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Das Leben der Reggae-Legende Bob Marley

Am 17. Mai startet auch bei uns "Marley": Ein Film über das Leben und die Karriere von Reggae-Superstar Bob Marley, der 1981 im Alter von 36 Jahren starb. In Jamaika, dem Heimatland des Musikers, feierte das Biopic bereits Premiere - eine Veranstaltung mit schalem Beigeschmack.

Von Marcel Anders | 10.05.2012
    Es ist eine dieser Ideen, die so verrückt sind, dass man sie einfach wahrnehmen muss: Anlässlich von "Marley" bittet die Plattenfirma der Musiklegende zum dreitägigen Trip auf die Karibikinsel. Und als wäre die 15-stündige Anreise nicht abschreckend genug – die gesamte Veranstaltung hat einen äußerst schalen Beigeschmack.

    Angefangen bei einer Pressekonferenz der Film-Verantwortlichen und Sponsoren, die die Premiere im "Emancipation Park" in Downtown Kingston ausrichten. Wozu neben der lokalen Sparkasse ein Telekommunikationsmulti, die Modelinie von Marley-Tochter Cedella, die Fan-Kollektion von Witwe Rita, der Rum von Chris Blackwell und Marley Coffee, die Firma von Rohan Marley gehört. Der tut, worauf es bei solchen Anlässen ankommt: Er wirbt für sein Produkt mit dem Konterfei des Reggae-Königs.

    "Das ist das einzig Wahre. Nämlich vom Blue Mountain, dem höchsten Berg von Jamaika, 3000 Fuß über dem Meeresspiegel. Denn je höher die Lage, desto besser der Kaffee. Und was unseren so besonders macht: Er ist organisch. Wir sind uns bewusst, dass die Pestizide und die Kunstdünger, die die meisten Farmer verwenden, letztlich zurück in die Flüsse gehen. Und wir wollen dieses Vorgehen bremsen."
    Dagegen folgen die anschließenden Interviews, die sich als Smalltalk bei Kanapees erweisen, nur einem Zweck: Bob Marley, den ersten und einzigen Musikstar der Dritten Welt, kräftig zu verklären. Als spirituelle Naturgewalt, Botschafter des Friedens und der Liebe, begnadeter Fußballer, liebevoller Familienvater und Songwritergenie. Allen voran Chris Blackwell, Marley-Entdecker und ehemaliger Chef von Island Records:

    "Mir war klar, dass er groß werden würde. Ich habe immer gesagt: Er kann ein zweiter Jimi Hendrix werden. Genau das war das Modell, das ich für ihn im Kopf hatte. Denn Hendrix ist neue Wege gegangen, auf die sich noch keiner gewagt hat. Und ich spürte, dass Bob in dieselbe Richtung gehen könnte."

    Kritische Fragen nach seiner Vermarktung oder seinen elf Kindern von sieben verschiedenen Frauen sind indessen unerwünscht. Weshalb Rita die Veranstaltung durch die Hintertür verlässt – auf der Flucht vor der Presse, aber vor auch Bobs einstigen Bandmitgliedern und Rastafari-Brüdern, die keinen Cent vom Marley-Vermögen sehen - und vor dem Hotel demonstrieren.

    Wofür Rita, die inzwischen in Ghana lebt und mit dem Nachlass ihres Gatten Millionen verdient, kein Verständnis hat. Als heimliche Königin von Jamaika wird sie von Bodyguards abgeschirmt und inszeniert sich als unnahbare Diva. Zur Filmpremiere unter freiem Himmel erscheint sie mit einstündiger Verspätung. Was für Unmut unter den 2000 geladenen Gästen, aber auch der Bevölkerung von Kingston sorgt. Die darf das Spektakel umsonst, wenngleich nur hinter hohen Zäunen verfolgen. Und feiert trotzdem ein gigantisches Volksfest. Eben mit "ihrem" Bob.

    Erst als Rita endlich auf ihrem Ehrenplatz thront, startet eine Filmbiografie, bei der Regisseur Kevin Macdonald, bekannt durch "Der letzte König von Schottland", ein goldenes Händchen beweist.

    "Meine erste Erkenntnis war, dass die Geschichte von Bob sehr kompliziert ist – und er ein sehr komplizierter Mann war. Insofern war es das Beste, das Ganze auf möglichst simple Art und Weise anzugehen. Nämlich mit dem klassischsten Film, den ich je gemacht. Er beginnt am Anfang seines Lebens und endet mit seinem Tod. Dazu verwende ich Interviews, Landschaften, Archivmaterial und Musik."

    Und würde nicht plötzlich ein tropischer Regen einsetzen, ganz Kingston hätte das Spektakel bestimmt bis zum Schluss verfolgt. So bleibt nur die Flucht an die Hotelbar, wo Blackwell-Rum und Marley-Softdrinks gereicht werden. Und der Familienclan für Fotos posiert. Einzig Rita fehlt – und so muss sie auch keine Fragen beantworten. Von niemandem.