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Das "Miracle on Ice"

Sie waren eine Mannschaft aus namenlosen Studenten und sie verzückten ein ganzes Land. Die Rede ist von den College-Boys der USA, die am 22. Februar 1980 beim olympischen Eishockey-Turnier in Lake Placid als Underdog den haushohen Favoriten Sowjetunion besiegten und so für das bis heute noch bestens bekannte "Miracle on Ice" sorgten.

Von Heiko Oldörp | 20.02.2010
    Dieser Erfolg war mehr als nur eine riesige Sportsensation, denn auf dem Eis ging es nicht nur um Sport, sondern auch um Politik und Klassenkampf in Zeiten des Kalten Krieges. Am Montag ist der 30. Jahrestag des "Miracle on Ice".

    "... do you believe in Miracles?"

    Der 4:3-Sieg der Amerikaner gegen die Sowjetunion, jenes "Miracle on Ice" am 22. Februar 1980 ist bis heute die größte Sensation in der wahrlich langen Sportgeschichte der USA. Und auch 30 Jahre danach wird der damalige US-Kapitän Mike Eruzione noch immer darauf hin angesprochen.

    "Sie haben ein Lächeln im Gesicht und erzählen mir, dass sie sich erinnern, was sie gemacht haben, als Kennedy erschossen wurde oder als wir auf dem Mond gelandet sind. Und sie wissen noch genau, wo sie waren, als wir dieses Spiel gewonnen haben. Es war ein Moment, der das Leben von vielen berührt hat."

    Denn die Stimmung in den USA ist im Februar 1980 getrübt. Seit knapp drei Monaten werden 52 Landsleute von iranischen Studenten in der US-Botschaft in Teheran als Geiseln gehalten, die Spritpreise sind auf Rekordhoch.
    Mitten in diesen Wirren spielt sich eine Mannschaft namenloser Studenten in einen Rausch und somit in die Herzen ihrer Landsleute. Eruzione und seine Mitspieler sind vor Turnierbeginn an siebter Stelle gesetzt, erreichen dennoch die Hauptrunde der besten vier und treffen hier als krasser Außenseiter auf die hoch favorisierte Sowjetunion.

    "Wir hatten großen Respekt, aber für uns ging es nur um Sport. Allerdings gab es natürlich eine politische Rivalität, deshalb war es für viele Menschen mehr als ein Eishockey-Spiel."

    13 Tage zuvor verlieren die Amerikaner ein letztes Testspiel gegen die Sowjetunion noch mit 3:10. Doch in Lake Placid ist jeder überzeugt, eine Sensation zu schaffen – allen voran Trainer Herb Brooks.

    "Es hat immer wieder betont, die sind fällig, wenn einer die Sowjetunion besiegen kann, dann ihr. Und letztlich hatten wir nicht einen Zweifel daran, dieses Spiel nicht zu gewinnen."

    Nach dem ersten Drittel steht es 2:2. Der sowjetische Trainer Tichonow wechselt überraschend Wladeslaw Tretjak aus, den damals besten Torhüter der Welt und bringt Ersatzmann Mischkin. Für Tretjak eine Enttäuschung und der Anfang vom Ende.

    "Wir haben die USA unterschätzt. Wir hatten zuvor immer gegen sie gewonnen und sie waren ja nur mit einer Studenten-Mannschaft da. Ich denke, es war ein großer Fehler, dass ich ausgewechselt wurde. Der Trainer war jedoch überzeugt, dass wir mit Mischkin im Tor gewinnen würden. Diese Überzeugung hat uns den Sieg gekostet. Es war ein Fehler von Trainer Tichonow und das hat er später auch zugegeben."

    Eruzione erzielt zehn Minuten vor dem Ende den 4:3-Siegtreffer und sorgt für Riesenjubel auf der einen und absolute Fassungslosigkeit auf der anderen Seite.

    "Man konnte in den Gesichtern der Sowjets sehen, dass sie es einfach nicht glauben konnten. Wir hingegen fielen uns in die Arme, einige haben sogar geweint und auf den Straßen sind die Menschen regelrecht ausgeflippt. Es war unglaublich, zu sehen, wie so viele Leute so viel Spaß hatten."

    Zwei Tage später besiegen die USA Finnland, gewinnen Gold und werden von Jimmy Carter im Weißen Haus empfangen. Für Tretjak und sein Team reicht es hingegen nur zu Silber – sportlich und politisch ein Skandal.

    "Zu Hause haben wir die psychologischen Folgen zu spüren bekommen. Für die nächsten vier Jahre mussten wir uns von der sportlichen Leitung und Leuten auf der Straße, fragen lassen 'Warum habt ihr verloren, warum habt ihr uns so blamiert?'"