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"Das kommt ja nicht überraschend"

Die Ratingagentur Moody's zeigt Deutschlands Banken die gelbe Karte und senkt den Bonitätsausblick für 17 Kreditinstitute auf "negativ". Ein Warnschuss, der an die Politik gehe, weniger an die Banken, meint Finanzexperte Wolfgang Gerke. Immer mehr Schulden machen und Geld drucken könne auf Dauer nicht gutgehen, warnt der Chef des Bayerischen Finanzzentrums.

Wolfgang Gerke im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 26.07.2012
    Tobias Armbrüster: Nicht nur in Brüssel wird über Eurohilfen debattiert, auch bei uns in Deutschland wird weiter über das Für und Wider von neuen, von weiteren Hilfszahlungen an Europas Krisenländer gestritten. Immer mehr Politiker fürchten offenbar, dass sich Deutschland mit seinen Zusagen an die europäischen Partner übernehmen könnte. Warnschüsse gab es in dieser Woche von der Ratingagentur Moody’s, die hat erst den Ausblick für Deutschland insgesamt gesenkt, heute nun hat sie sich 17 deutsche Kreditinstitute vorgenommen. Deren Zukunft betrachten die Experten nun nicht mehr als stabil, sondern als negativ.
    Am Telefon ist jetzt der Bankenexperte Wolfgang Gerke, er ist Präsident des Bayerischen Finanzzentrums. Schönen guten Tag, Herr Gerke.

    Wolfgang Gerke: Hallo, Herr Armbrüster!

    Armbrüster: Herr Gerke, was bedeutet diese Abstufung für die 17 betroffenen deutschen Banken?

    Gerke: Das ist ja eine angedrohte Abstufung, aber das kann schon hart sein. Wenn man in der Ratingklasse eine Klasse schlechter wird, dann muss man dafür am Markt büßen, indem man teurere Finanzierungskosten hat, also einen höheren Zins bieten muss, um Kapital, Geld aufzunehmen.

    Armbrüster: Das heißt, Sie halten diese Entscheidung von Moody’s für gerechtfertigt?

    Gerke: Die Entscheidung ist, bezogen auf Europa, auf Deutschland und auf deutsche Banken, gerechtfertigt. Die Kanzlerin hat selbst gesagt, dass irgendwann das Ende der Fahnenstange erreicht ist, und es ist ein Warnschuss an die Politik. Es ist wichtig, dass die Politik das jetzt nicht einfach ignoriert, oder wo möglich auf die Ratingagenturen jetzt schimpft, sondern das als letzten Endes ein Signal nimmt, um noch mal die Politik zu überdenken, die man fährt, dass man immer mehr Geld druckt, immer mehr Schulden macht. Das kann sonst so nicht gut gehen, trifft auch Deutschland dann in der Bonität. Aber man muss eins sagen: relativ betrachtet steht Deutschland natürlich weiter blendend da, das Geld fließt rein und das wird auch weiter so sein, denn die anderen werden auch heruntergestuft.

    Armbrüster: Müsste man sich denn als Kunde beispielsweise der Postbank jetzt Sorgen machen?

    Gerke: Nein. Als Kunde der Bank muss man sich keine Sorgen machen. Auch die Kunden der Landesbanken brauchen sich keine Sorgen zu machen. Aber für die Banken ist das schon hart, ihre Ertragslage wird dadurch, wenn denn die Herunterstufung kommt – das ist ja noch keineswegs entschieden -, gedrückt und das passt nun gar nicht in die derzeitige Situation. Andererseits bekommen die Banken von der Notenbank extrem billig Geld, zu 0,75 Prozent, also auch da haben sie eine gewisse Stütze. Was man den Ratingagenturen jetzt sagen sollte: Wenn ihr Europa so hart zur Kandare nehmt – und das kann man ja akzeptieren -, dann tut das aber auch für die USA, da seid ihr ein bisschen einäugig.

    Armbrüster: Sind sie das tatsächlich? Sind die Ratingagenturen rücksichtsvoll, was die USA angeht?

    Gerke: Ja, sie sind rücksichtsvoll, das hat sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, und sie haben dort auch Riesenfehler gemacht. Sie haben Lehman Brothers bis zum Schluss nicht erkannt, da war man zu großzügig, man hat die USA selber viel zu lange großzügig behandelt, man hat auch früher schon Enron und andere große amerikanische Unternehmen, in meinen Augen auch General Motors viel zu günstig eingestuft gegenüber deutschen und anderen europäischen Unternehmen. Das ist eine gewisse Einäugigkeit, die dadurch bedingt ist, dass man Interessenkonflikte hat. Man ist vom amerikanischen Markt abhängig und hat insbesondere auch USA-Aktionäre.

    Armbrüster: Ich meine, eigentlich kann man sich dieses Urteil der Ratingagentur Moody’s auch selber denken und selber zusammenschreiben, wenn man ein bisschen die Wirtschafts- und Finanzteile der Zeitungen liest. Dass Europas und deutsche Banken nun eng verflochten sind mit der Euro-Krise, ist ja nun wirklich nichts neues. Schenken wir diesen Urteilen der Ratingagenturen ein bisschen zu viel Beachtung?

    Gerke: Sie sagen es völlig richtig, Herr Armbrüster: das kommt ja nicht überraschend. Insofern sollte man dem jetzt auch Beachtung schenken, denn es entspricht ja den Tatsachen, was da abläuft. Man ist miteinander vernetzt, ist in einem Boot. Aber eins ist klar: wir haben die Ratingagenturen so wichtig gemacht. Die kochen auch nur mit Wasser, das sind auch nur Analysten und sie lassen sich auch sehr ungern in ihre Bücher hineinschauen, wie sie ihre Methoden anwenden. Wir haben sie so wichtig gemacht, weil die Aufsichtsbehörden sich selber gescheut haben, so ein Rating vorzunehmen, und deshalb in den Aufsichtsregeln für Banken und Versicherungen festgelegt wurde, dass man haftendes Eigenkapital vorhalten muss in Abhängigkeit vom Rating, und das macht die Ratingagenturen natürlich extrem wichtig dann.

    Armbrüster: Müssen die Banken also jetzt aus diesem Urteil der Ratingagentur etwas mitnehmen?

    Gerke: Ja, die Banken müssen was mitnehmen. Aber sie können an dieser Stelle schlecht reagieren, denn diesmal sind nicht sie selber Schuld, sondern es ist letzten Endes die Politik daran Schuld. Es ist ja ein Urteil der Herabstufung, was kaum auf die einzelne Bank bezogen ist, sondern dass man generell sagt, möglicherweise steht Deutschland nicht mehr ganz so blendend da, mit einem sogenannten Triple A – das müssen wir aber erst noch abwarten, ob das wirklich kommt, diese Herunterstufung -, aber schon die Ankündigung ist natürlich Besorgnis erregend und das trifft dann nicht nur Banken, das trifft staatliche Unternehmen wie die Bahn. Also von daher ist das eine ganz große Breitenwirkung.

    Armbrüster: Herr Gerke, noch ein anderes Thema. Griechenlands Politiker wollen zwar nicht, dass in Europa in diesen Tagen über einen Austritt aus der Euro-Zone spekuliert wird, aber bei uns in Deutschland, da läuft diese Debatte trotzdem auf Hochtouren. Wir haben das gerade auch im Bericht gehört, dass sich Markus Söder heute sehr deutlich bei uns hier im Programm geäußert hat und für einen Austritt plädiert hat. Wie sehen Sie die Aussichten für das Euro-Mitglied Griechenland im kommenden halben Jahr? Sind die, um mal in der Diktion der Ratingagenturen zu bleiben, stabil oder negativ?

    Gerke: Die sind extrem negativ und ich bin deshalb froh, dass Herr Söder so starke Worte gefunden hat, denn das ist ja eine kleine radikale Minderheit, die er da erst mal zum Ausdruck bringt, und dafür kriegt man eher Prügel, als dass man Zustimmung bekommt. Wir lügen uns doch selber permanent in die Tasche. Griechenland hat ein Programm bekommen, das den reichen Griechen die Möglichkeit gegeben hat, ihr Geld ins Ausland zu tragen, an die 200 Milliarden, und ersetzt wird dieses Geld durch Geld vom deutschen Steuerzahler, und das kann doch nicht die Lösung des griechischen Problems sein, und die kleinen Griechen, die im Land leben, die tragen die Last. Also hier muss man Griechenland längst aus dem Euro rausnehmen, es ist im Euro nicht konkurrenzfähig und das ganze Rettungsprogramm war kein Rettungsprogramm für Griechenland, sondern ein Rettungsprogramm für vermögende Griechen und für europäische Kreditinstitute. Insofern muss man hier endlich die Konsequenz ziehen. Aber eins ist klar: Das geht nicht ohne Dominoeffekte, die werden auftreten, man wird andere Länder testen, es wird Deutschland auch über 80 Milliarden kosten. Aber wenn man so weitermacht, wird die Rechnung viel, viel teurer.

    Armbrüster: …, sagt Wolfgang Gerke, der Präsident des Bayerischen Finanzzentrums, hier heute Mittag in den "Informationen am Mittag". Besten Dank, Herr Gerke, für das Gespräch.

    Gerke: Schönen Tag, Herr Armbrüster.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

    Links zum Thema auf dradio.de:

    Moody's Ausblick löst Gelassenheit aus - Heftige Kritik an Rösler wegen Griechenland-Äußerungen

    Ökonomen warnen vor "Katastrophe" in Europa - Wissenschaftler legen Krisenplan für Euro-Krise vor