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Daunenschlafsack oder Hightechfaser

Wer über Tage mit Rucksack und Zelt unterwegs ist, freut sich über jedes Gramm weniger Gewicht. Die Outdoor-Branche bietet ultraleichte Materialien - doch kann der Kunststoff beispielsweise mt der Daune mithalten? Und was schont die Umwelt mehr?

Von Thomas Wagner | 13.07.2012
    Das Zelt: "880 Gramm. Da passen gut zwei Personen hinein. Und es hat eine leichte Absiede vorweg."

    Die Jacke: "Also die Jacken, die wir jetzt hier präsentieren, wiegt unter 100 Gramm. 99 Gramm, um es ganz konkret zu sagen."

    Der Schlafsack: "Wir haben jetzt neue Schlafsäcke aufgenommen in unser Sortiment, die extrem leicht sind, ab 690 Gramm."

    Je leichter, desto besser – so bekommen es die Besucher auf der europäischen Fachmesse "Outdoor" dieser Tage von vielen Ausstellern zu hören. Und das hat damit zu tun, dass sogenannte Trekker, die über Tage und Wochen hinweg auf sich alleine gestellt in der Natur unterwegs sein wollen, bei der Ausrüstung um jedes Gramm feilschen.

    "Wenn man eine Tour unternimmt, zum Beispiel eine Alpenüberquerung, da ist wirklich jedes Gramm wichtig. Man muss das ja die ganze Zeit tragen. Und wir haben Kunden, die sogar Zuckerstückchen abwiegen, wie viele Zuckerstückchen sie mitnehmen, damit sie insgesamt Gewicht sparen. Dann ist es natürlich insgesamt wichtig, dass der Schlafsack dabei ist."

    ... sagt einer, der mit Herstellung und Produktion von Schlafsäcken sein Geld verdient: Markus Wiesböck ist Chef der "Kuschelschlafsack GmbH Gruezi-Bag", einem Kleinunternehmen im bayrischen Kolbermoor. Seine Schlafsäcke lässt er aus sehr leichten Mikrofasern aus Polyester fertigen. Aus einem ultraleichten Nylon-Gewerbe stellt der Münchner Hersteller Nordisk sein Zweimannzelt her, das nicht mehr als 880 Gramm wiegt. Deutschland-Geschäftsführer Werner Bloemer:

    "Das ist ein Nylon mit Silikonbeschichtung. Und so hat man da eine hohe Reißfestigkeit, eine Wasserdichtigkeit von 3000 Millimetern und trotzdem ein leichtes Gewicht."

    Doch das Beispiel zeigt auch: Ultraleichte Outdoor-Materialien auf Kunststoff-Basis haben ihre Tücken – beispielsweise dann, wenn es heiß wird:

    "Wenn's richtig drauf knallt, würde ich dann sowieso den Eingang offen lassen. Also wenn's wirklich drauf knallt, so 30, 35 Grad hat man dann schon da drin, klar."
    Ähnliches trifft auch auf die ultraleichten Schlafsäcke zu.

    "Da gibt es Schlafsäcke, die werden innen beschichtet, das heißt, ein kleiner Plastiküberzug drüber. Dann ist das Ding dicht, lässt aber den Dampf nicht mehr heraus."

    Erklärt Schlafsack-Hersteller Markus Wiesböck und versucht, diesen buchstäblich schweißtreibenden Effekt durch die Verwendung einer Mikrofaser, die enger verwoben ist, bei seinen Produkten zu minimieren.

    "Da kommt zwar kein Wasser rein, aber der Dampf kann raus. Das ist vom Klima her besser. Man schwitzt nicht so drin."

    Für Kai Steinbach vom Münchner Outdoor-Hersteller Yeti sind das Kompromisslösungen, denen er skeptisch gegenübersteht. Sein Unternehmen präsentiert eine gerade mal 98 Gramm schwere Outdoor-Weste. Das Basismaterial ist aber ein Naturprodukt: Daunen von Gänsen und Enten.

    "Wenn man auf das Thema 'Leichtgewicht' geht, kommt man an Daunen nicht vorbei. Weil Daunen das beste Gewichts-/Wärmeverhältnis haben, das es gibt. Also, da kommt keine Kunstfaser heran. Und Daunen halten bei entsprechender Pflege bis zu 30 Jahren. Das kann leider mit Kunstfasern nicht abgedeckt werden."

    Doch auch das Naturprodukt Daune als Basismaterial für Outdoor-Bekleidung gerät zunehmend in die Kritik. Das zeigt der Protest der Tierschutzorganisation "Vier Pfoten" am Rande der Outdoor-Messe in Friedrichshafen. Die Tierschützer klagen darüber, dass die Daunen häufig aus Gänsemastbetrieben stammen, in denen das verpönte Stopfen der Tiere erfolgt. Kai Steinbach verweist für sein Unternehmen darauf, dass man beim Bezug der Daunen solche Betriebe meide. Dies trifft aber nicht für alle Outdoor-Anbieter zu. Also doch lieber ultraleichte Materialien auf Kunststoff-Basis verwenden? Immerhin gilt dabei auch die Faustregel: Je leichter solche Materialien, desto umweltverträglicher sind sie. Warum das so ist, erklärt Jan Beringer vom baden-württembergischen Hohenstein-Institut für Textilforschung:
    "Wenn ich wenig Material brauche, um ein Material herzustellen, schon ich meine Ressourcen. Ich spare Transportkosten, weil das Ganze weniger wiegt. Und wenn ich es entsorge, muss ich natürlich auch weniger entsorgen. Unter dem Gesichtspunkt kann man sagen: Das hat schon eine gewisse Umweltverträglichkeit."