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"Das Offizierkorps wird ihm vertrauen"

Der Chefredakteur des "Berliner Tagesspiegel", Stefan-Andreas Casdorff, hält eine schnelle Reform der Bundeswehr für notwendig. Mit Thomas de Maizière hält er das für möglich. Den designierten Innenminister Hans-Peter Friedrich nennt er einen "klugen politischen Vertreter" der CSU.

Stefan-Andreas Casdorff im Gespräch mit Peter Kapern | 03.03.2011
    Silvia Engels: Über den kommenden Verteidigungsminister Thomas de Maizière sprach gestern Peter Kapern mit dem Chefredakteur des "Berliner Tagesspiegel" Stefan-Andreas Casdorff. Er wollte wissen, ob der als ruhig und bedächtig gelten de Maizière der Richtige sei, um die Bundeswehrreform anzupacken:

    Stephan-Andreas Casdorff: Das kann nicht schaden, wenn man ein gutes Verhältnis zur Kanzlerin hat, denn die Bundeswehr ist ja nicht irgendwas, sie ist ein Grundpfeiler unserer Verfassung. Wenn es da danebengeht, dann geht vieles in der Gesellschaft kaputt. Da braucht es jemanden, der reformen kann, der weiß, wovon er redet, der auch vernetzen kann - er war im Land Minister und er ist im Bund Minister gewesen, und das bedeutet, dass, wenn die Standortfrage zu lösen sein wird, er weiß, wie die Länder ticken und welche Kniffe man anwenden muss, um sie davon zu überzeugen, dass das, was man jetzt zu entscheiden hat, ganz wichtig ist. Er ist auch einer, der, denke ich mal, reformen kann. Er war als Innenminister, als Minister für die innere Sicherheit nicht ganz so stark, fand ich, er kann als Außenm-gewissermaßen ... -minister für die Sicherheit kann er durchaus reüssieren, denn das Offizierkorps wird ihm vertrauen und er hat genügend Erfahrung in allen Bereichen - bis auf die Außenpolitik sage ich jetzt mal dazu, in der sicherheitspolitischen Frage, außenpolitisch -, er hat aber genügend Erfahrung, um die Reform durchzubringen, die Reform, die im Grundsatz ein Neuaufbau der Bundeswehr ist. Da hat Herr Guttenberg mal nicht übertrieben: Es ist gewissermaßen die wichtigste, die größte Reform der Bundeswehr seit ihrem Bestehen.

    Peter Kapern: Aber es ist ja auch ein Reformprojekt, das durchaus auf Kritik stößt und ein Reformprojekt, das ja auch Schwächen offenbart. Beispielsweise gibt es Berichte darüber, dass die Zahl der Freiwilligen, die sich vom Sommer an für die Bundeswehr zum Dienst melden, deutlich unter dem liegt, was die Bundeswehr eigentlich braucht. Kann de Maizière eine so schwierige Reform, die möglicherweise auch in ihrer Konzeption Fehler hat, überhaupt zu einem Gewinnerthema machen?

    Casdorff: Ja, das erfordert einen Minister von großem Format, will ich mal sagen. Das ist eine Prüfung, die ihm jetzt bevorsteht, die man ja so nicht erwarten konnte, die er sicherlich auch so nicht erwartet hat. Die Bundeswehrreform ist, im Gegensatz zu dem, was behauptet wird, ein Torso, noch nicht mal die strategische Einleitung zu dem, was zukünftig die Aufträge, der Auftrag der Bundeswehr sein soll, ist geschrieben. Tatsache ist, dass die Zahl der freiwillig Wehrdienstleistenden erschreckend gering ist, aber das hängt damit zusammen, dass die Kreiswehrersatzämter allen denen, die sich da melden wollen oder vielleicht melden könnten, nicht wirklich sagen können, wie es weitergeht. Da muss jetzt ganz schnell gehandelt werden. Noch in diesem März muss die Reform stehen. Und dann, denke ich, hat die Bundeswehr eine gute Chance, aber es darf nicht sein, dass die Bundeswehr so, wie wir sie jetzt kennen, nicht mehr existent ist, dass die neue noch nicht existiert, das ist eine existenzielle Sorge, dann ist sie nicht mehr nur nicht bedingt abwehrbereit, sondern sie ist auch nicht einsatzfähig, und das kann ja nicht das sein, was man mit einer großen Bundeswehrreform verbindet.

    Kapern: Thomas de Maizière kann Verteidigungsminister, sagen Sie. Kann denn Hans-Peter Friedrich auch Innenminister?

    Casdorff: Ja, das ist ein klassisches Ressort der CSU, wenn man sich recht entsinnt, also Friedrich Zimmermann war zum Beispiel einer der Innenminister. Die CSU ist eine Partei der inneren Sicherheit, sie ist ja da durchaus auch stramm, und in der Bundesregierung gab es vor Thomas de Maizière, der wie gesagt sehr zivil war, gab es ja auch strammere Töne in Gestalt von Wolfgang Schäuble. Hans-Peter Friedrich ist ein sehr jovialer, aber auch sehr gescheiter Mensch, Jurist von Hause, der weiß schon auch, was die Verfassung erfordert und was innere Sicherheit bedeutet. Es kann sein, dass auch er diesem Amt eine durchaus zivile, aber angemessen aufmerksame Note verleiht und dass es für die CSU gut ausgeht.

    Kapern: Einen alarmistischen Kurs, einen Hardliner-Kurs erwarten Sie nicht von ihm?

    Casdorff: Nein, das ist nicht seine Art, das hat man jetzt gemerkt. Er ist ein strammer Parteisoldat, heißt aber nicht, dass er immer ins Horn stößt, um die Attacke einzuleiten. Das ist eher seine Sache nicht. Ich halte ihn für einen sehr abwägenden und auch durchaus klugen politischen, sagen wir, Vertreter der Christlich-Sozialen Union. Das sage ich nicht ohne Grund: christlich-sozial ist auch eine Prägung, die man nicht vergessen darf, und der Bundesminister des Innern ist auch ein Vertreter unserer Verfassung in dieser Hinsicht.

    Kapern: Werfen wir, Herr Casdorff, zum Schluss noch kurz einen Blick nach Bayern. Da sitzt, so der Eindruck, jetzt nach dem Guttenberg-Rücktritt einer wieder ganz fest im Sattel: Horst Seehofer, Ministerpräsident und CSU-Chef. Trügt der Eindruck, oder ist er tatsächlich der Gewinner der Stunde?

    Casdorff: Ja, kurzfristig würde ich mal sagen schon, aber es wäre billig, ihn nur damit in Verbindung zu bringen, denn, nicht vergessen: Wer hat Guttenberg so groß gemacht, wie er dann zum Schluss erschien? Das war immer Horst Seehofer. Er hat ihn zum Generalsekretär der Partei gemacht, zum General der Partei, er hat ihn zum Bundeswirtschaftsminister gemacht, er hat ihn zum Verteidigungsminister gemacht, und das war alles nicht zum Schaden der CSU. Ich denke, dass er tatsächlich getroffen ist davon, weil es ja eines der hoffnungsvollen jungen, jüngeren Talente der CSU ist, war, vielleicht aber auch wieder ist, Karl-Theodor zu Guttenberg, und dass er versuchen wird, ihn zu halten. Denn Horst Seehofer - das darf man auch nicht vergessen, man muss ja gerecht bleiben - hat die Partei verjüngt in ihrer Führung wie kaum einer, ich kann mich gar nicht entsinnen, vorher. Er hat sie auch mit der Frauenquote ausgestattet. Das hätte man sich zu Franz Josef Straußs Zeiten mal vorstellen sollen oder auch zu Theo Waigels und anderer Führungszeit. Also Stoiber hätte glaube ich keine Frauenquote auch nur anzufassen gewagt. Das hat Seehofer durchgesetzt, mit Blessuren, aber wer nicht mutig ist, der nicht gewinnt.