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DAU-Projekt in Paris
Langeweile statt Weltereignis

Das DAU-Projekt sollte in Paris ein regelrechtes Weltereignis werden. Doch daraus wurde nichts. Erst verschob sich die Eröffnung um einen ganzen Tag, dann gab es technische Probleme und lange Warteschlangen. In Berlin war das Projekt vorher schon gescheitert. Hat DAU jetzt auch in Paris versagt?

Von Jürgen König | 17.02.2019
    Nachbildung eines Schlafzimmers zur Zeit der Sowjetunion - Teil des Kunstevents "Dau" in Paris
    Nachbildung eines Schlafzimmers zur Zeit der Sowjetunion - Teil des Kunstevents "Dau" in Paris (Sabine Glaubitz/dpa)
    "Es war wirklich ein Erlebnis wie in der Sowjetunion", schrieb eine Besucherin auf Twitter, "man wartet stundenlang und dann geschieht nichts." Dem ist nur zuzustimmen: Nach wochenlanger Geheimnistuerei und vollmundiger Ankündigungen der Veranstalter, aber auch der Stadt Paris, passierte tatsächlich am Ende von drei Wochen – nichts.
    Das erklärte Ziel der DAU-Leute, den Besucher aus seiner gewohnten Zuschauerrolle herauszuholen und ihn stattdessen in die totalitäre "virtuelle Realität" eines nachgestellten Sowjet-Imperiums zu versetzen, ging in einem Maße daneben, dass einem nur noch Begriffe wie "peinlich", "desaströs", "hochstaplerisch" einfallen. Von einem "gigantischen Fiasko" schrieb die Tageszeitung "Le Figaro", und fasste damit die Tonlage nahezu der gesamten Pariser Presse zusammen.
    Auf den Spuren des russischen Physikers Lew Landau wollte der Regisseur Ilya Khrzhanovsky reales Leben der Sowjetzeit für den Besucher des 21. Jahrhunderts erfahrbar machen. Landaus Forschungsinstitut der 1930er-Jahre baute er nach. In originalem Ambiente ließ er dort drei Jahre lang rund 400 Wissenschaftler und Künstler, Köche, Fahrer, Friseure, Prosituierte zusammenleben. Sie spielten alle sich selbst.
    Gefilmt wurde echtes Leben unter stalinistischen Laborbedingungen. Realität und Spiel sollten so ineinander übergehen. Die Filme, die dabei entstanden, zeigen Szenen, die, bei allen Intimitäten und Gewalttätigkeiten, die es auch gibt, am Ende eben doch überwiegend alltägliche Lebensmomente abbilden. Und daher für den Zuschauer von heute vor allem eines sind: langweilig.
    Die Langeweile setzt sich fort
    Auch die nachgebauten sowjetischen Wohnzimmer, Schlafsäle, Flure, Küchen, Funktionärsbüros erlebt der Besucher - jenseits fataler Anwandlungen von Nostalgie - ausnahmslos als Kulissen, nachgestellte Museumsräume. Mögen die Requisiten auch noch so detailliert und originalgetreu zusammengesucht worden sein, mag die überall herumhängende Wäsche auch noch so muffig riechen, mögen in den alten Betten auch schlafende Menschen von heute in wiederum alten Kostümen liegen. Erzählen tut das alles gar nichts. Die Langeweile setzt sich fort.
    Die angebotenen "Gespräche", die man als Besucher in kleinen Kabinen etwa mit Priestern oder Psychologen führen kann, kommen über Banalitäten nicht hinaus. Die Örtlichkeiten nehmen dem Projekt vollends seine Wirkung: Das Théâtre du Châtelet und das Théâtre de la Ville sind zwei prächtige Theaterbauten aus der Mitte des 19. Jahrhunderts und derzeit für eine Grundsanierung zwei komplette Großbaustellen. Teilweise bis auf die Grundmauern zurückgebaut, wirken diese einstigen Monumente Pariser Großbürgertums ästhetisch wesentlich stärker als das nachgebaute Pseudo-Sowjetreich.
    Von einem "Weltereignis der Kultur" hatte der Kulturbeauftragte der Pariser Stadtverwaltung, Christophe Girard, noch wenige Tage vor der dann verschobenen Eröffnung des Projekts gesprochen. An dessen Ende ist festzustellen: Es war nicht mal ein "Ereignis der Kultur". Es war gar nichts. Die guten Götter und die Londoner Stadtverwaltung mögen ein Einsehen haben und das geplante Nachfolge-Projekt für die britische Hauptstadt absagen. Einzig Moskau wäre ein guter Ort für DAU.