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Das lange Warten auf den schnellen Job

Aus Arbeitsamt wurde Arbeitsagentur, aus Arbeitslosen wurden Kunden und aus der Arbeitslosenhilfe das Arbeitslosengeld II. Viel hat sich geändert für die Menschen, die nach Arbeit suchen oder Arbeit vermitteln sollen. Geblieben ist das oft vergebliche Warten auf den neuen Job in langen Fluren. Denn trotz aller Reformen ist die Vermittlungsquote der Agenturen in den vergangenen Jahren drastisch gesunken.

Von Kristin Hendinger | 09.08.2005
    " Ich hab schon erlebt, um ein Formular abzugeben, dass ich vier verschiedene Zimmer beehren musste. Ich war dann insgesamt fünf Stunden auf dem Arbeitsamt, um einen Zettel loszuwerden, weil ich ständig von A nach B geschickt wurde, weil die alle nicht zuständig waren oder der Stempel von C fehlte. bis ich zum Schluss wieder bei A war. Und dann durfte ich ihn abgeben."

    Die studierte Buchhändlerin Inken Neugebauer hat die bürokratischen Reibungsverluste in der Behörde zu spüren bekommen. Zuständig für Neugebauer war und ist die Arbeitsagentur Grimma in Sachsen. Die 37-jährige Mutter von zwei Kindern redet sich in Rage, gute Erfahrungen hat sie bisher nicht gemacht.

    " Ich denke, dass die normalen Arbeitsvermittler beim AA durch die Bank unterqualifiziert sind. Ich weiß nicht, was die für ne Ausbildung haben, aber sie sehen alle nicht so aus, als ob sie einen höheren Abschluss hätten, und sie kamen mir jedes Mal extrem überfordert vor. Das konnte man denen nicht mal anlasten, die konnten einem sogar ein bisschen leid tun, weil die saßen vor ihrem Computer und kamen teilweise nicht mal mit ihrem Computer klar."

    "Bundesagentur für Ärger" titelte das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" bereits im Dezember vergangenen Jahres. Zuvor hatte der Verwaltungsratsvorsitzende Peter Clever das eigene Haus scharf kritisiert. Die Bundesagentur sei in Qualität und Quantität der Vermittlung kaum weiter als vor zwei, drei Jahren, sagte er damals. Mit seiner Aussage hatte Peter Clever offenbar ins Schwarze getroffen. Das finden zumindest viele, die es betrifft: die Arbeitslosen. Die Jobvermittlung lasse zu wünschen übrig - ganz zu schweigen davon, dass es einfach zu wenig Stellen gibt. Die Arbeitsagentur Dresden - ein moderner, grauer Neubau in der Budapesterstraße. Mit 56.000 Kunden - wie es hier heißt - und 650 Sachbearbeitern und Beschäftigten ist sie eine der größten Geschäftsstellen in Sachsen - neben Chemnitz und Leipzig. Drinnen sind die Wände in grauem Beige gestrichen. Ein undefinierbares und doch typisches Bürogrün umrahmt die Empfangstheken und Türen. Lange Flure, in denen links und rechts im Abstand von zwei Metern die Bürotüren abgehen, bringen die Kunden zu den Arbeitsvermittlern.

    Es ist ein ganz normaler Werktag, kurz vor halb elf. In der dritten Etage warten etwa 30 Menschen auf dem Flur oder im Nebenraum - Junge und Alte, alternativ oder bürgerlich gekleidet. Sie rutschen auf den Stühlen hin und her, manche lesen Zeitung oder machen Kreuzworträtsel, um die Wartezeit zu verkürzen. Eine junge Mutter versucht geduldig, ihre kleine Tochter zu bändigen, die auf dem Gang hin und her rennt. Die meisten von ihnen haben keinen festen Termin. Ein Herr Mitte 50, mit langem, abgetragenem, schwarzem Ledermantel, müden Augen und blassem Gesicht schimpft. Neben ihm eine kräftige junge Frau mit strähnigen langen Haaren; sie nickt zustimmend. Beide warten seit zwei Stunden vor dem Büro einer Sachbearbeiterin.

    " Dass das mit Hartz IV endlich mal fertig wird. Das wir mal dran kommen, wir haben auch schon viel Änderungen gemacht, die bearbeiten das nicht, wir haben schon Mietschulden, bin ich jetzt das dritte Mal hier. Wir sind ja arbeitslos - wir haben ja Zeit."

    Zeit hat auch Ronald Ritzmann. Der arbeitslose Außendienstmitarbeiter sitzt hier ebenfalls nicht zum ersten Mal. Seit mehreren Monaten ohne Beschäftigung, hat er schon viele Stunden auf dem Arbeitsamt verbracht. Er gehört zum Kundenstamm von Marlies Umbreit. Die 59-Jährige vermittelt Jobs im Bereich Außenhandel und betreut an die 600 Kunden. Ritzmann erwartet ein helles Büro mit einer breiten Fensterfront.

    " Sagen sie mir noch mal, weshalb Sie entlassen worden sind?
    Ich hatte selber gekündigt, weil die Umstrukturierungen meiner alten Firma, die man für mich vorgesehen hatte, haben mir persönlich nicht gefallen. Da hatte ich mich neu umgesehen, hatte nur eine mündliche Zusage von einem neuen Arbeitgeber. Daraufhin hab ich gekündigt. Leider hat man sich an die Zusage nicht mehr gehalten."

    Neuneinhalb Jahre hat Roland Ritzmann im Vertrieb seiner alten Firma gearbeitet. Er verkauft Baustoffe. Vor sechs Monaten meldet sich der 48-Jährige dann zum ersten Mal arbeitslos und sucht einen neuen Job. Ritzmann will sich so schnell wie möglich selbständig machen. Er ist einer von den aktiven, den flexiblen Kunden. Einsetzbar nicht nur in Sachsen, bringt er es in nur zwei Monaten auf 33 Bewerbungen. Beim Verlassen des Büros hat er fünf Stellenangebote in der Tasche.

    " Kaffeemaschinen? - Arbeitsort wäre Hamburg und Hannover? Im Außendienst? Großhandel? Drucken Sie mir's mal aus. Jetzt hab ich noch eine Stelle für Bauelemente, Raum Sachsen in Selbstständigkeit."

    Wie hier in Dresden sitzen sich überall in Deutschlands Arbeitsagenturen von Montag bis Freitag jeweils zwei Menschen gegenüber, die sich in der Regel nicht kennen und doch aufeinander angewiesen sind. Die Arbeitslosen oder Arbeitssuchenden, die einen Job brauchen, und die Arbeitsvermittler, die ohne die Kunden ihrerseits den eigenen Job an den Nagel hängen könnten.

    " Ich hab jeden Tag 24 bestellte Termine à 20 Minuten - mit jedem Kunden so ein Gespräch zu führen, dass er nicht mit Frust mein Zimmer verlässt, sondern dass ich ihm geholfen habe, ihn motiviert habe, eine neue Arbeit zu finden, wo er sie finden kann, und ab und an mal einen Arbeitsplatz zu vermitteln."

    So engagiert wie Marlies Umbreit scheinen nicht alle Arbeitsvermittler zu sein.

    " Bei mir war es einmal der Fall, dass der Bogen ausgefüllt wurde am PC der Arbeitsvermittlerin, und ich musste meine Kenntnisse dort vorstellen und sagte, ich bin Internetprogrammierer und Webdesigner. Woraufhin mir die Frau freundlicherweise sagte, Webdesigner kann ich Ihnen leider nicht schreiben, da lassen wir's weg. Internetprogrammierer wird ja wohl reichen."

    Falk Fiedler, 26 Jahre, heute selbstständiger Internetprogrammierer und Webdesigner, hat in der Arbeitsagentur Leipzig seine eigenen Erfahrungen gemacht. Fehlendes Interesse am Kunden, unzureichende Beratung und Computerprobleme. Immer wieder kommen Befragte darauf zu sprechen.

    " Hätte ich nicht gesagt, ich kann noch das, ich kann noch das, und das kann ich auch noch, dann hätte man mich dort nur unzureichend katalogisiert. Und außerdem kannte ich diese noch, sie hat früher im Rat der Stadt gearbeitet oder vielmehr Rat des Kreises hieß es früher, vielleicht Ende 50, was nicht negativ sein muss, aber im Einfingersuchsystem vorm Computer gesessen, und als sie einmal eine falsche Eingabe gemacht hatte, wusste sie nicht, wie sie mit dem Cursor wieder dort hochspringt, hat sie das ganze Formular gelöscht und hat es noch mal neu gemacht."

    Falk Mederer arbeitet heute als Bauingenieur. Nachdem er sein Studium vor zwei Jahren beendet hatte, meldete sich der 32-Jährige Arbeit suchend. Seine damalige Erstberatung in der Arbeitsagentur Aue-Schwarzenberg bewertet er als mittelmäßig. Statt sich mit seinen Fähigkeiten auseinanderzusetzen, habe die Dame lediglich seine Daten aufgenommen. Ein Jobangebot konnte sie ihm auch nicht vermitteln. Ähnliches Pech - so empfindet Mederer es - hatte er mit seinem zweiten Berater. Dem attestiert er nachträglich nicht nur Inkompetenz, sondern zudem Respektlosigkeit.

    " Und dann sind dort während des Beratungsgespräches zwei oder drei Kollegen eingetreten, und dann wurde die Beratung kurz unterbrochen, weil dieser Sachbearbeiter diesen Kollegen Eier verkaufen musste. Sprich, vielleicht hatte er irgendwo Hühner zu Hause, und da hat er dann immer die Eier - mir kam's vor, als wenn dieser Vorgang allwöchentlich abläuft - hat dann diese frischen Eier während des Beratungsgespräches an seine Kollegen verkauft."

    <im_16712>Arbeitslosengeld II</im_16712> Die Gründe für eine gute oder schlechte Vermittlung sind vielschichtig. Ein Problem ist die Erwartungshaltung von Vermittler und Arbeitssuchendem. Viele, die zum ersten Mal in der Agentur erscheinen, fordern von ihrem Arbeitsvermittler sofort mehrere Jobangebote. Doch zunächst werden die Fähigkeiten und Qualifikationen des Kunden aufgenommen. Wie bei einem Vorstellungsgespräch muss der sich verkaufen. Kann er das nur unzureichend, ist er auf die Kompetenz des Vermittlers angewiesen. Der muss dann alle relevanten Qualifikationen hinterfragen. Beschwert sich der Kunde nicht über mangelndes Engagement seines Sachbearbeiters, macht der seinen Job wie er das für richtig hält. Es gibt keine Kontrollinstanz, die regelmäßig die Qualität der Beratungsgespräche überprüft. Ältere Kunden erweisen sich oft als Menschen mit geringerem Selbstvertrauen. Bei jüngeren stoßen die Sachbearbeiter nicht selten auf Arroganz unter Akademikern und auf Desinteresse bei ehemaligen Azubis - so wie es Marlies Umbreit erzählt. In ihrem Büro sitzt eine arbeitslose junge Frau, die gerade Ihre Ausbildung abgeschlossen hat.

    " So, Ihre Eigenbemühungen, haben Sie die mitgebracht? Nein. - Also fürs nächste Mal, die Eigenbemühungen, die Liste .. Hm. Haben sie noch ne Liste Bewerbungskosten?"

    Die junge Frau erscheint unvorbereitet zum Termin. Und das ohne die notwendigen Nachweise, dass sie sich regelmäßig bei verschiedenen Arbeitgebern bewirbt. Sie sitzt lustlos Ihrer Vermittlerin gegenüber und macht sich kaum Notizen, als diese ihr von der Eröffnung eines neuen Einkaufszentrums berichtet, wo sie sich bewerben solle. Frau Umbreit bleibt geduldig. Doch als die Beratung zu Ende und die junge Frau gegangen ist, äußert sie sich verärgert.

    " Weil sie erstens ohne ihre Eigenbemühungen hier vorgesprochen ist, sie wusste, dass sie ihre Eigenbemühungen mitbringen muss und dass sie auch nachweisen muss, dass sie was tun muss, damit sie ihre Arbeitslosigkeit beendet. Und mit den Anschriften, die ich ihr gegeben habe, war ich auch ein bisschen wütend, weil sie sich einfach nur aufgeschrieben hat, Wiener Platz und nichts weiter. Beim nächsten Mal, wenn sie kommt, werde ich das alles abfragen, und wenn sie sich nicht beworben hat, hat sie mit Konsequenzen zu rechnen. Dass sie aufgrund der fehlenden Eigenbemühungen eine Sperrfrist kriegt."

    Das heißt, der jungen Frau können die Leistungen gestrichen werden. Arbeitsvermittlerin Birgit Mayer ist seit der Wende in Dresden tätig. Ihre Devise: Jammern hilft nichts! Das bringt uns nicht weiter! Sie versucht ihre eigene Lebensfreude an ihre Kunden weiterzugeben. Doch nicht immer fällt die gutmütige Art auf fruchtbaren Boden.

    " Es gibt - und das sind vor allem die jüngeren Leute, also unsere jugendlichen Arbeitslosen, da muss ich knallharte Forderungen stellen, die brauchen einfach einen Tritt, die brauchen so ein schlechtes Gewissen, das bin ich, die sagt: "Also passen Sie auf, in drei Wochen sitzen Sie wieder an meinem Schreibtisch, dann haben Sie sich bei zehn Firmen beworben und weisen mir das nach."

    Auf die Eigenverantwortung des Kunden kommt es nun einmal an, sagt Roland Ritzmann, der arbeitslose Außendienstler für Baustoffe.

    " Man sollte immer zuversichtlich sein, sonst braucht man's gar nicht erst anfangen. Aber man muss halt das Beste draus machen. Was über die Agentur kommt ist nicht allzu viel. Man muss sich selbst über Zeitungsannoncen bewerben, im Internet recherchieren, viel Bewerbungen schreiben, so dass man erst mal zu Vorstellungsgesprächen kommt, um eventuell ne neue Arbeitsstelle zu bekommen."

    Dafür fehlt vielen die Motivation. Nichtakademiker müssen erfahrungsgemäß öfter an die Hand genommen werden als Hochschulabsolventen. Die erwarten viel eher eine fundierte und sachlich einwandfreie Beratung. Fachlich kompetent und psychologisch geschult soll der Sachbearbeiter den Kunden ernst nehmen. Der Betroffene Falk Mederer spricht jüngeren Vermittlern mehr Dynamik zu. Viel kompetenter als der Eier verkaufende Sachbearbeiter sei eine junge Fachkraft am Informationsschalter gewesen.

    " Die war jung, dynamisch, flexibel, kompetent. Die hat versucht alles abzupuffern, war auch freundlich, hat auch Tipps gegeben."

    Die Agentur für Arbeit ist der Verwalter einer riesigen Datenbank. Fast fünf Millionen Menschen wurden im Juli deutschlandweit gespeichert. Die Vermittlungsquote der Agenturen ist in den vergangenen Jahren um mehr als die Hälfte gesunken. So eine Studie des Kölner "Instituts für die Deutsche Wirtschaft", das heißt, nur etwa jede siebente Stelle wurde mit einem Bewerber besetzt, den das Arbeitsamt vorgeschlagen hat. Bereits vor der Umstellung auf Hartz IV galt die Arbeitsweise der Ämter alles andere als effizient. Dieser Ruf konnte trotz der Arbeitsmarktreformen bis heute nicht verbessert werden. Es sei ein immenser Kraftakt gewesen, sich während des laufenden Geschäftes mit den Details von Hartz IV auseinanderzusetzen, sagt Arbeitsvermittlerin Birgit Mayer.

    " Wir haben versucht, uns stark zu machen und zu sagen: Leute, wir müssen hier fit sein, sonst gehen wir hier baden. Wir haben natürlich Material bekommen, sofern vorhanden. Das hatte jeder selbst durchzuarbeiten. Und dann wie in jedem anderen Team auch, haben wir uns zusammengesetzt und diskutiert. Manches war völlig unverständlich, es war auch nicht zu begreifen, man muss sich damit auseinandersetzen im Gespräch mit anderen Kollegen."

    Werner Joseph Patzelt, Politik-Professor an der Technischen Universität Dresden, erklärt, staatliche Behörden könnten durchaus zielorientiert arbeiten. Doch auch eine Behörde brauche die notwendige Zeit, um sich neuen Aufgaben und Strukturen anzupassen.

    " Diese Zeit hat man der Arbeitsagentur nicht gegeben, weil wieder einmal die Notwendigkeiten im Vordergrund standen, durch symbolische politische Maßnahmen, durch Hau-Ruck-Maßnahmen Tatkraft zu symbolisieren."

    Zwölf-Stunden-Tage - die Belastung der Sachbearbeiter während dieser Zeit war enorm und ist es noch. Sie leisten Fließbandarbeit, und das am Menschen, so kommt es Birgit Mayer manchmal vor. Schließlich hat in der Regel ein einziger Vermittler in Dresden bis zu 800 Kunden. Für eine intensive Betreuung und maßgeschneiderte Stellensuche bleibt kaum Zeit. Mehr Zeit haben lediglich Vermittler, die sich um die unter 25-Jährigen kümmern. Sie betreuen nur 75 Kunden.

    " Die sollten aufhören zu denken oder so zu tun als könnte sie jemanden in Arbeit bringen. Das können sie gar nicht. Die sollten ehrlich sein und sagen, wir verwalten die Arbeitslosigkeit, die Ansprüche und Gelder, die jemand hat, der bei uns sich anmeldet, aber nicht so tun - Wir können euch in Arbeit bringen, das glaub ich denen nicht. Ich hab Erfahrungen mit einer privaten Arbeitsvermittlung gemacht, die können das besser, weil die kleiner sind, flexibler sind und weil die dafür bezahlt werden, dass jemand ne Arbeit kriegt durch sie,"

    sagt Anne-Katrin Bach. Die 33-Jährige ist arbeitslose Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache. Wie ihr geht es vielen. Das Vertrauen vieler Arbeitsloser in die Agentur ist oft gering. Da die Agenturen die Flut an Jobsuchenden schon lange nicht mehr allein bewältigen können, erhalten Empfänger von Arbeitslosengeld einen Gutschein für eine private Arbeitsvermittlung. Dann, wenn sie sechs Wochen am Stück ohne Beschäftigung sind. Den Vermittler suchen sich die Kunden dann selbst aus. 2000 Euro ist der Gutschein wert. Der Vorteil der Privat-Agenturen: weniger Kunden, intensive Betreuung. Ein erstes Gespräch kann hier schon mal zwei Stunden dauern. Werner Joseph Patzelt ahnt, warum die Bundesagentur für Arbeit bei der Vermittlung hinter den Privaten zurücksteht.

    " Dahinter mag freilich auch die Tatsache stehen, dass private Agenturen sich auf bestimmte Marktsegmente spezialisieren können und bei genauer Marktkenntnis zielgenauer vermitteln können als es die Arbeitsagenturen können, die ja nun weit gespannte Vermittlungsbereiche haben."

    Der Arbeitssuchende hat in der Regel alle notwendigen Unterlagen wie Bewerbungsmappe und Arbeitszeugnisse bei einem ersten Besuch in der Agentur wie bei einem privaten Vermittler dabei. Wenn ein Zeugnis aber zweifelhaft scheint, schreibt der private im Gegensatz zum staatlichen Vermittler oft eine neue Vorlage für ein Zeugnis. An Hand dieser Vorlage kann der Kunde den ehemaligen Arbeitgeber auffordern, eine neue Bewertung zu formulieren.

    " Private Unternehmen auch im Vermittlungsbereich leben von ihrer Effektivität, sie leben davon, dass die Leute sie für Leistungen bezahlen, Leute nämlich, die dann auch nachprüfen, ist die Leistung erbracht worden. Infolgedessen ist die Erfolgskontrolle natürlich wesentlich größer und dichter als bei öffentlichen Vermittlungsagenturen."

    Dass nicht alle Mitarbeiter gleich qualifiziert sind, bestätigt Vermittlerin Birgit Mayer.

    " Ich muss auch ganz ehrlich sagen, es gibt jetzt Situationen und Vorgänge, wo ich denke, Mensch, der hat jetzt Recht, der war schon dort und dort. Warum hat die Kollegin so geantwortet, warum war die unfreundlich, warum hat die ihn weggeschickt - jetzt rennt der hier im Kreis. Oder am Telefon ist das ja auch oft - zum dritten, vierten Mal verbunden, keiner hilft, wenn die Leute dann ihren Frust ablassen, versteh ich das, dann hör ich mir das an und sage: "Passen Sie auf, wir machen jetzt hier einen Schnitt, ich hab das alles jetzt nicht zu verantworten, lassen Sie uns einfach noch mal schauen, wie das Problem zu lösen geht."

    Doch genau dazu fehle vielen Vermittlern das Engagement und die Phantasie, findet Falk Fiedler.

    " Ich hab auch festgestellt, wenn man nicht mit festen Vorstellungen dahin kommt, ich möchte das und das machen, oder ich habe irgendwo gelesen, da gibt's ne Weiterbildung, wenn man das nicht konkret macht, wird einem keiner sagen, das wäre alles möglich."

    Genau dies erhoffen sich aber die Vermittlerinnen - einen selbstbewussten und selbstständigen Kunden - keinen, der sich nur bedienen lassen will.

    " Was ich mir am meisten wünsche, dass jeder, der zu mir kommt, ne Vorstellung hat, was möchte ich werden, was erwarte ich von meinem Arbeitsvermittler und mir sagt, die und die Kenntnisse hab ich, in die Richtung will ich vermittelt werden. Ich muss selber meine Kenntnisse wissen, und dann ist es auch am besten, ihn zu vermitteln."

    Hohe Erwartungen auf beiden Seiten, die oft nicht zu erfüllen sind. Da stauen sich leicht Aggressionen an, so Marlies Umbreit.

    " Mein schrecklichstes Erlebnis war, dass ein Kunde einen Antrag auf Bewerbungskosten gestellt hat - 52 mit einem Mal abrechnen wollte. Das war ein Schreiben, 52 Mal abgelichtet an ein und den gleichen Arbeitgeber, und da hätte er Bewerbungskosten beantragen können, und als ich ihm gesagt habe, es geht nicht, ist er sehr heftig laut geworden. Aber da hat sich die Solidarität der Arbeitslosen auf dem Flur gezeigt. Die haben mir beigestanden."

    So erfordert es viel "psychotherapeutisches Geschick", täglich mit Perspektivlosigkeit und Frust umzugehen. Trotz Schulungen, in denen die Arbeitsvermittler das Gespräch mit Härtefällen wie Alkohol- und Drogenabhängigen trainieren: Diese Kunst beherrschen nur wenige. Birgit Mayer.

    " Ich denke, ich hab die verdammte Pflicht, zu jedem Kunden neu, und alle zehn oder 20 Minuten hab ich ein völlig neues Schicksal an meinem Schreibtisch, freundlich zu sein und kompetent, egal, was mich auch privat mal bedrückt. Aber wenn ich ne falsche Auskunft gebe und vielleicht noch so von oben herab, und es gibt leider Kollegen, die dem Kunden signalisieren, Sie sind mir jetzt hier zuviel, da denk ich immer, die haben vielleicht noch nie auf der anderen Seite vom Schreibtisch gesessen, waren nicht arbeitslos und wissen gar nicht, wie das ist hier zu stehen. Wir können vieles noch nicht verstehen, weil wir noch nicht als Arbeitslose in dieses Haus gekommen sind, das ist der Knackpunkt, denke ich."
    Ein Schild vor der Bundesagentur für Arbeit ragt in den dunkeln Wolkenhimmel von Essen
    Bereits vor der Umstellung auf Hartz IV galt die Arbeitsweise der Ämter alles andere als effizient. Dieser Ruf konnte trotz der Arbeitsmarktreformen bis heute nicht verbessert werden. (AP)