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Datenschutzbeauftragter kritisiert geplante Weitergabe von Bankdaten an USA

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, hat die Pläne zur Weitergabe europäischer Bankdaten an die USA kritisiert. Schaar sagte, durch das Vorhaben der Europäischen Union werde der Datenschutz geschwächt. Anders als bisher sei vorgesehen, dass die US-Behörden künftig auch Zugriff auf Inlandsüberweisungen bekommen.

Peter Schaar im Gespräch mit Christian Schütte | 27.07.2009
    Christian Schütte: Herr Schaar, Sie überweisen Geld ins Ausland und der US-Geheimdienst schaut Ihnen gewissermaßen dabei über die Schulter, wenn Sie das Formular ausfüllen. Fühlen Sie sich wohl bei dieser Vorstellung?

    Peter Schaar: Nein, überhaupt nicht, und anders als in Ihrem Bericht geschildert geht es ja nicht um eine Verbesserung, sondern um eine Schwächung des Datenschutzes bei den neuen Verhandlungen, denn SWIFT baut ja sein System derzeit um. Einmal ist es so, dass nicht nur Auslandsüberweisungen über SWIFT laufen werden, sondern auch Inlandsüberweisungen. Das ist im Rahmen der weiteren Integration des europäischen Zahlungsverkehrs geplant und das bedeutet, dass in Zukunft die Amerikaner nicht nur Zugriff erhalten würden auf Daten, die entstehen, wenn ich Geld an Saudi-Arabien oder auch nach Österreich überweise, sondern auch, wenn ich Geld von Hamburg nach Hamburg oder von Hamburg nach Köln überweise. Der zweite Punkt ist: Bisher gibt es ja einen Server in den USA, über den diese Daten laufen, sodass man irgendwie noch verstehen kann, dass die Amerikaner sagen, hier sind amerikanische Rechtsvorschriften einzuhalten, so zweifelhaft sie uns nun hier in Europa erscheinen mögen oder nicht. Wenn die Daten nur noch in der Schweiz und in den Niederlanden gespeichert werden, wie das geplant ist, dann gibt es überhaupt gar keinen Ansatzpunkt, den Amerikanern einen Zugriff auf diese Daten zu geben. Und darüber hinaus bleibt es bei allen Datenschutzbedenken, die auch seinerzeit vom Europäischen Parlament geäußert wurden und das Europäische Parlament wird ja nicht mal beteiligt, denn der Lissabonvertrag ist ja bisher noch nicht in Kraft.

    Schütte: Herr Schaal, lautstarke Kritik also auch von Ihnen, in Washington kann man das gar nicht so richtig nachvollziehen. Sind wir Europäer, speziell wir Deutschen, vielleicht einfach zu empfindlich, wenn es um Datenschutz geht?

    Schaar: Es ist erstens nicht nur so, dass es in Deutschland solche Kritik gibt, sondern auch der europäische Datenschutzbeauftragte hat diese Kritik geäußert. Er hat sie den Regierungen und auch dem Europäischen Parlament mitgeteilt. Das französische Parlament hat nicht nur ein paar offene Fragen, sondern es sagt: Wenn jetzt eine solche Einschränkung des Datenschutzes in Europa kommt, solch doch massiver Zugriff auf Daten, die in Europa gespeichert werden, dann muss das Parlament zustimmen. Und genau dasselbe hat ja auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Lissabon-Entscheidung letztens gesagt. Insofern halte ich es auch für verfassungsrechtlich, nach deutschem Verfassungsrecht für nicht ausreichend, wenn jetzt allein die Bundesregierung einen solchen Eingriff beschließen würde, sondern da müsste ein Parlament entscheiden und zwar auf europäischer Ebene, nämlich das Europäische Parlament, als auch auf deutscher Ebene. Sonst gibt es nicht eine ausreichende demokratische Legitimation für eine derartige zusätzliche Maßnahme.

    Schütte: Diese Daten wollen die USA ja bekommen, um herauszufinden, wie sich Terrornetzwerke finanzieren. Wie müssen wir uns das vorstellen, was lesen die Geheimdienstler da aus den Transaktionen heraus?

    Schaar: Das hätten wir als europäische Datenschützer auch sehr gerne gewusst. Wir haben das versucht herauszubekommen, aber letztlich ist das alles unter höchster Geheimhaltung abgelaufen. Erst mal hat man versucht, diesen Zugriff überhaupt zu verheimlichen, das hat dann nicht geklappt. Mittlerweile ist ja ein europäischer Untersuchungsrichter, der auch erwähnt wurde in dem Vorbericht, Richter Brugière, damit beauftragt worden, das zu untersuchen. Das ist auch jemand, ist aber kein Datenschützer, niemand, der unabhängig ist, sondern das ist jemand aus dem Bereich der Terrorabwehr. Und wenn jetzt jemand aus dem europäischen Bereich der Terrorabwehr sagt, na ja, die Amerikaner werden das schon richtig machen, dann gibt es da einen Hintergedanken: dass nämlich bei diesem neuen System nicht nur die amerikanischen Geheimdienste, sondern auch die europäischen Geheimdienste mitlesen können. Insofern gibt es da ein gemeinsames Interesse. Das ist aber nicht das Interesse des Datenschutzes.

    Schütte: Welches Interesse haben denn die EU und speziell Deutschland an diesen Daten, wie groß ist das?

    Schaar: Nun, das lässt sich schwer abschätzen. Das Interessante ist ja, dass Herr Brugière selbst gegenüber den Datenschutzbeauftragten in einer vertraulichen Sitzung nicht in der Lage war, nachzuweisen, worin denn nun die große Effizienz dieses Systems liegen soll. Es gibt ja verschiedenste Maßnahmen, die auch im Bereich der Terrorabwehr und der Geldströme, die in dem Zusammenhang fließen, von Europa getroffen worden sind. Da gibt es Geldwäscherichtlinien, da gibt es Programme, nach denen bestimmten Personen nicht Geld überwiesen werden darf und es gibt im Einzelfall auch immer die Möglichkeit, auf Daten zuzugreifen beziehungsweise auch sogar diese Daten nach Amerika zu übermitteln. Aber jetzt praktisch einen Kontenzugriff einem ausländischen Staat zu ermöglichen, ohne dass ich das mitbekomme, ohne dass ich Rechte habe gegenüber den Vereinigten Staaten, nicht einmal erfahre, dass so etwas geschieht, das ist schon ein starker Tobak.

    Schütte: Sie bezweifeln die Sinnhaftigkeit dieser Aktionen. Was muss den der ehrliche Bürger fürchten?

    Schaar: Nun, es heißt ja immer, wer nichts zu verbergen habe, habe auch nichts zu befürchten, nur: Was schlussfolgern die USA aus bestimmten Transaktionen? Es werden ja nicht nur Daten von Terrorverdächtigen erhoben und herausgegeben, sondern auch Daten, die in irgendeinem Zusammenhang stehen könnten mit einem Terrorverdacht. Da gibt es eine Verwaltungsanordnung dann aus dem US-Finanzministerium auf der Basis von irgendwelchen CIA-Informationen, und daraufhin werden dann alle Überweisungen, die von einer bestimmten Bank in einem bestimmten Zeitraum getätigt worden sind, erst mal sichergestellt und dann wird verglichen und das Ergebnis, einzelne Datensätze, vielleicht auch viele, das weiß niemand so genau, wird dann den US-Behörden zur Verfügung gestellt. Das heißt: Niemand weiß alleine, um welche Datenmengen es dabei geht. Auch das ist ja etwas, was mich schon recht kritisch stimmt.

    Schütte: Mit welcher Haltung sollte denn die Bundesregierung auftreten, wenn in der EU-Ministerrunde in Brüssel heute darüber beraten und vielleicht sogar entschieden wird?

    Schaar: Ich denke, dass es überhaupt gar keinen Grund gibt, hier in hektische Eile zu verfallen. Die Tatsache, dass SWIFT, dieses Unternehmen, das die Zahlungen abwickelt, seine Infrastruktur umbaut, ist ja schon seit Langem bekannt, und jetzt praktisch innerhalb der Sommermonate ein solches Abkommen zu verhandeln, in einer Zeit, wo die Parlamente zum großen Teil gar nicht mehr verfügbar sind, weil sie jetzt sich auch in den Sommerferien befinden, das halte ich schon für sehr kritisch. Ich würde ein solches Verhandlungsmandat kritisch sehen, da es eigentlich nur zu einer Aufweichung des Datenschutzes führen kann, nicht zu einer Stärkung, denn letztlich geht es ja darum, dass die Amerikaner einen sehr weit größeren Zugriff haben wollen, als sie ihn bisher schon haben, und das bedeutet auch, dass dann insofern auch erst mal der Beweis geführt werden muss, dass es überhaupt eines solchen zusätzlichen Instrumentes in der Terrorismusbekämpfung bedarf.