dass das nicht mehr passieren darf.

    Dobovisek: Ist das, was das Europäische Parlament wohl heute beschließen wird, wenn es über die Konsequenzen aus den Abhörskandalen spricht?

    Swoboda: Jedenfalls ist das unser Antrag. Man wird sehen, was das Parlament dann letztendlich beschließen wird. Zweitens ist sicherlich unser Antrag, dass alles genau aufgeklärt werden muss. Wenn jetzt ein gemeinsames Komitee eingesetzt wird, das über Monate hindurch berät, dann ist das auch wieder nicht akzeptabel. Es muss schnell gehandelt werden und es müssen schnell die Fakten auf den Tisch!

    Dobovisek: Welche Fakten sind es denn für Sie, die Sie glauben machen, dass tatsächlich Amerika, dass die USA Druck ausgeübt haben auf europäische Staaten?

    Swoboda: Ja, sonst würde es ja nicht so passieren! Wir wissen ja, bei jedem Abkommen, das geschlossen wird und wo es ein bisschen Widerstand gibt, sind die amerikanischen Botschaften massiv aktiv, auch gegenüber den europäischen Abgeordneten. Das ist ihr gutes Recht, aber dass der Druck da passiert, das ist ja ganz offensichtlich!

    Dobovisek: Warum war da Österreich gestern offenbar ein eher standhafteres Land? Wenn ich mir anschaue, dass Morales dort landen konnte und natürlich auch den Luftraum passieren konnte?

    Swoboda: Ich glaube, dass Österreich da nicht einfach so den Amerikanern gefügig ist, obwohl es ein sehr kleines Land ist, wie manch andere. Und ich glaube, dass ein gewisser Rechtsstandpunkt einfach eingehalten werden muss. Und da war zumindest in diesem Fall Österreich etwas standhafter und klarer als manche andere Länder.

    Dobovisek: Nicht ganz so klar war gestern, ob es tatsächlich Kontrollen gegeben hat durch österreichische Behörden an Bord der Regierungsmaschine Boliviens. Hat es die gegeben, was wissen Sie darüber?

    Swoboda: Das weiß ich nicht, und die Frage ist auch, ob es mit Einvernehmen war, der bolivianischen Behörden oder des Präsidenten von Bolivien. Wenn es hier im Einvernehmen auch gewisse Kontrollen gegeben hat, dann ist das ja in Ordnung. Wenn es da kein Einvernehmen gegeben hätte, dann wäre das nicht in Ordnung, aber nein, dass sich die beiden Präsidenten, der österreichische und der bolivianische, getroffen haben, ist ein Indiz, dass zumindest da korrekt vorgegangen worden ist.

    Dobovisek: Hat es das Ihrer Kenntnis nach schon mal gegeben, dass so eine offizielle diplomatische Maschine, Staatsmaschine, gestoppt wurde?

    Swoboda: Eigentlich nicht. Vor allem nicht, wenn ein Staatspräsident da war, der ja nicht international gesucht worden ist. Es ist ja nicht, dass es hier einen Haftbefehl gegen den Staatspräsidenten von Bolivien gibt, und das wird natürlich auch die Beziehungen zu Bolivien beeinträchtigen, was die Amerikaner, aber auch, was manche europäische Länder betrifft. Nochmals, ich finde das Verhalten mancher Regierungen oder zumindest der Luftfahrtbehörden, wer immer es war, schändlich.

    Dobovisek: Sie sind auch Außenpolitiker im Europäischen Parlament, Herr Swoboda, deshalb interessiert mich natürlich auch noch Ihre Einschätzung zu der Lage in Ägypten. Ist das aus Ihrer Sicht ein Militärputsch, der dort stattfindet?

    Swoboda: Das ist ganz offensichtlich ein Militärputsch, denn einen Präsidenten festzusetzen, einen neuen einfach einzuführen, die Verfassung außer Kraft zu setzen, das ist ein Militärputsch. Bei aller Kritik an Mursi halte ich das nicht für gerechtfertigt. Das ist ein Rückschlag. Natürlich war Mursi nicht ein Präsident, der es möglich gemacht hat, mit der gesamten Gesellschaft zu kommunizieren und hier ein neues Ägypten aufzubauen. Aber ich fürchte, das ist ein Rückschlag, ich fürchte, dass das nicht ein Weg nach vorne ist.

    Dobovisek: Welcher Weg wäre aus Ihrer Sicht der richtige gewesen?

    Swoboda: Man hätte natürlich mit Mursi verhandeln können, man hätte ihm eine Chance geben müssen, die Kräfte, die demonstriert haben, die also gegen diese Islamisierung sind, auch in die Regierung mit einzubeziehen. Das kann man nicht in ein, zwei Tagen machen. Dahinter steckt schon klar der Wille, nicht ein neues Ägypten zu schaffen, sondern eigentlich zu einem alten Ägypten, das vom Militär beherrscht wird, zurückzukehren.

    Dobovisek: Hannes Swoboda für die österreichischen Sozialdemokraten im Europaparlament, vielen Dank für das Gespräch!

    Swoboda: Bitte, sehr gerne!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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