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Das Magnetfeld der Erde
Strömungen im Magmaozean

Alle paar Hunderttausend Jahre tauschen Nord- und Südpol ihre Plätze. Das letzte Mal ist ungewöhnlich lange her, nämlich schon 800.000 Jahre. Deshalb fragen sich nicht nur Geophysiker, wann es wieder so weit sein wird. Neuere Untersuchungen legen nun nahe, dass die Umpolungen ihren Ursprung unter Südafrika haben könnten.

Von Dagmar Röhrlich | 29.07.2015
    Der Erdkern und das Magnetfeld der Erde in einer künstlerischen Darstellung.
    Der Erdkern und das Magnetfeld der Erde in einer künstlerischen Darstellung. (imago / Science Photo Library)
    Seit 1840 hat das Erdmagnetfeld um etwa 16 Prozent abgenommen. Allerdings verläuft dieser Prozess rund um die Welt nicht gleichmäßig. Vielmehr schwand das Magnetfeld am stärksten im Bereich der Südatlantischen Anomalie, einem Gebiet zwischen der Ostküste Brasiliens und Südafrika. Um mehr darüber zu erfahren, was dort passiert, haben sich nun Geophysiker mit Archäologen zusammengetan: "Wir haben in Südafrika im Grenzgebiet zu Zimbabwe und Botswana Proben aus fünf eisenzeitlichen Siedlungen untersucht. Zwischen etwa 1000 und 1800 nach Christus haben die Menschen dort bei schlechten Ernten ihr Land durch rituelle Feuer gereinigt, indem sie ihre Siedlungen anzündeten. Die Feuer brannten so heiß, dass die in den Lehmböden der Hütten und Kornspeichern eingebetteten magnetischen Minerale ihre Magnetisierung verloren. Beim Abkühlen nahmen sie Stärke und Orientierung des gerade herrschenden Magnetfelds an", beschreibt Rory Cottrell von der University of Rochester im Bundesstaat New York.
    Dramatische Fluktuationen
    Im Labor maßen die Geophysiker dann an Proben aus diesen Siedlungen die Stärke und Orientierung, die das Magnetfeld zur Zeit des jeweiligen rituellen Brands gehabt hat: "Das Erdmagnetfeld war danach in dieser Region um 1200 nach Christus ein wenig stärker als heute. Dann setzt eine drastische Abnahme ein. Um 1310 war das Minimum erreicht, das Magnetfeld fast nicht mehr existent. Es erholte sich, erreichte um 1600 einen Höchststand, um dann auf die heutigen Werte abzufallen. In diesem Teil der Welt scheint die Stärke des Erdmagnetfelds also immer wieder dramatisch zu fluktuieren: Dort ist innerhalb von 700 Jahren das Erdmagnetfeld praktisch verschwunden, dann normalisierte es sich wieder und nimmt derzeit erneut ab."
    Zwar hatten frühere Einzelmessungen bereits angedeutet, dass das Magnetfeld über Südafrika einst schwächer gewesen war, aber mit diesen starken Schwankungen hatte niemand gerechnet, erklärt Michael Watkey von der University of KwaZulu-Natal in Durban. Als Ursache dieser Fluktuationen vermuten die Geophysiker eine Zone aus ungewöhnlich dichtem und heißem Material im Erdmantel: Sie erstreckt sich im Bereich der Südatlantischen Anomalie über Tausende von Kilometern hinweg an der Grenze zwischen Erdmantel und Erdkern. "Das flüssige Eisen des äußeren Erdkerns fließt an der Grenze zum Erdmantel laminar, und das hält das Erdmagnetfeld vergleichsweise stabil. Diese dichte und heiße Zone wirkt genau auf diesen laminaren Fluss wie ein Stein im Wasser: Wo der liegt, entstehen Turbulenzen. Genau das passiert dort unten, und es sind diese Wirbel, die das Erdmagnetfeld schwächen."
    Keine Hinweise auf nächste Umpolung
    Die Zone könnte der Rest einer abgetauchten Erdkrustenplatte sein oder aus der Zeit stammen, als die Erde aus einem Magmaozean erstarrte: "Diese Zone könnte die Ursache für Umpolungen des Erdmagnetfelds sein und die Feldumkehr durch die Bildung von Wirbeln auslösen. Die Umpolung wäre dann ein Effekt, der sozusagen von oben käme, nicht aus dem Erdkern heraus."
    Bislang wird angenommen, dass eine Magnetfeldumkehr irgendwo auf der Welt aus einem Zufall heraus einsetzt. Ist an der neuen Hypothese etwas dran, nähme sie ihren Ausgang im Bereich der Südatlantischen Anomalie. Und sie könnte sich immer dann ereignen, wenn die Region, in der das Erdmagnetfeld gerade sehr, sehr schwach ist, besonders groß wird.
    Dass das derzeit schwache Feld auf eine bevorstehende Polumkehr hindeutet, lasse sich aus den Daten nicht ablesen, erklärt Erstautor Paul Tarduno von der University of Rochester, der sich gerade in der Arktis aufhält. Diese Daten legten jedoch nahe, dass die Fluktuationen im lokalen Erdmagnetfeld in Südafrika Teil eines immer wiederkehrenden Musters sind, das hin und wieder eine Feldumkehr auslöst.