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Das Palmöl-Dilemma (2/5)
Musim Mas - am Anfang war die Seifenfabrik

Mittlerweile zählt Musim Mas zu den Großen im Palmöl-Geschäft und die Nachfahren des Firmengründers zu den reichsten Personen in Indonesien. Die Nachhaltigkeit ist ein Thema für den Konzern, doch NGOs vermissen die Transparenz - vor allem bei der Wahl der Zulieferer.

Von Matthias Peer | 18.05.2018
    Zwei Arbeiter ernten die Früchte der Ölpalme auf einer Plantage in Malaysia.
    Zwei Arbeiter ernten die Früchte der Ölpalme auf einer Plantage (picture alliance / dpa / epa Barbara Walton)
    Die Werbung im indonesischen Fernsehen zeigt eine heile Welt. Junge Menschen wandern durch einen tropischen Regenwald. An den Bäumen hängen grellleuchtende Orangen.
    "Harmonie", verspricht die Sprecherin. Es ist der Markenname für eine Seife mit Fruchtaroma, die in Indonesien fast jeder kennt.
    Weniger bekannt ist die globale Bedeutung, die sich der Hersteller erarbeitet hat: Der Konzern Musim Mas ist in den vergangenen Jahrzehnten zu einem der wichtigsten Unternehmen in der globalen Palmöl-Industrie aufgestiegen. Doch wie die Rohstoffe entstehen, die Musim Mas vermarktet, ist oft alles andere als harmonisch.
    "On behalf of my land! I am talking on behalf of my right! Because of my future and what I am going to do with my future."
    Brauner Lehm, wo vorher Regenwald war
    Louis Koula ist empört und verzweifelt, als ihn die Rechercheure der Umweltschutzorganisation "Mighty Earth" vor zwei Jahren im Dschungel der indonesischen Provinz Papua treffen. Er steht am Rand einer abgeholzten Fläche und macht sich Sorgen um seine Zukunft. Früher war der Tropenwald mit seinen natürlichen Ressourcen die Lebensgrundlage für Koulas Stamm. Nun gibt es an dieser Stelle nur noch braunen Lehmboden.
    Vernichtet wurde der Regenwald laut den Umweltschützern von dem koreanisch-indonesischen Plantagenbetreiber Korindo, zu dem Zeitpunkt Palmöl-Zulieferer von Musim Mas.
    "Korindo war in der Lage, 30.000 Hektar Wald zu entfernen, ein klarer Verstoß gegen die Vorgaben von Musim Mas", sagt Deborah Lapidus, Palmölexpertin bei Mighty Earth. Sie sieht in dem Fall das perfekte Beispiel für die unzureichende Kontrolle der Lieferanten. Würde Musim Mas seine Lieferketten besser überwachen, hätte man verhindern können, das so viel Regenwald zerstört wird, ist Lapidus überzeugt.
    Unilever, Nestlé – die Kundschaft macht Druck
    Erst nachdem die Umweltschützer Musim Mas auf die Verfehlungen aufmerksam machten, stoppte der Konzern den Palmölkauf von Korindo. Musim Mas verspricht seinen Kunden, zu denen die Konsumgüterkonzerne Unilever und Nestlé gehören, nämlich saubere Geschäfte: Umweltfreundlich und sozial verantwortlich will das Unternehmen sein. Dazu gehört das Bekenntnis, dass für die Palmölplantagen kein Regenwald zerstört werden soll. Einen Interviewpartner dazu konnte der Konzern auf Anfrage nicht zeitnah bereit stellen. Auf Nachhaltigkeits- Konferenzen präsentiert die zuständige Musim-Mas-Managerin Petra Meekers ihr Unternehmen als Vorreiter. Wie zum Beispiel 2016 in Singapur:
    "Wenn wir uns ansehen, wann die Nachhaltigkeitsdebatte angefangen hat, dann war Musim Mas von Anfang an an Bord. Wir waren die erste indonesische Firma, die der Nachhaltigkeitsinitiative "Roundtable of Sustainable Palm Oil" beigetreten ist."
    Auf die Palmölbranche hat Musim Mas großen Einfluss. Seinen globalen Marktanteil beziffert der Konzern mit Hauptsitz in Singapur mit 12 Prozent. Das Unternehmen hat 37.000 Angestellte in 13 Ländern. Umsatzzahlen veröffentlicht das Unternehmen nicht. Gemessen am Weltmarktpreis dürfte es aber auf Erlöse von mehreren Milliarden Dollar kommen.
    Scheu und reich – der Nachfahre des Firmengründers
    Wirtschaftlich gesehen hat es das Unternehmen weit gebracht. Es startete 1932 als kleine Seifenfabrik im Norden Sumatras. In den 70er Jahren stieg es schließlich ein in das Geschäft mit dem Palmöl. Inzwischen leitet ein Nachfahre des Firmengründers den Familienkonzern: Bachtiar Karim, der laut dem Magazin Forbes zu den reichsten Männern Indonesiens zählt. Er gilt als öffentlichkeitsscheu – und mangelnde Transparenz ist auch das, was Aktivisten wie Debroah Lapidus von der NGO Mighty Earth an seinem Unternehmen kritisieren.
    "Ich finde es gut, dass Musim Mas die Namen der Palmölmühlen veröffentlicht, von denen es Palmöl bezieht. Was wir uns aber wünschen, ist, dass Firmen wie Musim Mas ihren Zulieferern vorschreiben, auch die Karten ihrer Konzessionsgebiete offenzulegen."
    Denn nur so lässt sich laut den Aktivisten kontrollieren, ob das Palmöl von Musim Mas tatsächlich frei von Umweltsünden ist. 90 Prozent des Rohstoffs bekommt das Unternehmen von externen Lieferanten. Dazu gehören mehr als 600 Palmölmühlen, die ihre Ölfrüchte von lokalen Plantagen erhalten. Vollständige Transparenz herzustellen, ist nach den Worten von Musim-Mas-Managerin Meekers aber schwierig.
    "Wir haben alle Mühlen gezeigt, von denen wir einkaufen. Jetzt geht es aber weiter. Und da sehen wir, dass da die Komplikationen anfangen. Wir müssen herausfinden, was wir auf lange Sicht tun sollen, um Nachhaltigkeit in dieser Industrie zu verbreiten."
    Für seine Versuche bekommt Musim Mas durchaus auch Lob. Die Selbstverpflichtung zu nachhaltigen Lieferketten sehen auch Kritiker der Palmölindustrie als wichtigen Schritt. Doch in Indonesien stoßen die Versprechen des Palmölriesen Musim Mas auf Skepsis. Bagus Kusuma beobachtet in dem Land seit Jahren die Aktivitäten der Palmölbranche für die Umweltschutzorganisation Greenpeace:
    "Musim Mas hat über seine Zulieferer die eigenen Vorgaben gebrochen. Wir haben in den vergangenen Jahren über unsere Bulletins und Fallstudien über Entwaldung und Menschenrechtsverstöße gesehen, dass sie mit diesen Firmen immer noch verbunden sind. Es scheint, als würden die Händler bei diesen Problemen einfach wegsehen."
    Um wirklich nachhaltig zu werden, muss sich nach Meinung des Greenpeace-Experten Kusuma noch einiges ändern.