Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Debatte über Einwanderungsgesetz
Punktesystem, Stichtagsregelung oder Spurwechsel?

In der CDU bröckelt die Front derer, die gegen einen Spurwechsel in der Abschiebepolitik sind. Vor allem auf Landesebene plädieren Politiker dafür, gut integrierte Asylbewerber, die einer ordentlichen Arbeit nachgehen, nicht abzuschieben. Gegner befürchten, dass damit falsche Signale nach Afrika gesendet würden.

Von Christiane Habermalz | 17.08.2018
    Der Arbeiter hat einen blauen Schutzhelm mit Sichtschutz auf und flext den Rand einer Metallröhre.
    Der 26-jährige Asylbewerber Hamza Ahmed aus Somalia ist als Metallarbeiter in einer Firma in Fürstenwalde tätig (dpa /Patrick Pleul)
    Bereits in der kommenden Woche wollen SPD und Union die Grundzüge für ein Einwanderungsgesetz im Kabinett beraten, bis Ende des Jahres soll in Kraft treten. Ein ehrgeiziger Zeitplan – denn bis dahin wird noch einiges zu klären sein. Soll auch der sogenannte Spurwechsel, also die Möglichkeit, dass abgelehnte Asylbewerber hier bleiben dürfen, wenn sie einen festen Job haben und für ihren Lebensunterhalt aufkommen, in das Gesetz aufgenommen werden? Die SPD will sich dafür stark machen.
    "Wir wollen ein Einwanderungsgesetz, das Menschen, die hier arbeiten und sich integrieren, eine Chance gibt, hier zu bleiben", sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil der Rheinischen Post. Zuvor hatten die Bundestagsabgeordnete Eva Högl und Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, eine Stichtagsregelung ins Gespräch gebracht. Danach soll der Spurwechsel für diejenigen möglich sein, die sich bereits jetzt in Deutschland befinden.
    Forderung nach Stichtagsregelung
    Schwesig: "Insbesondere setze ich mich dafür ein, dass wir eine Stichtagsregelung bekommen, das heißt, wir haben viele Menschen die zu uns gekommen sind, die viele Jahre darauf gewartet haben, darf ich bleiben, darf ich nicht bleiben, das hat alles viel zu lnage gedauert. Zwischenzeitlich haben die Leute die Sprache gelernt, haben Arbeit, sind gut integriert, ihre Kinder gehen zur Schule."
    Erleichterte Einreise für qualifizierte Fachkräfte
    Das Eckpunktepapier, das Bundesinnenminister Horst Seehofer gemeinsam mit dem Wirtschaft- und Arbeitsministerium vorgelegt hat, sieht einen Spurwechsel bislang nicht vor. Stattdessen sollen qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland angeworben werden, insbesondere richtet sich das geplante Gesetz an Menschen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung, die in Deutschland anerkannt wird. Kriterien für die Einwanderung sollen zudem das Alter, Sprachkenntnisse und der Nachweis eines konkreten Arbeitsplatzangebotes in Deutschland sein. Außerdem soll es qualifizierten Ausländern erleichtert werden, zur Jobsuche nach Deutschland einzureisen. Die FDP begrüßt die Vorschläge, könnte sich aber durchaus noch mehr vorstellen. Sie vermisse ein modernes Einwanderungskonzept, dass klar zwischen politisch Verfolgten Asylbewerbern, Bürgerkriegsflüchtlingen und der wirtschaftlichen Migration unterscheide, kritisierte FDP-Generalsekretärin Nicola Beer im Morgenmagazin.
    "Und mir fehlt auch ein klares Punktesystem, das dann die wirtschaftliche Migration eben auch nach fairen, transparenten Regeln gestaltet, so dass sich jeder drauf einstellen kann, welche Qualifikationen ihn wie nahe an eine entsprechendes Aufenthaltsrecht in Deutschland bringen."
    Union gegen Punktesystem
    Ein solches Punktesystem nach kanadischem Vorbild hatten auch SPD und Grüne gefordert. Die Unionsfraktion im Bundestag lehnt das bisher ab – ebenso wie das Spurwechsel-Modell, das ursprünglich vom schleswig-holsteinischen Ministerpräsident Daniel Günther, CDU, ins Spiel gebracht worden war. Der CSU-Politiker Stephan Mayer, parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, machte deutlich
    "Dies wäre aus meiner Sicht das falsche Signal, weil es eine Einladung wäre an jedermann, insbesondere auch auf dem afrikanischen Kontinent, weil es insbesondere dann ja nicht mehr darauf ankommt, ob jemand überhaupt die Chance hat, als Flüchtling oder als Asylbewerber anerkannt zu werden, sondern es kommt dann ja nur darauf an, ob jemand bereit ist, sich in Deutschland zu integrieren. Und das wäre aus meiner Sicht der falsche Anreiz."
    Ähnlich äußerte sich im Deutschlandfunk auch Bernd Baumann, parlamentarischer Geschäftsführer der AfD im Bundestag. Doch in der CDU bröckelt die Front – vor allem auf Landesebene. Der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung:
    "Ich sehe keinen Grund, Menschen abzuschieben, die sich und ihre Familien gut integriert haben und einer ordentlichen Arbeit nachgehen." Und sein Parteikollege Holger Stahlknecht, Innenminister in Sachsen-Anhalt, will das Thema Spurwechsel bei der nächsten Innenministerkonferenz auf die Tagesordnung setzen.