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Das neue Album der Musikerin EMA
Musik für eine gespaltene Gesellschaft

Armut, Drogenmissbrauch, Gewalt - die Künstlerin Erika M. Anderson alias EMA thematisiert auf ihrem neuen Album "Exile In The Outer Ring" die Probleme des ländlichen Amerikas. Und versucht, eine gesellschaftliche Kluft zu überwinden.

Von Anke Behlert | 26.08.2017
    Musikerin EMA auf einem Bett, ihr T-Shirt verkündet ein großes "NO" (Bild: City Slang / EMA)
    Musikerin EMA: Mit Wut in der Stimme gegen die Spaltung der Gesellschaft (City Slang / EMA)
    Ein ärmlicher Vorort irgendwo in den USA: Wohnwagen mit eingeschlagenen Fensterscheiben, zugemüllte Vorgärten - das Video zum Song mit dem provokanten Titel "Aryan Nation" ist nicht gerade einladend. Das Stück hat Erika Anderson alias EMA als erste Single ihres neuen Albums "Exile In The Outer Ring" veröffentlicht. Ein gewagter Schritt, der den Finger direkt in die Wunde legt. Denn in diesem Song und auch auf dem Rest des Albums thematisiert sie Armut, Perspektivlosigkeit, Drogenmissbrauch, Gewalt.
    "Ich wollte deutlich machen, dass ich es ernst meine. Ich habe den Song schon vor drei Jahren geschrieben und die Leute, denen ich ihn vorgespielt habe, waren irritiert: Was willst du damit sagen? Ich fand das wichtig und habe geantwortet: Es ist etwas im Gange, man darf das nicht ignorieren! In linksliberalen Kreisen hat man sich schwergetan, über diese Themen zu sprechen: das arme, ländliche Amerika. Dadurch ist ein Vakuum entstanden, das dann andere besetzt haben."
    "Stadtzentren werden immer homogener"
    1982 geboren, wächst Anderson in Sioux Falls auf, der größten Stadt in South Dakota mit etwa 180 000 Einwohnern. Mit 18 zieht Anderson nach Los Angeles und beginnt dort Musik zu machen. Seit einigen Jahren lebt sie in Portland. Dort sind auch die meisten ihrer neuen Songs entstanden. Aber nicht im hippen trendy Portland, sondern in einem eher gesichtslosen Vorort, dem "Outer Ring". Dort hatte sie sich bei Freunden eingemietet und einige Monate sehr zurückgezogen im Keller gelebt.
    "Die Vororte - oder Outer Ring - sind nicht unbedingt ländlich geprägt. Dort stoßen Stadt und Land aufeinander. Wenn sich mehr und mehr Leute das Leben in den Innenstädten nicht mehr leisten können, ziehen sie in die Vororte. Das hat zur Folge, dass die Stadtzentren immer homogener werden und die Vororte immer bunter. Sie sind nicht glamourös oder hip, aber dort leben viele Menschen. Und in der Musik findet das noch nicht wirklich statt."
    Das Kellerexil, die generische Umgebung und die schwierigen Themen finden auf "Exile In The Outer Ring" in dröhnenden Synthesizern, lauten verzerrten Gitarren und statischem Brummen ihre musikalische Entsprechung. Der reduzierte Folk, die Spoken-Word-Elemente und epischen Noise-Stücke erinnern an ihre alte Band Gowns.
    "Ich möchte helfen, die Kluft zu überwinden"
    Anderson erfindet ihren Sound auf "Exile In The Outer Ring" nicht neu, sie präsentiert eher eine Best-Of-Auswahl ihres eigenen Werks. Damit setzt sie sich von anderen Bands wie zum Beispiel Algiers ab, deren Musik auch zwischen Empathie und Aggression lärmt. Andersons düster-atmosphärische Songs verstören und berühren gleichzeitig. Ihre verfremdete Stimme klingt wütend und zerbrechlich - auch wenn man nicht in South Dakota aufgewachsen ist, kann man den Zorn und die Verbitterung nachvollziehen.
    "Manche Leute finden meine Musik deprimierend, für mich ist sie das nicht. Sie beschreibt einen austauschbaren Ort, aber auch dort gibt es Tiefe, Spiritualität und einzigartige Menschen. Das möchte ich zeigen. Es ist doch eher deprimierend, wenn man ständig Dinge vorgesetzt bekommt, mit denen man nichts anfangen kann. Das ist ein Grund dafür, warum die Leute auf dem Land so wütend sind. Sie sehen die sogenannte Hollywood-Elite und deren luxuriöses Leben, das unendlich weit von ihrem Alltag entfernt ist. Ich möchte helfen, diese Kluft wenigstens ein bisschen zu überwinden."
    Und das wird nicht einfach. Denn die amerikanische Gesellschaft ist tief gespalten: Landbevölkerung gegen Städter, Liberale gegen Konservative, Küstenbewohner gegen die aus dem Landesinneren. Aber Musik kann Menschen zusammenbringen, trotz aller Gegensätze. Und nicht miteinander reden, ist ja auch keine Lösung.
    EMA stellt ihr neues Album bei einigen Konzerten im September auch in Deutschland vor: Am 20.9. tritt sie in Hamburg beim Reeperbahn Festival auf, am 23.9. in Köln, am 26.9. in Berlin und am 27.9. in München.