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Das Netz muss wachsen

Der Ausbau von Leitungsnetzen und Speichersystemen gilt als größte Herausforderung beim Übergang ins Zeitalter der regenerativen Stromversorgung. Gleichzeitig kämpfen Bürgerinitiativen gegen Hochspannungsleitungen vor ihrer Haustür.

Von Verena Kemna | 23.02.2011
    Noch immer sind Kohle-, Erdgas- und Kernkraftwerke die Hauptträger der Energieversorgung in Deutschland, so das Ergebnis einer Studie des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft. Auf 17 Prozent konnten die Erneuerbaren Energien im vergangenen Jahr steigern. Mit etwas über sechs Prozent nimmt Windkraft den größten Teil der Erneuerbaren Energien ein. Experten sind sich einig: Ohne ausreichende Speicherkapazitäten für Zeiten, in denen Wind und Sonne nicht zur Verfügung stehen, lässt sich der Ausbau der Erneuerbaren kaum voranbringen.

    Bereits heute sind an manchen Tagen über 20.000 Megawatt Windenergie im Netz, nachts dagegen steht oft eine Null hinter dem Zähler. Dazu kommt, dass gerade der Strom aus den Offshore-Anlagen in Nord- und Ostsee über viele hunderte von Kilometern in dicht besiedelte Regionen transportiert werden muss. Ewald Woste, Präsident des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft:

    "Also wenn man den Studien glauben darf, brauchen wir 3000 bis 4000 Kilometer Höchstspannung, die ausgebaut werden müssen, 80 haben wir geschafft. Also man kann sagen, wir haben noch einen großen Weg vor uns. Was uns aus Sicht des BDEW viel größere Sorgen macht, ist die Akzeptanz der Bevölkerung. Wir wollen alle Erneuerbare, aber wir wollen keine Leitung vor unserem Haus stehen haben, damit wir am Ende auch den Strom transportieren können."

    Es geht um den Neubau von Höchstspannungsleitungen sowie den ein Aus- und Umbau der Stromnetze. Schließlich soll in den nächsten zehn Jahren der Anteil von Strom aus Erneuerbaren Energien 35 Prozent des Bruttostromverbrauchs erreichen. 2050 soll der Anteil gar bei 80 Prozent liegen. Der Ausbau von Leitungsnetzen und Speichersystemen gilt als größte Herausforderung beim Übergang ins Zeitalter der regenerativen Stromversorgung. Gleichzeitig kämpfen Bürgerinitiativen etwa in Thüringen vor Ort gegen den Ausbau. Der Informationsbedarf sei riesig, erklärt Ewald Woste:

    "Wir haben eine Bringschuld. Wir müssen den Menschen erklären, warum man das alles tut. Menschen tun sich leichter, wenn sie verstehen, worum es geht. Dieses haben wir anscheinend noch nicht geleistet, den Bürgern und Bürgerinnen zu erklären, warum wir tun, was wir hier tun wollen."

    Der Vorstandsvorsitzende eines Unternehmens mit Beteiligungen an etwa 90 Stadtwerken in Deutschland spricht von Bürgermodellen. Für ihn eine mögliche Maßnahme um den Ausbau der Netze voranzubringen:

    "Wir wollen gemeinsam mit den Partnern vor Ort Windparks bauen, Solaranlagen, was auch immer. Wir wollen den Menschen anbieten, sich mit Kapital an diesen Projekten zu beteiligen. Nach dem Motto: Wenn jemand darunter leidet, soll er auch die Möglichkeit haben zu partizipieren. Ich weiß nicht, wie es ausgeht. Es ist ein Versuch, die Menschen einzubinden, und wir werden in einem Jahr sehen, ob so etwas funktionieren kann oder nicht."

    Am Erneuerbare Energien Gesetz, kurz EEG, zweifelt bei dieser Tagung niemand. Es habe sich, so heißt es, zum Exportschlager entwickelt. 40 Länder machen sich die Erfahrungen in Deutschland zunutze, meint Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Aber auch er betrachtet den Um- und Ausbau der Leitungsnetze als die Herausforderung für die kommenden Jahrzehnte, nicht nur in Deutschland, sondern europaweit:

    "Wir haben in Europa hauptsächlich nationale Netze. Es gibt Grenzkuppelstellen, über die auch international Strom transportiert wird, aber in einem Energieerzeugungssystem, das zunehmend auf Erneuerbaren Energien basiert, ist es sehr sinnvoll, Europa verstärkt zu vernetzen."

    Rainer Baake hofft langfristig auf Kooperationen etwa mit Norwegen. Die Wasserkraftwerke dort zeigen, wie sich Wind- und Sonnenenergie speichern lassen. Niemand kann die Höhe der notwendigen Investitionen genau beziffern. Rainer Baake rechnet mit einem plus von wenigen Cent pro Kilowattstunde. Letztendlich entscheidet der politische Wille.

    ""Es wird wahrscheinlich am Ende darauf hinauslaufen, dass auf der einen Seite gesagt wird, dies ist die Netzstruktur, die wollen wir in Zukunft haben und gleichzeitig vermutlich finanzielle Anreize gesetzt werden, damit investiert wird. Mit anderen Worten, der Netzausbau wird subventioniert werden."