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Datendrossel in Magenta

Die Telekom möchte bei Neuverträgen von Internetflatrates die Surfgeschwindigkeit nach Überschreiten eines bestimmten Datenvolumens stark senken. Gleichzeitig sollen firmeneigene Angebote von diesen Einschränkungen aber nicht betroffen sein und können demnach immer komfortabel angesurft werden. Politiker sehen darin teilweise die Netzneutralität gefährdet.

Von Jan Rähm | 27.04.2013
    In Sachen Breitbandausbau belegt Deutschland im europäischen und internationalen Vergleich einen der hinteren Plätze. Das soll sich ändern, aber der Breitbandausbau kostet Geld. Und daran mangelt es, erklärt Telekom-Pressesprecher Philipp Blank.

    "Grundsätzlich haben wir ein Problem in der Telekommunikationsbranche in Deutschland. Die Umsätze der gesamten Branche, der gesamten Telekommunikationsbranche sinken, während Milliardeninvestitionen in die Breitbandnetze anstehen."

    Zudem würden die Kunden immer mehr Datenvolumen erzeugen. Tendenz stark steigend. Darin sind sich die Fachleute zwar einig, aber als Argument für volumenbasierte Preiserhöhungen tauge das nicht, sagt Clemens Schrimpe. Er ist seit vielen Jahren direkt am Netzausbau beteiligt und hat schon am Aufbau der deutschen Backbones mitgewirkt.

    "Ich halte das trotzdem für nicht so dramatisch. Vor allen Dingen nicht auf das Volumen der Endnutzer bezogen. Das ist, glaube ich, der Punkt an der ganzen Geschichte, der mich am Meisten irritiert, dass man sozusagen Investitionskosten, die sich auf Equipment oder Infrastruktur beziehen, was volumenunabhängig arbeitet im Großen und Ganzen, jetzt versucht, in Volumenkosten bei den Endnutzern umzurechnen. Das ist irgendwie ... das passt nicht. Das halte ich für ein vorgeschobenes Element."

    Jürgen Grützner, Geschäftsführer des Verbands der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten VATM, kann an der Abrechnung auf Basis des Datenvolumens nichts verwerfliches finden.

    "Aus unserer Sicht ist es kein Rückschritt, wenn eine vierköpfige Familie nicht mehr den Aufbau einer Filmsammlung eines Nachbarn mitfinanzieren muss. Außerdem stehen nicht die Abschaffung der Flatrates und die Wiedereinführung von minuten- oder bitbasiert abrechnenden Tarifen zur Diskussion. Es geht um nutzungsbezogene Volumenpakete, die ausgewählt und gebucht werden können."

    Dass die Telekom ihre Einnahmen stabilisieren beziehungsweise steigern möchte, kann auch Stephan Albers vom Bundesverband Breitbandkommunikation Breko nachvollziehen. In Sachen Datendrossel ist er allerdings skeptisch.

    "Das Ziel der BREKO-Carrier ist es, den Glasfaserausbau flächendeckend voranzubringen und möglichst bald alle Bürgerinnen und Bürger mit einem Highspeed-Internetanschluss zu versorgen. Das ist der Plan! Unsere Mitgliedsunternehmen planen hingegen zurzeit keine Datendrossel für ihre Glasfasernetze. Ich glaube nicht, dass sich die Deutsche Telekom mit einer Datendrosselung zurzeit im Markt durchsetzen kann."

    Clemens Schrimpe bemängelt die geplante Datendrossel aus einem weiteren Grund: Die Telekom schränke die Leitung nicht ein, sondern mache sie bewusst kaputt.

    "Wenn man jemandem etwas verkauft und hinterher über 99 Prozent der Funktionalität wegnimmt, dann halte ich es nicht für eingeschränkt. Eingeschränkt klingt immer so harmlos. Eingeschränkt klingt so irgendwie wie ein Auto, dass schwer beladen ist und deswegen nicht 200 fährt, sondern nur noch 150. Das ist eingeschränkt. Was wir hier haben, um in dem Beispiel zu bleiben, ein Auto, das normalerweise 50 fahren würde, 50 km/h, fährt jetzt nur noch 375 Meter in der Stunde. Das erfüllt einfach seinen Zweck nicht mehr. Deswegen meine Phrase 'funktional kaputt'. Das heißt erfüllt seinen Zweck nicht mehr."

    Auch der zweite Teil der Telekom-Pläne stößt auf harsche Kritik. Das Unternehmen hat angekündigt, dass die Daten des eigenen Fernsehangebots nicht auf das Volumen angerechnet werden. Der Netzpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion sieht dadurch die Netzneutralität in Gefahr.

    "Das bohrt diesen Grundsatz der Netzneutralität auf, der die Grundlage für das Erfolgsrezept Internet war. Und das jetzt eben auch auf dieser Seite sozusagen da ein Geschäftsmodell eingezogen wird mit den Kapazitäten, Geld zu verdienen, ist eine schlechte Entwicklung."

    Das Fernsehangebot der Telekom als Beleg für die Verletzung der Netzneutralität zu sehen, passt allerdings nicht ganz. Denn das TV-Signal, dass via DSL-Anschluss ins Haus kommt, ist kein echtes Internet-TV, sondern ähnelt eher dem Angebot der Kabelnetzbetreiber. Die, wie auch die Telekom, speisen das TV-Signal separat zum Internetzugang in Netz ein. Kritisch wird es allerdings, wenn die Telekom anbietet, Unternehmen könnten sich als Partner einkaufen und ihre Dienste dann als Managed Service bevorzugt zum Kunden leiten. Dann wäre in der Tat die Neutralität des Netzes verletzt. Telekom-Sprecher Philipp Blank sieht das nicht als Problem.

    "Der Punkt ist, dass wir die Definition von Netzneutralität der Internetlobby nicht übernehmen. Die Internetlobby definiert ja Netzneutralität als die strikte Gleichbehandlung von einzelnen Datenpaketen und die ist aus unserer Sicht absolut nicht sinnvoll. Eine E-Mail ist etwas anderes als eine Videokonferenz. Ob eine E-Mail jetzt ein paar Sekunden später ankommt, macht für die meisten Kunden keinen Unterschied. Wenn eine Videokonferenz nicht funktioniert, wird der Dienst nicht funktionieren und von den Kunden nicht angenommen werden. Da reden wir jetzt noch gar nicht über Dienste der Telemedizin oder ähnliches, wo diese Notwendigkeit natürlich noch viel größer ist. Insofern gibt es da einen ganz klaren Unterschied zwischen Managed Services und normalen Internetdiensten."

    Auch der Netzpoltische Sprecher der FDP, Manuel Höferlin, als Teil der Regierungskoalition hält die Koppelung von TV-Angebot und Breitbanddrossel für problematisch.

    "In der Kombination, in der die Telekom das anbietet, kann die Netzneutralität in Gefahr sein, weil eigene Dienste bevorzugt werden. Nur beim Anbieten von Volumentarifen, vorausgesetzt, man kann sich Volumen dazukaufen und das wird nicht abgeschnitten, halte ich die Netzneutralität alleine noch nicht in Gefahr. In der Kombination kann das gefährlich werden."

    Am Ende der diskussionsreichen Woche sind sich Politiker parteiübergreifend einig, wenn auch mit Nuancen, dass die Netzneutralität dringend festgeschrieben werden müsse.