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"Das macht wirklich Spaß, vegan zu sein"

Veganer verzichten auf Eier, Fleisch, Fisch, Meeresfrüchte und alle Molkereiprodukte. Dennoch sei es kinderleicht, sich vegan zu ernähren, sagt Christian Vagedes, Vorsitzender der Veganen Gesellschaft. Im Supermarkt gebe es mittlerweile viele Angebote.

Christian Vagedes im Gespräch mit Georg Ehring | 11.01.2011
    Georg Ehring: Viele Menschen haben derzeit Angst vor Gift in Lebensmitteln. Bioeier sind ausverkauft und auch Schweinefleisch mit Dioxin belastet. Und so mancher sucht nach Ernährungsformen, die diese Probleme nicht mit sich bringen. Ganz entspannt zurücklehnen können sich derzeit nur Veganer, vielleicht bekannt als Tierschützer oder besonders strenge Vegetarier. Sie haben sich kürzlich in einem eigenen Verband zusammengeschlossen, der Veganen Gesellschaft, und ihren Vorsitzenden Christian Vagedes begrüße ich jetzt am Telefon. Guten Tag, Herr Vagedes.

    Christian Vagedes: Guten Tag, Herr Ehring. Hallo!

    Ehring: Zunächst einmal: Auf welche Lebensmittel verzichten Sie und was essen Sie dann noch?

    Vagedes: Die Veganerinnen und Veganer verzichten auf sämtliche Produkte, die mit Tieren zusammenhängen, also aus tierlicher Herkunft. Bei Lebensmitteln sind das alle Molkereiprodukte, Eier, alle Fleischprodukte und auch alle sogenannten Meeresfrüchte und Fisch. Man kann sagen, dass eigentlich alle Produkte ersetzt werden können durch vegane Produkte.

    Ehring: Ist so eine einseitige Ernährung nicht ungesund? Zum Beispiel Spurenelemente wie Eisen oder manche Vitamine finden sich doch nur in tierischen Produkten.

    Vagedes: Ganz im Gegenteil! Die vegane Ernährung ist eigentlich die gesündeste Ernährung der Welt. Das hat mittlerweile auch der ehemalige US-Präsident Bill Clinton erkannt. Dessen Gesundheitsberater waren vor Kurzem im US-Sender CNN live zu hören. Clinton leidet unter einer koronaren Herzerkrankung durch die nicht-vegane Ernährung und lebt jetzt weitgehend vegan und fühlt sich sehr gut, ist auf sein altes Highschool-Gewicht zurückgegangen, und es geht ihm wirklich blendend, wie er sagt. Es ist so, dass die Ernährungsindustrie noch nicht sich durchgerungen hat, den Menschen reinen Wein einzuschenken. Denn es gibt eine Ernährungsstudie, die China Study, die seit 2010 auch auf Deutsch erschienen ist, im Buchhandel erhältlich, wo ganz klar gesagt wird - das ist die größte Ernährungsstudie, die jemals durchgeführt wurde -, dass die Zivilisationskrankheiten gerade durch die tierlichen Produkte, durch die nicht-veganen Produkte, entstanden sind und entstehen.

    Ehring: Aber Sie müssen Ihre Ernährung doch genau planen, um die notwendigen Spurenelemente, Vitamin B12 zum Beispiel, auch zu bekommen?

    Vagedes: Ja. Es ist so, dass natürlich jeder seine Ernährung gut planen sollte, und Veganer, hat man auch mittlerweile herausgefunden, da gibt es viele Studien, achten viel mehr auf die Zusammensetzung ihrer Nahrung, weil sie ja viel mehr frische Sachen essen. Und dadurch sind die Veganerinnen und Veganer sogar besser versorgt mit den Nährstoffen. Sie müssen sich vorstellen, dass in Pflanzen ausreichend diese von Ihnen genannten Stoffe enthalten sind. Es ist eine absolute Mär zu behaupten, dass Veganer unter einer Mangelernährung leiden. Das wird gerne behauptet von Leuten, die Geld verdienen möchten mit tierlichen Produkten, um es mal ganz klar zu sagen.

    Ehring: Ist das denn einfach umzusetzen? Sie können ja nicht einfach irgendwo essen gehen und müssen genau auf die Zutatenliste schauen, dass da zum Beispiel keine Gelatine drin ist.

    Vagedes: Das ist letzten Endes, wenn man das Bewusstsein hat, nicht nur einfach umzusetzen, es ist kinderleicht, und es macht vor allem ganz, ganz viel Spaß, weil man vieles neu entdeckt und weil es mittlerweile auch so einfach ist, vegan zu werden. Selbst in den Supermärkten finden sie jetzt große Angebote schon. Sie kriegen eigentlich alles, was ihnen Spaß macht, auch in vegan.

    Ehring: Was ist denn Ihre Motivation dabei, Gesundheit oder Tierschutz?

    Vagedes: Viel, viel mehr. Es gibt ein ganzes Spektrum an Motivation: An allererster Stelle natürlich der Welthunger. Alle 15 Sekunden stirbt ein Kind an Hunger. Das ist ganz schlimm und Jean Ziegler von den Vereinten Nationen, der für das Recht auf Nahrung bei den Vereinten Nationen zuständig ist, sagt, es sei das Mindeste für ihn, kein Fleisch mehr zu essen, wegen dieser Welthungerproblematik. Nur elf Prozent der Weltlandfläche, elf Prozent nur, sind überhaupt geeignet, um dort Lebensmittel, um dort Pflanzen anzubauen, und wir verfüttern ganz, ganz viel, mindestens 50 Prozent, bei Soja sogar 90 Prozent, an Tiere. Das ist nicht gerecht. Und die Tiere leiden natürlich sehr. Man muss einfach wissen, dass auch für Eier sämtliche männlichen Küken auch in Deutschland vergast oder vermoost werden sofort. Das Eier legende Huhn wird nachher auch getötet, wenn es nicht mehr gebraucht wird. Und bei den Rindern sieht es leider nicht anders aus.

    Ehring: Welche Gefühle beschleichen Sie denn angesichts des Dioxin-Skandals derzeit?

    Vagedes: Na ja, wenn man das emotional ausdrückt: Wir Veganerinnen und Veganer haben natürlich überhaupt gar kein Problem damit, weil wir solche Sachen ja nicht essen. Die Menschen tun mir natürlich leid, aber ich hoffe, dass es auch dazu beiträgt, dass noch mehr Menschen Bill Clinton und anderen folgen und vielleicht mal auf unsere Website vegane-gesellschaft.org gehen und sich erkundigen, denn das macht wirklich Spaß, vegan zu sein. Das ist eine ganz tolle Sache.

    Ehring: Christian Vagedes, der Vorsitzende der Veganen Gesellschaft. Herzlichen Dank.

    Vagedes: Danke, Herr Ehring! Tschüß!