Das Monster von Hannover

Von Andrea Westhoff · 15.04.2005
"Warte, warte nur ein Weilchen ..." mit diesem Lied wurde Fritz Haarmann, dem "Werwolf von Hannover", ein makabres Denkmal gesetzt. Er hat von 1918 bis 1924 mindestens 24 junge Männer bestialisch ermordet und die Leichen zerstückelt. Der Prozess war eines der großen Medienereignisse der Weimarer Republik.
"Warte, warte nur ein Weilchen
Dann kommt auch das Glück zu Dir
"

Das Operettenliedchen von Walter Kollo stammt aus dem Jahr 1923. Ein Jahr später hatte der Volksmund einen ganz anderen Text auf diese Melodie gedichtet:

"Warte, warte nur ein Weilchen
dann kommt Haarmann auch zu Dir,
mit dem kleinen Hackebeilchen
macht er Hackefleisch aus Dir
"

Diesen Fritz Haarmann hatte die Polizei in Hannover eigentlich schon seit Jahren gekannt – als ihren Spitzel. Deswegen war er unbehelligt geblieben, obwohl er nicht nur wegen Körperverletzung vorbestraft war, sondern unter anderem auch wegen "Unzucht mit Knaben", und er sogar mit dem Verschwinden eines Jugendlichen in Zusammenhang gebracht worden war.

Über die Jahre aber wurden immer mehr junge Männer vermisst. Zunächst nahm man dies nicht allzu ernst – wegen der schlechten Wirtschaftslage gingen halt viele einfach weg und versuchten ihr Glück anderswo. Doch langsam wuchsen die Sorgen. Der Hannoversche Philosoph und Arzt Theodor Lessing:

"Im Volke herrschte das gruselige Gerede, in Fleischerläden der Vororte werde Menschenfleisch feilgehalten."

Bald darauf werden in der Leine tatsächlich menschliche Schädel und Knochen gefunden, in Säcken verschnürt. Bei der systematischen Nachforschung zählt man allein 22 rechte Oberschenkelknochen – kein Zweifel: in Hannover geht ein Massenmörder um.

"In Hannover an der Leine,
rote Gasse Nummer acht
"

In der Nacht des 22. Juni 1924 wird Fritz Haarmann verhaftet. Sieben Tage später gesteht er die Morde an jungen Männern, mindestens 24, die genaue Zahl weißt er selbst nicht. Er hat sie meistens am Bahnhof aufgelesen, wo sie vermutlich als Strichjungen gearbeitet hatten, nahm sie mit nach Hause, tötete sie im Sexrausch.

"Wohnt der Massenmörder Haarmann
der die Menschen umgebracht.
"


Fritz Haarmann, der "Werwolf" oder "Vampir" oder "Schlächter von Hannover" erschreckt und fasziniert die Menschen gleichermaßen. Sie streiten um die "Zutrittskarten" zum Prozess, nehmen Operngläser mit, um das Monster von Nahem sehen zu können. Die Öffentlichkeit wird zwar zeitweise ausgeschlossen, nicht aber die Presse. So erfahren alle doch die grausigen Details: Wie er den Jungen die Kehle durchgebissen und ihre Leichen zerstückelt hat

"Ich löste das Fleisch von den Knochen und tat es in meine Wachstuchtasche. Das übrige Fleisch kam unters Bett oder in den Verschlag."

Die offiziellen psychiatrischen Gutachter meinten, Haarmann sei "entschieden eine primitive, infantile Persönlichkeit", aber keinesfalls geisteskrank oder unzurechnungsfähig. Der fachkundige Beobachter Theodor Lessing sah dagegen einen psychisch schwer kranken Menschen:

"Er hat keinerlei Grauen vor dem, wovor jedem Kulturmenschen graut, vor Tod, Leiche, Moder. Aber als mitten im Tage die Lichter im Saale angezündet werden, sagt er ganz wie ein Kind leise zu sich selber: "Grad wie ein Tannenbaum!""

Gehirnuntersuchungen nach Haarmanns Tod haben gezeigt, dass er eindeutig hirnorganische Schäden aufwies, die von früheren Krankheiten herrührten.

Das Volk jedenfalls begegnet dem Schrecken mit makabrem Humor...

"Aus dem Darm da macht er Würste,
und den Rest, den schmeißt er weg
"

Ob Haarmann wirklich das Fleisch seiner Opfer verkauft oder es selbst gegessen hat, ist nie richtig geklärt worden. Fest steht: Er war erfolgreicher Schwarzmarkthändler, verkaufte Altkleider und Fleisch - und die Kleider jedenfalls waren die seiner Opfer.

Fritz Haarmann wird schließlich 24-mal zum Tode verurteilt und am 15. April 1925 mit dem Fallbeil hingerichtet. Er selbst hatte vor Gericht gesagt:

"Es ist kein Vergnügen, einen Menschen zu töten. Ich will geköpft werden. Das ist ein Augenblick, dann hab ich Ruh!"

Aber Haarmann hoffte auch, berühmt zu werden.

"Wenn ich so gestorben wäre, dann wäre ich beerdigt worden und keiner hätte mich gekannt, so aber – Amerika, China, Japan und die Türkei, alles kennt mich."

Tatsächlich kennt noch bis heute fast jeder seinen Namen und seine Geschichte – durch das Lied...