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Das Weltklima im Sturmtief der Krisen

Schon jetzt verursacht der Klimawandel Kosten in Milliardenhöhe. Aber auch der Klimaschutz ist nicht umsonst zu haben. Und angesichts der Wirtschaftskrise ist jedes EU-Land darum bemüht, seinen eigenen Beitrag gegen die Erwärmung der Erde so gering wie möglich zu halten.

Von Britta Fecke | 11.12.2008
    Ein Waldstück am Rande des Münsterlandes. Der kalte Regen fällt ungebremst auf das Unterholz, denn es gibt kein Holz mehr darüber. Äste, aber keine Bäume. Wo einst der Wald war, ist jetzt eine trostlose Brache. Josef Schäpers, Ökologe vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW zieht den Schirm tiefer:

    "... wir sind in einem Bestand, in dem ehemals alte Kiefern standen, jetzt stehen hier nur noch ein paar Laubbäume das liegt sicherlich daran, dass alle anderen beim Sturm Kyrill umgefallen sind."

    Nicht nur im Münsterland fegte der Orkan Anfang letzten Jahres mit 200 Kilometern pro Stunde über die Landschaft, auch in Bayern und Brandenburg, in der Schweiz und Großbritannien knickte er Bäume und Strommasten um, als wären es Streichhölzer. Kyrill schlug eine Schneise der Verwüstung durch Europa, 49 Menschen kamen dabei ums Leben.

    Den gesamtwirtschaftlichen Schaden beziffert der weltweit größte Rückversicherer die MÜNCHENER RÜCK auf zehn Milliarden US-Dollar. Das letzte Jahr kostete die Versicherer insgesamt 75 Milliarden Euro. Doppelt soviel wie im Jahr davor und die Branche rechnet mit jährlich weiter steigenden Kosten, denn mit dem Klimawandel nimmt auch die Wahrscheinlichkeit von Stürmen zu; und nicht nur die. Hans-Martin Füssel vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung:

    "Das interessante ist, dass in fast allen Regionen die Starkniederschläge zugenommen haben, weil warme Luft mehr Wasser aufnimmt und der Kreislauf von Verdunstung und Niederschlag intensiver wird. In den meisten Regionen Europas müssen wir mit Flutgefahr rechnen."

    Der Klimawandel kostet also, die Maßnahmen gegen die Klimaerwärmung aber auch, und deshalb wird in Brüssel seit zwei Wochen um jede Kilowattstunde und jedes Gramm Kohlendioxid gefeilscht.
    Werner Lang, CDU-Abgeordneter im Europa Parlament:

    "... die Regelung muss bezahlbar sein für Verbraucher und Industrie und die Regelung muss Wettbewerbsverzerrung zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten verhindern."

    Doch die Kunst besteht darin, über die kurzfristigen Interessen und vor allem über die nächste Legislaturperiode hinaus zu denken. Davon kann allerdings bisher nicht die Rede sein, vielmehr versucht jedes Mitgliedsland, den eigenen Beitrag so klein wie möglich zu halten, und für bestimmte Branchen Ausnahmeregelungen zu erwirken -je nach dem, wie viel Kohle in dem jeweiligen Land verstromt wird, wie zum Beispiel in Polen, - wie viele emissionslastige Autos gebaut werden, wie zum Beispiel in Deutschland oder wie sehr ein Land eher auf Kernkraft, als auf den Ausbau der Erneuerbaren Energien setzt, wie zum Beispiel Frankreich.

    Im Schatten der Finanzkrise fürchten die einzelnen Mitgliedsländer zusätzliche Kosten beim Emissionshandel für die produzierende Industrie und die Energiewirtschaft. Dabei warnen die Wissenschaftler des Weltklimarats wie auch die Verfasser des Stern-Reports vor den gigantischen Kosten, die auf uns zukommen würden, wenn der CO²-Ausstoß jetzt nicht rapide gedrosselt wird und damit die Folgen des Klimawandels abgebremst werden. Wenn jetzt kräftig gegengesteuert würde, dann lägen die Kosten für den Klimawandel bei rund einem Prozent des weltweiten Brutto-Inlandsproduktes. Wenn sich aber nichts ändert, werden Dürren, Fluten, Ernteausfälle und Sturmschäden 5 bis 20% des weltweitern Brutto-Inlandsprodukts kosten und das wären laut Stern-Report zwischen 250 und 800 Milliarden Dollar im Jahr. Doch die erschreckenden Ergebnisse des Weltklimabericht vom letzen Jahr scheinen in diesem Jahr vergessen: Hans ver Olme, von der internationalen Klimaschutzorganisation Climat-Action-Network:

    "In der EU nehmen wir nicht mehr den politischen Willen wahr, den es zu geben schien, als noch Angela Merkel Ratspräsidentin war."

    Jetzt setzt sich die deutsche Kanzlerin u.a. für die Interessen der deutschen Automobilindustrie ein - für die Oberklassewagen von Daimler, Porsche und BMW, deren Wagen besonders PS- und emissionsstark sind; Und in einem Verhandlungspunkt hat sie sich im Sinne der deutschen Autobauer bereits durchgesetzt:

    "Ich werde, noch mal sehr deutlich machen, dass wir Klimaschutz und die wirtschaftliche Stärke der Automobilindustrie zusammenbringen müssen. Und da darf es nicht sein, dass Länder, die größere Autos bauen benachteiligt werden, gegenüber Ländern die kleinere Autos bauen."

    Das sieht Italien naturgemäß anders: Warum sollen die Unternehmen, die jetzt schon kleinere und umweltschonendere Modelle bauen - wie zum Beispiel Fiat - nicht belohnt werden? Nun - sie werden es vorerst nicht.
    Der ursprüngliche Entwurf der EU-Kommission sah vor, die CO²-Emissionen von Neuwagen ab 2012 zu senken auf 120 Gramm pro Kilometer, das ist ein Viertel weniger als bisher. Auf Druck der Deutschen wurde den Autobauern eine längere Frist bis 2015 eingeräumt, erst dann werden 120 Gramm pro Neuwagen, pro Kilometer zur Pflicht. Ab 2020 dürfen es dann nur noch 95 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer sein. Sollte ein Hersteller nach Ablauf dieser Frist das CO²-Limit für einen Neuwagen überschreiten, drohen ihm Strafen. Zwischen 5 und 95 Euro pro Wagen - je nachdem, um wie viel Gramm CO² die Grenze überschritten wird.

    Doch der Verkehrssektor ist nicht der größte Emittent von Treibhausgasen. Das meiste Kohlendioxid, Lachgas und Methan entweicht den Industrieschloten. Der Energiesektor hat mit mehr als 60 % den größten Anteil an den globalen Treibhausgasemissionen. Der Bedarf wird noch weiter steigen.

    Die Internationale Energieagentur geht davon aus, dass der Konsum auch in den Industrieländern noch weiter zunimmt und der Energiebedarf in den wirtschaftlich erstarkenden Schwellenländern China, Brasilien aber auch Indien den heutigen Anteil der Industrieländer noch weit übersteigen wird.

    Mit dem Emissionshandel sollen Anreize geschaffen werden, um Techniken zu fördern, die CO² einsparen. Doch besonders bei der Ausgestaltung des Zertifikatehandels kommt es unter den alten und neuen Mitgliedstaaten - zwischen Ost und West - zu Verteilungskämpfen.
    Prof. Claudia Kemfert, Energieexpertin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung bleibt dennoch optimistisch:

    "Also ich seh es nicht sooo kritisch, was die Erreichung der Klimaziele angeht, denn man muss ja immer sehen, dass das oberste Ziel ja akzeptiert ist und da wird auch nicht dran gerüttelt. also wir werden jetzt nicht in Frage stellen 20% Emissionsminderung zu erreichen, es ist nur die Frage an welchen Stellen wir das erreichen."

    Die EU hatte im März letzten Jahres ihre Klimaschutzziele festgelegt. Beschlossen ist, dass bis zum Jahr 2020 die Emissionen von Treibhausgasen um 20% sinken sollen. Zeitgleich soll der Anteil der Erneuerbaren Energieträger am Energieendverbrauch um 20 % steigen, alles gemessen am Basisjahr 1990. Um die Lasten gerecht zu verteilen, hatten die Staats- und Regierungschefs beschlossen, dass einige Länder mehr - andere weniger CO² einsparen müssen, die genaue Menge sollte sich nach dem Entwicklungsstand der Energiewirtschaft des Landes richten.

    Doch das reicht einigen neuen EU-Mitgliedern nicht aus. Allen voran Polen, das kritisiert, dass bei der Festlegung der Einsparziele gar nicht berechnet wurde, wie viel die Länder schon vor ihrer Mitgliedschaft eingespart haben. Zum Beispiel durch den Abbau der maroden und ohnehin nicht mehr konkurrenzfähigen Schwerindustrie. Doch nicht nur in diesem Punkt sieht sich Polen benachteiligt, Außenminister Radoslaw Sikorski:

    "Nach Island haben wir in Europa den höchsten Kohleanteil bei der Energiegewinnung. 97 % des polnischen Stroms werden in Kohlekraftwerken produziert. Hohe Kosten für die CO2-Zertifikate würden also vor allem für Polen negativ zu Buche schlagen. Insofern ist das gegenwärtige Klimapaket ein harter Schlag gegen die Konkurrenzfähigkeit der polnischen Wirtschaft und des Lebensstandards der Polen."

    Der Handel mit CO²-Zertifikaten soll eigentlich ein Instrument sein, um Anreize zu schaffen, in neue emissionsarme Technologie zu investierten. Am Ende wird belohnt, wer nach der Zuteilung einer bestimmten Menge von CO²-Zertifikaten weniger Kohlendioxid produziert. Und das geht so: Für jede Tonne CO², die ein produzierendes Unternehmen in die Atmosphäre bläst, muss es ein Zertifikat besitzen. Wenn das Unternehmen seine Technik verbessert und weniger CO² ausstößt, kann es die eingesparten Zertifikate versteigern.

    Europaweit soll es dann einen Börsenpreis für jede Tonne Kohlendioxid-Ausstoß geben, der durch Angebot und Nachfrage bestimmt wird. Besonders teuer wäre dieser Handel für energieintensive Produktionsvorgänge wie in der Zement- und Chemieindustrie und für die Länder, in denen der Strom hauptsächlich über die Verfeuerung von Kohle gewonnen wird. Denn die CO²-Bilanz dieses fossilen Brennstoffs ist besonders ungünstig und wäre damit teuer. Den Preis will Ministerpräsident Donald Tusk aber erst einmal mal nicht bezahlen. Beim Treffen mit dem EU-Ratspräsidenten Nicolas Sarkozy diese Woche in Polen:

    "Danzig ist wohl der beste Ort, um über die Mitverantwortung im Geiste der Solidarität zu reden. Innerhalb der EU bedeutet Solidarität auch Verständnis dafür, dass alle, arme und reiche, die gemeinsame Verantwortung für den Klimawandel stemmen müssen. Und da gibt jeder soviel er kann, und will und nicht, soviel er muss!"

    Dabei müsste das Land in vielen Bereichen aufholen: Nicht nur, dass Polen fast ausschließlich auf Kohle baut, der Energiepark müsste sowieso dringend modernisiert werden, denn die meisten Kraftwerke sind älter als 35 Jahre. Der Wirkungsgrad der Kraftwerke beträgt nur 36,5 %! Damit liegt das Land zehn Prozentpunkte unter dem Durchschnitt seiner westlichen Nachbarn.

    Polen und in seinem Windschatten noch acht weitere osteuropäische Länder drohten mit ihrem Veto, sollte das Klimapaket im Sinne der Kommission verabschiedet werden. Claudia Kemfert:

    "Da würd ich mir wünschen, dass man Regelungen mit Polen findet, also Versteigerungserlöse zurück erstattet. Oder Europa da auf anderer Ebene entgegen kommt, damit das Instrument des Emissionsrechtehandels nicht in Mitleidenschaft gezogen wird."

    Bisher gab es die CO²-Zertifikate gratis, doch so fehlte auch der finanzielle Anreiz für die Unternehmen, um Emissionen einzusparen. Deshalb sollten eigentlich alle Energieversorger innerhalb der EU ab 2013 die CO²-Zertifikate ersteigern. Damit der Klimakompromiss nun nicht an dem Veto Polens scheitert, hält die französische Ratspräsidentschaft einen Kompromiss für Polen und acht weitere Länder bereit.

    Sie sollen nur für die Hälfte der Zertifikate zahlen. Diese Ausnahmeregelung soll für alle Länder gelten, die weniger als 50% des durchschnittlichen EU-Bruttoinlandsprodukts erwirtschaften. Das sorgt allerdings für Unmut in anderen Mitgliedsländern. In Deutschland zum Beispiel: Ein neues sächsisches Braunkohlekraftwerk würde durch den Zertifikatehandel belastet werden, ein weitaus weniger effizientes, altes Steinkohlekraftwerk in Polen hingegen aber nicht, gab kürzlich der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich zu bedenken.

    Doch auch wenn dieses Argument auf den ersten Blick einleuchtet, lässt sich der Energiesektor inzwischen nicht mehr so einfach in Ost und West trennen. Claudia Kemfert, die sowohl die Kanzlerin in Energiefragen berät, als auch den EU-Kommissionspräsidenten Jose Manuel Barroso:

    "Man weiß, dass RWE auch in Deutschland lange gegen den Klimaschutz gekämpft hat und es mittlerweile akzeptiert hat und dort neue Energieformen voranbringt."

    Man weiß aber auch - dass die deutschen Stromkonzerne allen voran RWE - in Polen investieren wollen, und dort geht es bisher nicht um den Ausbau der Erneuerbaren Energien, sondern um den alten Markt.
    Schon jetzt ist RWE in Warschau der größte Stromlieferant. Und dieser Strom würde sich enorm verteuern, wenn man die Emissionsrechte nun kaufen müsste, warnt RWE. Und so macht die polnische Regierung Druck auf Brüssel und spricht damit den deutschen Energieunternehmen aus der Seele. Wie wenig der Strompreis aber von den Zertifikaten abhängen muss, zeigt die jüngste Entwicklung in Deutschland. Claudia Kemfert:
    "In Deutschland werden die Kosten ja auch an die Verbraucher durchgereicht, obwohl die Konzerne die Zertifikate umsonst bekommen haben."

    Bisher haben die Energiekonzerne nämlich an den Zertifikaten nur verdient und zwar Milliarden! Denn in der dreijährigen Erprobungsphase des Emissionshandels bekamen die deutschen Stromkonzerne die Scheine gratis, stellten aber die imaginären Kosten dieser geschenkten CO²-Zertifikate den Verbrauchern in Rechnung.

    Ob RWE, Vattenfall und Co ihre Zertifikate in Zukunft tatsächlich bezahlen müssen und in welchem Umfang ist immer noch unklar. Dafür zeichnet sich aber schon jetzt eine große Erleichterung für die deutsche Industrie ab. Deutschland drängte darauf, die energieintensiven Branchen von der Auktionierung zu befreien. Und forderte Ausnahmeregelungen für die Industriezweige Eisen, Stahl, Kunststoff, Chemie und Zement. Doch je mehr Bereiche vom Verkauf ausgenommen werden, desto weniger Anreize gibt es, um Emissionen einzusparen. Umso weiter rückt die EU auch von ihrem Vorhaben ab, mit ihrem Klimapaket weltweit Schule zu machen.

    Mit einem ausgeklügelten Emissionshandel sollten klimaschädliche Gase reduziert und so die Erderwärmung abgebremst werden. Im Moment scheint das Modell aber weniger ausgeklügelt als ausgehöhlt, meint Hans ver Olme von der Nichtregierungsorganisation Climat-Action-Network:

    "Wir sind an einem Tiefpunkt! Viele glauben nicht mehr, dass die Gespräche hier Ergebnisse bringen, die uns nach Kopenhagen führen."

    Im Dezember 2009 soll in Kopenhagen ein neues internationales Klimaschutzabkommen unterzeichnet werden, es soll das bisherige Kyoto-Protokoll ablösen, das 2012 abläuft. Darüber wird in diesen Tagen auch im polnischen Posen verhandelt. Die EU wollte eigentlich mit ihren ambitionierten Klimazielen andere Staaten wie die USA Kanada oder China in die Pflicht nehmen, dieses neue Abkommen, Kyoto2, zu unterschreiben.

    Die Wissenschaftler des Weltklimarats gaben in ihrer jüngsten Prognose an, dass eine Erwärmung um 2°C bis zum Ende dieses Jahrhunderts die Marke sei, bei der die zu erwartenden Klimafolgen wie Dürren, Überschwemmungen und Hurrikans gerade eben noch beherrschbar seien. Ist das vor dem Hintergrund der schleppenden Verhandlungen immer noch ein realistisches Ziel? Claudia Kemfert:

    "… es ist eher eine Frage der Zeit also man streckt es eher auf der Zeitachse. aber ....grad bis zum Ende des Jahrhunderts würde bedeuten, dass wir bis Mitte diese Jahrhunderts 80 % der Treibhausgase eingedämmt haben müssten. Das würde ich als sehr illusorisch ansehen."

    Und auch deshalb wären die Gewinne aus den versteigerten Zertifikaten wichtig, benötigt wird das Geld für Anpassungsmaßnahmen. Denn eines ist klar: Am schlimmsten werden diejenigen unter den Folgen des Klimawandels leiden, die am wenigsten dazu beigetragen haben. Schon jetzt bleibt in vielen Ländern Zentralafrikas der Regen aus, während er wo anders nur noch sintflutartig niedergeht und die Jahresernte wegschwemmt. Die Entwicklungsländer müssen die Zeche der Industrieländer zahlen. Die Erlöse aus den Emissionszertifikaten sollten einen Beitrag zu einer gerechteren Lastenverteilung leisten: Yvo de Bour, Leiter des UN-Klimasekretariats:

    "... wenn weniger versteigert wird, gibt es weniger Geld in der Kasse und es wird schwerer woanders das Geld für internationale Zusammenarbeit zu finden!"

    Auch deshalb würde die EU-Kommission gern an dem Auktionsmodell festhalten, 2020 könnte die Versteigerung von CO²-Zertifikaten nach internen Berechnungen 75 Milliarden Euro bringen. Doch im Moment sieht es so aus, als würde mehr verschenkt als versteigert. Auch weil die Politiker im Angesicht der globalen Finanzkrise vor zusätzlichen Verpflichtungen zurückschrecken. Und dabei übersehen sie ihre Chance, meint Claudia Kemfert:

    "Man muss aufpassen, dass man jetzt nicht die Finanzkrise als Alibi für ewig gestrige Argumente nutzt, denn Klimaschutz ist ein Wirtschaftsmotor und wir müssen in die neuen Märkte rein, selbst ohne Klimaschutz müssen wir weg von Öl, Gas und Kohle und da brauchen wir neue Technik."
    Zumindest in diesem Bereich scheint eine Einigung auf dem EU-Gipfel möglich: Bis zum Jahr 2020 soll Wind-, Wasser- und Sonnenenergie 20 % des europäischen Energiebedarfs decken. Bisher liegt der Anteil bei rund 8,5 %. Die Unterschiede innerhalb Europas sind allerdings enorm. So produziert das windumtoste Großbritannien nur 1,3 % seines Energiebedarfs aus erneuerbaren Energiequellen. Schweden und Finnland dagegen decken rund ein Drittel ihres Energieverbrauchs aus regenerativen Quellen.

    Dass die Nutzung und der Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht nur eine Frage der örtlichen Bedingungen ist, sondern vor allem eine Frage des politischen Willens, zeigt dieser Vergleich: Lettland hat sich bewusst für Wasserkraft entschieden, und das, obwohl das kleine Land nicht gerade mit Wasserfällen gesegnet ist. Dennoch, der geschickte Einsatz von Staustufen und Wasserkraftwerken beschert dem baltischen Staat 30 % Energie aus ständig nachfließender Wasserkraft. Spanien dagegen hat im Zuge des Klimawandels noch mehr Sonnenstunden im Sommer, als schon vor 15 Jahren. Aida Vila von Greenpeace:

    "Wir schlagen deshalb einen Wechsel in der spanischen Energiepolitik vor. Weg von der Kohle hin zu Erneuerbaren."

    Doch bisher wird die Solarenergie kaum genutzt, aber die spanische Kohle wird immer noch hoch subventioniert. Dementsprechend schlecht steht das Land in der Gesamtbilanz da: die CO²-pro-Kopf-Emission liegt in Spanien 260 % über dem Weltdurchschnitt. Und das obwohl Spanien die Sonne soviel leichter nutzen könnte, als Lettland seine Wasserkraft!

    Dieser Gipfel ist nicht die letzte Hürde für das Klimapaket, das bei allzu vielen Ausnahmen vielleicht auch nur ein Päckchen wird. Am 17. Dezember soll das Europa-Parlament über den Kompromiss abstimmen, wenn er denn zustande kommt. Und deshalb appellierte Kommissionspräsident Barroso noch einmal an die 27 Staats- und Regierungschefs in Brüssel:

    "Die Erde zu retten ist kein Luxus oder ein Aperitif, den man nimmt oder stehen lässt die Verpflichtung zum Klimaschutz verschwindet auch nicht deshalb, weil gerade eine Finanzkrise herrscht!"