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"Daten sind etwas Inhaltsleeres"

In der Diskussion um Ausspähungen durch Geheimdienste und um Sicherheit im Internet wird oft ein besserer Datenschutz gefordert. Doch dieser Begriff sei hier irreführend, sagt der Informatikprofessor Werner Zorn. Er verstelle nur den Blick auf das, was eigentlich zu schützen sei: vertrauenswürdige Informationen.

10.08.2013
    Manfred Kloiber: Fassen wir zusammen: Die Affäre um die NSA und all die anderen Geheimdienste – sie hat vor allem die politische Diskussion über die Sicherheit im Internet in Gang gebracht. Und neben dem Wahlkampfgetöse mit den vielen Schuldzuweisungen gibt es auch eine in die Zukunft gerichtete Diskussion, welche Konsequenzen aus dieser Affäre denn zu ziehen sind. Oft wird in diesem Zusammenhang ein besserer Datenschutz gefordert. Aber, das sagt Werner Zorn, Informatikprofessor aus Karlsruhe und Internettechnologe der erste Stunde in Deutschland, Datenschutz, das sei der falsche Begriff für diese Diskussion. Herr Zorn, warum ist denn "Datenschutz" das falsche Wort?

    Werner Zorn: Das führt zur Frage: Was sind eigentlich Daten? Daten sind eine Menge diskret dargestellter Informationen, womit es statt Datenschutz eigentlich Informationsschutz heißen müsste. Das führt wiederum zu der Frage: Was sind schützenwerte Informationen? Und im NSA-Kontext heißt es natürlich vertrauliche Informationen. Und das wiederum macht relativ schnell deutlich, dass der Vertraulichkeitsgrad nur von dem Inhaber oder von der Quelle der Informationen definiert werden kann. Also Daten sind etwas Inhaltsleeres. Das ist eine Abstraktion und verstellt den Blick vor dem, was eigentlich zu schützen ist: nämlich die vertrauenswürdigen Informationen.

    Kloiber: Das heißt also, es geht vor allen Dingen darum, wie jemand selbst empfindet, welche Informationen tatsächlich in besonderer Weise behandelt werden müssen?

    Zorn: Ganz genau. Und das ist wieder die Frage, ob man alles erdenkliche dafür tut, die eigenen schützenswerten Inhalte auch zu schützen. Und dazu kann man sagen, weitgehend ja, wenn es sich um vertrauliche Informationen handelt, die wir ganz traditionell auf Papier haben und die wir an gut gesicherter Stelle aufbewahren, wie Passworte TAN-Listen, Steuererklärungen, private Korrespondenz und ähnliches. Und weitgehend nein, wenn diese vertraulichen Informationen auf unseren eigenen Rechnern, auf CDs, auf USB-Sticks, Smartcards und sonst wo liegen und von dort aus schon auf fremde gelangen können oder schon längst gelangt sind. Das heißt, wir haben einen völlig anderen Umgang mit vertraulichen Daten in diesen beiden unterschiedlichen Welten. Und insofern – ich bleibe erstmal dabei: Man muss ganz klar sagen, ich muss abgestuft die Inhalte selber klassifizieren und dann entsprechend damit umgehen.

    Kloiber: Dann muss es ja auch Mechanismen geben, die es dem Nutzer erlauben, dann eben halt diese Einstufung tatsächlich vorzunehmen und dann auch dafür zu sorgen, dass eben halt eine E-Mail zum Beispiel auf einem sicheren Weg zum Empfänger gelangt. Aber bislang ist auch in dieser Frage ja das Netz neutral. Muss sich das Netz ändern?

    Zorn: Ja, es müsste sich ändern. Es müssen Kanäle angeboten werden, die dann auch teurer sind, wo ich eben hochsicher oder mittelsicher oder niedrigsicher meine Inhalte transportieren kann.

    Kloiber: Nun ist es ja so, dass das Internet ganz ohne Zweifel für die meisten Menschen von uns zu einer ganz, ganz wichtigen Infrastruktur des täglichen Lebens geworden ist. Das Thema Sicherheit im Internet – wäre das nicht eine typischer Weise staatliche Aufgabe?

    Zorn: Na ja, das BSI ist ja eigentlich gefordert und beschäftigt sich ja auch mit der Aufgabe. Und die Frage ist nur: Wie groß ist Brücke zwischen BSI und ich sage jetzt mal IETF, weil sie gerade in Berlin getagt hat. Aber dort sind die Leute beisammen, die die alten Standards weiterentwickeln. Und dort muss man sich einbringen. Und Deutschland spielt wirtschaftlich eine große Rolle. Im Internet bisher nicht so. Ich will die Kanzlerin jetzt nicht zitieren, aber man muss sich aktiv einbringen. Und das kann ich jetzt im Moment nicht so gut feststellen.


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