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"Das sind Investitionen in die Menschen"

Rheinland-Pfalz nimmt von den reichen Ländern - und ermöglicht mit den Geldern kostenfreie Kitas im eigenen Bundesland. Die Geberländer sind nicht erfreut. Frank Puchtler argumentiert: Die Investition werde "Rendite" auch für Gesamtdeutschland abwerfen.

25.01.2011
    Eine Babyhand
    Eine Babyhand (Jan-Martin Altgeld)
    Dirk-Oliver Heckmann: Bayern, Baden-Württemberg und Hessen, alle drei Bundesländer haben eines gemeinsam: Sie zahlen neben Hamburg in den sogenannten Länderfinanzausgleich ein. Alle anderen, denen es wirtschaftlich nicht so gut geht, profitieren davon. Doch die Landesregierungen in München, Stuttgart und Mainz wollen nicht länger die Zahlmeister der Nation sein und haben gestern beschlossen, notfalls den Weg nach Karlsruhe zu gehen, wenn man sich nicht auf eine neue Aufteilung der Lasten einigen könne. Vertreter der sogenannten Nehmerländer lehnten den Vorstoß rundweg ab. Unter anderem darüber hat mein Kollege Jasper Barenberg gesprochen mit Frank Puchtler. Er ist der finanzpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion in Rheinland-Pfalz. Und seine erste Frage an ihn: Hat es sich Rheinland-Pfalz bequem gemacht in der Rolle des Empfängers?

    Frank Puchtler: Den Vorwurf weise ich entschieden zurück, denn zum einen ist der Länderfinanzausgleich eine zwischen den Bundesländern vertraglich vereinbarte Regelung und er ist eine entscheidende Grundlage für den Föderalismus und die Solidarität, ein Eckpfeiler einer Bundesrepublik als Bundesstaat.

    Jasper Barenberg: Nun müssen ja die Eltern in Rheinland-Pfalz zum Beispiel seit letztem Jahr keine Kita-Gebühren mehr zahlen. Hat Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus nicht recht, wenn er sagt, man lasse sich in Rheinland-Pfalz feiern mit Geld, das eigentlich aus Stuttgart, aus München oder aus Wiesbaden stammt?

    Puchtler: Nein. Aufgrund der ja unter allen Ländern vereinbarten Regelungen wird entsprechend ein Finanzausgleich geleistet. Aber selbst nach Finanzausgleich, im Vergleich zum Beispiel zu dem Bundesland Hessen, ist Hessen finanzstärker noch wie Rheinland-Pfalz, und dann ist man doch selbst in der Lage, als Bundesland über die entsprechenden Aufgaben und die politischen Schwerpunkte zu entscheiden, und da bleiben wir in Rheinland-Pfalz dabei, dass es für uns wichtig ist, dass ein junger Mensch, unabhängig von Einkommen und Vermögen der Eltern, in der Lage ist, gebührenfrei über die Kindertagesstätte die Grundschule, die weiterführende Schule bis zum ersten Studium zu gehen. Das sind Investitionen in die Menschen, Investitionen in die Zukunft. Sie werden Rendite nicht nur für das Land Rheinland-Pfalz, sondern für Gesamtdeutschland abwerfen, und darum sind wir überzeugt, dass wir in den richtigen Bereich investieren.

    Barenberg: Und das heißt eben auch, Herr Puchtler, dass Schulden abbauen eben nicht ganz oben auf der Tagesordnung steht?

    Puchtler: Doch! Rheinland-Pfalz hat, gemeinsam alle Fraktionen im Landtag, eine Regelung in unserer Länderverfassung beschlossen und wir sind auch mit dem Haushalt 2011, der schon verabschiedet ist und vom Landtag auf den Weg gebracht wurde, in die Schuldenbremse eingestiegen.

    Barenberg: 4 Länder geben, 12 Länder nehmen. So sieht es ja derzeit jedenfalls aus. Kann das denn auf Dauer so bleiben?

    Puchtler: Sicher ist auf Dauer immer wieder die Entwicklung zu überprüfen. Wir sind ja auch gesprächsbereit. Nur: vertragliche Vereinbarungen und auch die Solidarität zwischen den Bundesländern ist ganz entscheidend. Wie soll sich ein Land insgesamt weiterentwickeln, wenn nicht auch stärkere den anderen helfen. Und ich möchte auch noch mal Wert darauf legen, dass hier über 90 Prozent der Finanzausgleichsmittel in die ostdeutschen Länder fließen. Das ist ja auch ein Stückchen Solidarität, was gerade diesen Ländern dort entscheidend geholfen hat.

    Barenberg: Sie sind gesprächsbereit über Veränderungen am Länderfinanzausgleich, haben Sie gerade gesagt. Welche Konzessionen würden Sie denn machen wollen?

    Puchtler: Gesprächsbereit heißt, dass man gesprächsbereit ist. Das muss man dann sehen, wie die Dinge sich entwickeln. Nach meinem Kenntnisstand ist aber bisher noch kein Angebot für Verhandlungen gegeben.

    Barenberg: Und Sie wollen auch keines machen?

    Puchtler: Ich meine von Seiten der entsprechenden Geberländer.

    Barenberg: Genau! Und ich meine von Seiten der Nehmerländer. Welches Angebot würde Ihnen denn vorschweben?

    Puchtler: Nein! Man kann doch sprechen, man ist gesprächsbereit, aber die vertraglichen Grundlagen gelten.

    Barenberg: Wenn ich Sie richtig verstehe, Herr Puchtler, dann hört es sich so an, als seien Änderungen überhaupt nicht nötig an diesem Länderfinanzausgleich. Sie halten das für ein rundherum gelungenes Instrument, wie wir es hier heute haben?

    Puchtler: Ich halte den Länderfinanzausgleich für eine ganz entscheidende Grundlage, damit das gesellschaftliche Zusammenleben in dem gesamten Land, also in ganz Deutschland, funktioniert, und das kann doch nicht entscheidend davon abhängig sein, wo jetzt jemand gerade lebt, sondern er hat – und das ist ja verfassungsmäßig garantiert – einen Anspruch auf gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland. Dafür wurde der Länderfinanzausgleich geschaffen. Das ist die Grundlage und das muss und wird auch immer die Grundlage für Gespräche und weitere Dinge sein.

    Heckmann: Der sogenannte Länderfinanzausgleich muss bleiben, meint Frank Puchtler, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion in Rheinland-Pfalz. Die Fragen stellte mein Kollege Jasper Barenberg.

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