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"Das Problem ist, dass sich halt alle bedroht fühlen"

Der Besuch von US-Präsident Barack Obama in Israel diene dazu, die Krise zwischen den beiden Ländern zu überwinden, sagt der Politikwissenschaftler Jochen Hippler. Denn Obama wolle eine andere Politik gegenüber dem Iran als Israel – nämlich eine, die nicht ausschließlich Druck ausübe, sondern auch Verhandlungsangebote mache.

Jochen Hippler im Gespräch mit Bettina Klein | 21.03.2013
    Tobias Armbrüster: Keine neuen Friedenspläne, keine neue Initiative für Verhandlungen im Gepäck – so ist US-Präsident Obama gestern zu seinem ersten Amtsbesuch in Israel angekommen. Kritiker sagen, er komme lediglich als Tourist. Bei der Pressekonferenz gestern Abend dann versicherte Israels Ministerpräsident Netanjahu, er fühle sich im Nahost-Konflikt weiter dem Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung verpflichtet, und zwar ohne Vorbedingung. Meine Kollegin Bettina Klein hat darüber gestern Abend mit dem Politikwissenschaftler Jochen Hippler gesprochen. Sie wollte von ihm wissen, ob der US-Präsident als Nahost-Vermittler dann doch nicht ganz überflüssig ist?

    Jochen Hippler: Ja eigentlich wäre er besonders dringend als Vermittler gefragt. Aber nachdem er zum Beginn seiner ersten Amtszeit einen sehr couragierten Anlauf in der Richtung gemacht hat, hat er inzwischen aufgegeben. Es sieht zumindest so aus.

    Und deshalb sind die Äußerungen von Netanjahu der erste Teil. Dass er sich eben mit der Zwei-Staaten-Lösung einverstanden erklärt, das hat er immer gesagt. Er hat es halt nur hintertrieben sozusagen, weil ohne Vorbedingung heißt aus Netanjahus Perspektive eben insbesondere, dass man die Siedlungstätigkeit nicht einstellen will und braucht. Das ist halt für die palästinensische Seite unakzeptabel, das ist auch völkerrechtswidrig.

    Der zweite Teil, dass man Obama dafür brauchen würde, ist halt die diplomatische Höflichkeit, weil ein wichtiger Teil des Besuchs ja darin besteht, die Krise zwischen den beiden zu überwinden und jetzt mal nett zueinander zu sein, um die Atmosphäre zu verbessern.

    Bettina Klein: Diplomatische Höflichkeit. Aber daraus höre ich schon: ganz unwichtig ist es dann nicht, wie das Verhältnis zu den USA sich gestaltet, und vielleicht auch nicht, wie dann Obama möglicherweise doch in seiner zweiten Amtszeit sich ein wenig mehr engagiert, vielleicht auch nur durch seinen neuen Außenminister?

    Hippler: Richtig. Nur im Moment hat es sich sehr verschoben. Das heißt, die Bedeutung der US-israelischen Beziehungen in der Außenpolitik liegen jetzt eben tatsächlich stärker bezogen auf Iran, bezogen auf Syrien, während es so aussieht, dass eben die US-Regierung seit dem Rücktritt des damaligen Nahost-Beauftragten Obamas, Herrn Mitchell, 2011 ... - seitdem ist nichts mehr passiert. Und wenn man schon vor der Reise ankündigt, dass es keine Initiative zur Friedenslösung gibt, dann würde ich auch nicht zu viel davon erwarten. Man könnte vielleicht noch mal sehen: am Samstag fliegt ja Herr Kerry, der neue Außenminister, noch mal und trifft Netanjahu, und da scheint es möglich zu sein, dass dann doch noch ein bisschen intensiver über die palästinensische Frage gesprochen wird.

    Klein: Schauen wir auf einen weiteren Punkt, der bei der Pressekonferenz von Obama und Netanjahu eine wichtige Rolle gespielt hat. Netanjahu hat diesen Punkt sogar als allererstes angesprochen. Nämlich: Stichwort Iran. Netanjahu hat betont, dass Israel ein Recht auf Selbstverteidigung habe. Obama hat das auch bestätigt. Er sagte aber, es sei noch Zeit für eine diplomatische Lösung im Atomkonflikt mit dem Iran. Wenn es aber keine diplomatische Lösung gibt, also wenn der Iran selbst da auch nicht mitmacht, dann gelte eben wie gehabt, all options are on the table. Also heißt: Keine Möglichkeit wird ausgeschlossen, auch keine militärische. Wo sehen Sie die Verhandlungen, die Diplomatie im Augenblick bei dieser Frage?

    Hippler: Wir haben jetzt zehn Jahre Sanktionen gegen den Iran gehabt und das Ergebnis in der Atomfrage ist eben ziemlich dicht bei null. Mir scheint es so zu sein, dass man halt neben dem Druck gegenüber dem Iran, der auch richtig und berechtigt gewesen ist, dass man parallel aber auch neben der Peitsche ein Zuckerbrot anbieten muss. Das heißt, wenn man immer nur versucht, den Druck zu erhöhen und zu glauben, dass der Iran einknicken würde, dann haben die letzten zehn Jahre belegt, dass das zu überhaupt nichts führt. Man muss eben dem Iran etwas anbieten als Verhandlungsmasse, zum Beispiel eine schrittweise Aufhebung der Sanktionen, und man muss zur Kenntnis nehmen, dass eben auch die iranische Atompolitik damit was zu tun hat, dass der Iran sich von außen bedroht fühlt. Er ist halt umzingelt auch von amerikanischen Truppen sozusagen, die waren bis vor kurzem im Irak, die sind …

    Klein: Aber eigentlich bedroht fühlt sich ja Israel im Augenblick, und das ist sozusagen ja auch ein Grund, weshalb dieser ganze Konflikt so heiß läuft im Augenblick?

    Hippler: Na ja, das Problem ist, dass sich halt alle bedroht fühlen, und zwar natürlich zurecht. Wenn wir auf die Bedrohungsängste Israels Rücksicht nehmen müssen – und das ist ganz unverzichtbar notwendig -, dann werden wir diese Probleme aber nur lösen, wenn die anderen Länder dieser Region sich ebenfalls nicht bedroht fühlen müssen, und das haben wir, glaube ich, tatsächlich nicht im gleichen Maße betrieben.

    Das heißt, wenn wir die iranische Atomfrage lösen wollen, dann geht nur eine Kombination von Zuckerbrot und Peitsche und nicht nur eines von beiden. Man kann dem Iran jetzt nicht einfach nur entgegenkommen und alle seine Wünsche erfüllen und glauben, das würde was beitragen. Man kann aber auch, wie wir jetzt wissen, nicht einfach nur glauben, dass man durch Einschüchterung und durch Sanktionen was bewirken kann.

    Da kommt es auf die Mischung an. Und Herr Obama hat das, glaube ich, verstanden, während aus der israelischen Perspektive – und ich meine jetzt die gegenwärtige Regierung – eben eher eine Politik betrieben wird, sich auf eine eher konfrontative Sache zu beschränken, und da ist Obama einer ganz anderen Meinung und ich glaube, dass er Recht hat in seiner Politik.

    Klein: Sehr aktueller Krisenherd im Augenblick Syrien. Auch darum ging es bei der Pressekonferenz der beiden Politiker. Und da will man, sagte Obama, genau untersuchen, ob und von wem chemische Waffen tatsächlich eingesetzt worden sind, denn das hat er ja schon im vergangenen Jahr als eine Art rote Linie ausgegeben, die möglicherweise ein militärisches Eingreifen rechtfertigen könne von Seiten der USA. Man will es also genau untersuchen. Er hat bezweifelt, dass die Rebellen chemische Waffen einsetzen würden, und er hat auch gesagt, das ist nicht ein Problem der Vereinigten Staaten, auch nicht eines anderen einzelnen Staates, sondern die ganze Staatengemeinschaft muss handeln. Welche Handlungsoptionen sehen Sie da im Augenblick?

    Hippler: Also die sind begrenzt. Da hat sich Obama tatsächlich in der Vergangenheit selber jetzt in eine schwierige Situation gebracht. Wir wissen immer noch nicht, ob es Chemiewaffeneinsatz gegeben hat oder nicht in der Nähe von Aleppo. Das ist immer noch nicht ganz geklärt. Aber wenn es das gegeben haben sollte, oder wenn es das irgendwann geben würde in der Zukunft, dann hat natürlich Obama Schwierigkeiten, einen Rückzieher zu machen und eben nicht Militär gegen Syrien einzusetzen.

    Auch das möchte er eher vermeiden, weil er eben die Erfahrungen aus Afghanistan, die Erfahrungen aus dem Irak, die Erfahrungen jetzt auch in Libyen – die sind bei uns nicht so angekommen – vor Augen hat, dass nämlich der Sturz eines unangenehmen diktatorischen Regimes wie Taliban oder Saddam Hussein oder Gaddafi relativ leicht möglich ist, wenn man die absolute militärische Überlegenheit hat, aber was danach passiert, manchmal noch schlimmer sein kann als der Krieg selbst und als die Diktatur selbst.

    Da hat Obama große Sorgen, dass es durchaus möglich sein kann, innerhalb von, weiß ich nicht, zwei, drei Monaten die Assad-Diktatur zu stürzen. Aber wenn dann Syrien zerfällt, wenn dann dschihadistische, terroristische Gruppen dadurch gestärkt werden würden – das Problem haben wir jetzt in Libyen, das hatten wir eine Zeit lang in Irak, im Moment wieder -, dann ist natürlich die Frage, was so eine Intervention bewirken soll, neu zu stellen. Der Irak-Krieg damals hat eben letztlich nur den Iran gestärkt im Irak und nicht die Vereinigten Staaten, und in so eine Situation möchte Obama nicht kommen. Darum ist er sehr, sehr zurückhaltend. Wenn er aber rote Linien zieht, Chemiewaffeneinsätze, dann wieder einen Rückzieher zu machen, ist natürlich innenpolitisch und außenpolitisch nicht ganz einfach.

    Armbrüster: Soweit Jochen Hippler, Politikwissenschaftler und Friedensforscher an der Universität Duisburg, gestern Abend im Gespräch mit meiner Kollegin Bettina Klein.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.