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Das Phänomen Selbermachen

Es wird nicht mehr nur im eigenen Hobbykeller gewerkelt, sondern auch in der Öffentlichkeit. Hipp sind im Moment urbanes Gärtnern, Stricken und Upcyceln von Alltagsmüll zu Designartikeln. Eine Schau in der Arbeitswelt-Ausstellung DASA zeigt zahlreiche Optionen des Selbermachens.

Von Peter Backof | 01.10.2012
    Die Frage ist doch:
    "Welche Aussage trifft am ehesten auf Dich zu?"

    A: "Es gibt immer was zu tun!"

    Stimmt!? Aber nur bedingt. B:

    "Ach, ich weiß nicht so recht, was ich hier soll!"

    … meint das nicht so, aber sagt: Monika Röttgen von der Dortmunder DASA an einer interaktiven Flatscreen in der Ausstellung "Do It Yourself – die Mitmach-Revolution" - Option C:

    "Ich mag Technik. Ich bin kreativ und wenn ich eine Idee habe, dann will ich die auch machen!"

    Sich selbst per Psychotest kennenlernen im D.I.Y.-Verfahren: 14 Optionen zur Wahl, ein Einstieg in die riesige Schau mit rund 1000 Exponaten. Vorgestellt werden, mit enzyklopädischem Eifer, sämtliche Do-It-Yourself-Typen und -Praktiken. DASA-Kurator Philipp Horst:

    "Es geht um Upgraden, es geht um Recyclen, es geht um Selbermachen."

    Und es liegen scheinbar Welten zwischen dem Modelleisenbahner, der sich entgrenzte Landschaften in die Wohnung tüftelt, und dem "Dilettanten" Franz von Erbach aus dem Odenwald, der – das älteste Schaustück – 1783 eine Dose aus Elfenbein kunstvoll zu beschnitzen wusste. Dilettieren übrigens im eigentlichen Wortsinn: "Sich und andere erfreuen."

    "Die Lust am Selbermachen, wo es tatsächlich um Handwerkertätigkeit geht. Die Ausstellung hat diese Ebene, aber noch mindestens eine mehr: Und zwar ist das auf einer diskursiven Ebene auch politisch und gesellschaftlich interessant. Es geht um Konsumkritik, manchmal sogar um Konsumverweigerung."

    Ausgestellt daher: Das knallrote Strike Bike, ein – schon der Farbe wegen - kapitalismuskritisches Velo einer kleinen anarcho-syndikalistischen GmbH aus Nordhausen in Thüringen - bis 2010 hergestellt; Projekt aber gescheitert, an zu geringer Nachfrage. Außerdem: Punkeraccessoires, jede Lederjacke eine radikale Einzelanfertigung. Oder auch, wieder am Videoterminal, diese junge Dame:

    "Ich bin Guerillagärtnerin. Ich pflanze Pflanzen, Blumen manchmal auch Gemüse in die Stadt, an unschöne Stellen. Mich begeistert daran, Einfluss auf die Stadt zu nehmen. Selbst etwas zu tun."

    Auf die derzeit hippen Phänomene wie Urbanes Gärtnern, Stricken, Upcyclen von Alltagsmüll zu Designartikeln legt die Ausstellung besonderes Augenmerk. Die spiegeln ein neu gewachsenes Selbstbewusstsein als Bürger. Aber die Schau blickt auch zurück: "Selbst ist der Mann" mit Beilage "Selbst ist die Frau", so hieß tatsächlich schon eine deutsche Do-It-Yourself-Zeitschrift um 1960. Aber die war noch mitten drin, in der Konsum- und Warenwelt. Da hat sich – für manche – etwas geändert. Man misstraut eher den aktuell 70.000 Einzelposten im Sortiment jedes der 4000 deutschen Baumärkte - ist aber jetzt auch nicht "so ganz radikal" dagegen und lässt sich dann doch durch markige Baumarktslogans - wie "Schweiß fließt, wenn Muskeln weinen" -animieren.

    Symptomatisch: Das Internet ist zugleich Vertriebsweg und Galerie für Originelles. Die Ausstellung imponiert, weil sie Phänomene nicht nur bunt aneinanderreiht, sondern eine Kulturtheorie entwickelt und die Frage stellt: Was macht dieses Selbermachen mit uns? Darüber kann man dann auch im D.I.Y.-Blog zur Schau mitdiskutieren.

    "Unter anderem haben wir auch diesen 3D-Drucker hier stehen. Sie können mit dem 3D-Drucker selber kleine Objekte ausdrucken, auf Plastik. Ich habe jetzt hier so ´ne kleine Amphore in der Hand, oder hier: die Silhouette einer Frau. Das kann man damit ausdrucken."

    Der 3D-Drucker und der dazugehörige Trendname: Fabbing – wie sollte man "Fabbing" übersetzen; "Fabrikeln" vielleicht? – die Schlüsselstation der ganzen Schau und Ausblick auf eine mögliche Zukunft. Mit dem 3-D-Drucker wird es bald möglich sein, sich Ersatzteile für einen Staubsauger oder eine Kamera selbst auszudrucken. Sogar menschliche Organe will man damit in 50 Jahren herstellen können. Die These der Ausstellung: Damit wäre die Do-It-Yourself-Revolution verwirklicht: Es gäbe keine Massenproduktion mehr. Jeder und jede produzierte nur noch das, was man gerade benötigt, selbst.