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Daten in der Zwangsjacke

Internet.- Was 2009 als "Government2.0-Barcamp" begann, fand damals schon das Interesse des Bundesinnenministeriums, wo man ebenfalls an digitalen Verwaltungs- und Regierungswerkzeugen arbeitet. Einige Lösungsvorschläge aus der Web-Communitiy wurden nun in Berlin auf dem zweiten Barcamp präsentiert.

Von Wolfgang Noelke | 02.10.2010
    Wenn sich der tägliche Ärger über das vergessene Schlagloch im Beschwerdeschreiben an die Straßenbaubehörde entlädt, fallen schon mal böse Worte über die angeblich verschnarchte Behörde. In mehr als 20 Gemeinden Brandenburgs nicht mehr, denn hier können die Bürger Fotos ärgerlicher Plätze den Behörden per Internet über Maerker.Brandenburg.de senden und den Fortgang der Arbeiten weiterverfolgen. Doch soviel Transparenz macht den Beamten mitunter Sorgen, meint Kai Uwe Ernst, Repräsentant eines Softwarehauses:

    "Die Frage kommt natürlich immer wieder auf: 'Kommen wir damit nicht in einen Zugzwang?' Die Erfahrung ist eigentlich die, dass selbst eine Antwort dahingehend ist: 'Der Schaden ist uns bekannt. Das ist in der nächsten Baumaßnahme vorgesehen oder wird jetzt gerade entschieden.' Alleine dieses Feedback gibt dem Bürger ein gutes Zeichen, dass es wahrgenommen wird und berücksichtigt wird."

    Sind Verwaltungsvorgänge durchschaubar, eventuell noch mit anderen Daten, beispielsweise Haushaltsdaten verknüpft, herrscht Augenhöhe zwischen Verwaltern und Verwalteten. Und das entlastet sogar die Haushaltskasse, weiß Franz Reinhard Habbel, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes:

    "In Schleswig-Holstein, aber auch in anderen Bundesländern erhalten die Landwirte von den Agrarämtern entsprechende Geoinformationen für ihre Arbeit vor Ort, für die Fruchtfolge, für die Abrechnung der Fördermittel. Diese Daten werden den Landwirten derzeit auf CD-ROM zur Verfügung gestellt. Das kostet das Land etwa 150.000 Euro. Das könnte anders sein. Wenn wir eine auskömmliche Breitbandverbindung hätten, könnten diese Daten – und die Landwirte wünschen sich das – auch online über das Netz verfügbar gemacht werden. Leider ist aufgrund der mangelnden Datenqualität und der mangelnden Breitbandverbindung nicht möglich, dieses zu tun. Wenn wir Wachstum und Entwicklung in Deutschland ins Werk setzen wollen, sind wir auf diese neue moderne Infrastruktur so angewiesen, wie im letzten Jahrhundert auf Straßen, Wege, Plätze, Wasser- und Stromleitungen."

    Während die technische Infrastruktur bereits ausgebaut wird, rät Habbel der Bundesregierung, gleichzeitig auch einige rechtliche Probleme zu entschärfen:

    "Wir haben ein Beispiel, wo es um die Breitbandverkabelung geht, wo große Telekommunikationsunternehmen Pläne haben und andere, die im Geschäft mitmachen wollen gerne diese Daten für ihre Planung hätten. Und das ist in der Tat ein Konflikt, der bisher ungelöst ist: Wem gehören die Daten? Kann ich sie öffentlich machen, weil es auch ein Element des Unternehmens ist und den Wettbewerb regelt. Diese Fragen sind gerade beim Breitband im Moment sehr aktuell."

    "Open Data", offene Daten bedeutet zwar, dass Daten zugänglich sein sollen, aber nicht nicht in jedem Fall kostenlos, begründet es der Informatik-Chef der Bayerischen Staatsregierung, Staatssekretär Franz Josef Pschierer:

    "Es gibt sicherlich die urheberrechtlichen Hürden, es gibt ganz einfach und banal gesagt, das Thema der Kosten, die für uns als Staat entstehen und insofern sehen wir uns als Staat auch als Dienstleister. Es gibt Dienstleistungen, da sagen wir ganz bewusst: Die stellen wir dir, lieber Bürger kostenlos zur Verfügung, denn Du zahlst Steuern und hast einen Anspruch darauf. Aber dann gibt’s da schon Datenpotenziale, insbesondere wenn Sie die Kombination von Geobasisdaten und entsprechenden Fachdaten nehmen, wo für eine spezifische Bevölkerungsgruppe auch ein spezifischer Nutzen vorhanden ist. Da tendieren wir doch dazu, zur Kostenpflicht oder zur beschränkten Kostenpflicht zu gehen und deshalb an dem auch festzuhalten."

    Dagegen sprechen aber Erfahrungen aus den USA, wo die Daten kostenfrei sind. So entwickelten im Wettbewerb "Apps for Democracy" Bürger 47 Anwendungen mit einem volkswirtschaftlichen Einsparpotential von 2,3 Millionen US-Dollar. Diese, bislang finanziell erfolgreichste Initiative wird weltweit kopiert. Im Berliner Wirtschafts- und Technologiesenat startete Dr. Wolfgang Both mit 'Apps4Berlin' einen ähnlichen Wettbewerb:

    "Bisher sind wir ja vom Bürger gefordert gewesen, aufbereitete Daten zur Verfügung zu stellen. Ob dies das statistische Amt ist oder die Umweltbehörde oder wer auch immer, hat in aufbereitete Form, als Word- Dokument, als Text als bestenfalls Excel-Liste Daten zur Verfügung gestellt. Heute besteht nun zusätzlich der Wunsch, diese Daten auch in maschinenlesbarer Form zu bekommen. Und hierfür brauchen wir erstmal Konverter und müssen neue Formen finden. Dafür ist heute die Verwaltung noch nicht aufgestellt. Ich weiß nicht, ob die IT- Branche dafür schon aufgestellt ist. Wir haben parallel mit der Bürgerbefragung, die gerade läuft, zu den Interessenlagen hinsichtlich der Daten der öffentlichen Hand, haben wir mit dem Fraunhofer Institut FOKUS eine Studie, hinsichtlich der Anforderungen, die an die Daten im Internetzeitalter gestellt werden. Die Studie wird in zwei Wochen vorliegen, so dass wir dann aus der Forschung konkrete Empfehlungen haben, wie wir in dieser Hinsicht vorgehen sollen."