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Debatte in Brüssel
Wenig Chancen für Sommerzeit-Gegner

Am Sonntag werden in ganz Europa die Uhren eine Stunde zurückgestellt. Doch nicht alle Menschen freuen sich über eine Stunde mehr Schlaf. Seit Jahren kämpfen Kritiker gegen die EU-weit geregelte Zeitumstellung. Im Europaparlament wurde deswegen diese Woche erneut über die Sommerzeit diskutiert.

Von Sebastian Schöbel | 28.10.2016
    Eine Frau liegt in einem Bett und schläft. Sie liegt dabei auf dem Bauch und streckt einen Arm zur Seite aus.
    Studien belegen, dass viele Menschen gesundheitlich unter dem Drehen der Uhr Leiden. (imago stock&people)
    Gut möglich, dass sie in der EU-Kommission inzwischen Strohhalme ziehen, wenn es um das Thema Zeitumstellung geht. Wer den kurzen Halm erwischt, muss im EU-Parlament mal wieder erklären, warum es Sommer- und Winterzeit in der EU noch gibt. Obwohl viele Menschen den Sinn darin längst nicht mehr sehen.
    Wenn dem so ist, dann hatte nun Tibor Navracsics wohl einfach Pech: Der EU-Kommissar für Bildung, Jugend, Sport und Kultur musste dieses Mal ran - obwohl er mit dem Thema gar nichts zu tun hat.
    Also wiederholt Navracsics das, was die EU-Kommission zum Thema Zeitumstellung immer sagt, wenn das Thema auf der Tagesordnung steht: Kurzer historischer Exkurs zur Entstehung - 70er, Ölkrise, dazu der Wunsch, mehr vom Tag zu haben.
    Wichtig für die Funktion des Binnenmarktes
    Dann ein Schwenk zur EU-Richtlinie 2000/84, die ab 2001 die Zeitumstellung für die ganze EU festlegte - und seitdem gilt. Weil eine EU-weit geregelte Zeitumstellung wichtig für das Funktionieren des Binnenmarktes ist, v.a. bei Transport und Kommunikation. Wurde alles bereits untersucht, so Navracsics. Und wird es jetzt wieder, weil die Kommission darum gebeten wurde.
    "Aber es wäre spannend zu hören, welche Erkenntnisse das Parlament dazu hat", so Navracsics höflich. Was aus dem Diplomatischen übersetzt heißt: Na, dann erzählen Sie mal. Und Herbert Reul erzählt. Der CDU-Europapolitiker aus dem Bergischen Land ist Brüssels härtester Kämpfer gegen die Zeitumstellung. Ein Thema, das den sonst eher fröhlichen Reul echt auf die Palme bringt. Weil durch die Zeitumstellung z.B. nachweislich gar keine Energie gespart werde, so Reul.
    "Wenn keine Energie eingespart wird, warum dann die Menschen zweimal im Jahr mit so einer Umstellung nerven?"
    Viele Menschen leiden unter der Zeitumstellung
    Zumal viele Menschen gesundheitlich unter dem Drehen an der Uhr leiden, sagt Reul. Das hätten etliche Studien belegt, in vielen EU-Ländern gingen die Menschen inzwischen dagegen auf die Barrikaden.
    "Weil eine Maßnahme wie das zweimalige Umstellen der Zeit keinen Nutzen sondern nur Schaden für einen Großteil der Menschen bringt, dann wäre das Einfachste zu sagen: Lassen wir's doch einfach."
    Und Reul hat durchaus Unterstützer im Parlament, über die Parteigrenzen hinweg. Die Liberale Gesine Meissner z.B. schimpft: "Wir wollen das nicht mehr, dass die Zeit permanent umgestellt wird. Die meisten Menschen wollen das nicht, jedenfalls in Deutschland nach aktuellen Umfragen 73 Prozent. Warum die anderen das wollen, weiß ich nicht, ist aber auch egal. 73 Prozent ist eine deutliche Mehrheit."
    Auch Abgeordnete anderer Parteien schließen sich der Forderung an, bemängeln, dass die EU-Kommission Warnungen zu den Problemen der Zeitumstellung ignoriere.
    Doch der nicht einmal zuständige Kommissar Tibor Navracsics muss nach 60 Minuten Aussprache einfach nur höflich Danke sagen. Er erwähnt noch schnell eine laufende Studie in der Sache und darf gehen. Politischen Druck können die Sommerzeit-Gegner nämlich nicht ausüben. Kein Wunder: Ihr Thema ist das allerletzte auf der Agenda des Europaparlaments für diese Woche. Der Plenarsaal ist fast leer, die meisten EU-Abgeordneten sind längst auf dem Heimweg.
    Weswegen die Schlussworte von Arne Gericke von der Familien-Partei vielleicht am besten erklären, warum Sommer- und Winterzeit in der EU sobald nicht verschwinden werden.
    "Schaffen wir diese Zeitumstellung ab. Kein Mensch wird sie vermissen. Auch die, die heute nicht hier sind."