Debatte über Impfstoff-ProduktionImpfstoff herstellen kann nicht jedes Chemiewerk
Es sei richtig, die Impfstoff-Produktion jetzt schnellstmöglich aufzustocken, aber leider nicht so einfach, kommentiert Wissenschaftsjournalist Volkart Wildermuth. Den Ruf nach Zwangslizensen findet er wohlfeil - denn konkrete Vorschläge gebe es von jenen, die diese forderten, bisher nicht.
Hören Sie unsere Beiträge in der Dlf Audiothek- Es ist sehr aufwändig, etwas so streng kontrolliertes wie einen Impfstoff herzustellen, kommentiert Volkart Wildermuth (AFP / Vincenzo Pinto)
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Erst wird gemeckert, dass die Zulassung nicht schnell genug geht. Und kaum wird geimpft, geht das Klagen weiter. Eine ungewöhnliche Kollation von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) über FDP-Chef Christian Lindner und die Gesundheitsexperten Karl Lauterbach (SPD) und Achim Kessler von den Linken rufen unterstützt von Wirtschaftswissenschaftlern: Es ist nicht genug da, die Regierung soll mehr kaufen, neue Produktionsstätten aus dem Boden stampfen, eine Krisen-, ja eine Kriegswirtschaft sei notwendig.
Nun handelt es sich da nicht um Neuigkeiten, seit Monaten ist klar: Impfstoffe fallen nicht vom Himmel. Wer sich jetzt beschwert, hätte das deutlich produktiver im Sommer getan. Aber da legte die Epidemie gerade eine Pause ein, Milliardenvorschüsse an Pharmaunternehmen wären vielleicht nicht so gut angekommen.
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Dafür braucht es Spezialisten
Dabei haben die EU und die Bundesregierung ja ordentlich Geld in die Hand genommen. Auch Dank ihrer Vorbestellungen konnten BioNTech und die anderen Unternehmen überhaupt den unerhörten Schritt tun, Produktionsanlagen schon vor der Zulassung auf Volllast zu fahren. Hätte es nicht geklappt, wären all die Fläschchen teurer Müll und die Dauerbeschwerer würden laut: "Verschwendung von Steuergeldern" rufen.
Jetzt die Produktion so schnell wie möglich aufzustocken, ist richtig, aber leider nicht so einfach. Impfstoffe sind die am strengsten regulierten Pharmaprodukte. Aus gutem Grund, sie werden schließlich Gesunden verabreicht. Jeder Produktionsschritt muss genehmigt, jede einzelne Charge vom Paul-Ehrlich-Institut abgenommen werden. Das kann nicht ein x-beliebiges Chemiewerk, dafür braucht es Spezialisten. Hier Abstriche zu machen, würde nur Impfbedenken fördern.
Im Übrigen hat BioNTech ja im September die ehemaligen Behringwerke in Marburg übernommen, einen Traditionsstandort. Im Frühjahr soll dort die Impfstoff-Produktion anlaufen.
(picture alliance/dpa/Reuters/Pool / Fabrizio Bensch)"Hersteller arbeiten intensiv daran, ihre Produktion auszubauen"
Lässt sich noch schneller noch mehr Corona-Impfstoff produzieren? Rolf Hömke vom Verband forschender Arzneimittelhersteller sagte im Dlf, Firmen wie Biontech täten längst, was die Politik von ihnen fordere: Partnerfirmen finden, um die Herstellung weiter zu beschleunigen.
BioNTech/Pfizer hätten Nachholbedarf
Wo sonst wäre das so schnell möglich? Bislang keine Vorschläge von Seiten der Bedenkenträger. Der Ruf nach Zwangslizenzen geht ins Leere, zumal die ja juristisch sauber ausbuchstabiert werden müssen. Bis dahin sind auch die Impfstoffe von Moderna und wohl auch Oxford/AstraZeneca am Start, dann dürfte der Mangel Geschichte sein.
Zumindest was Deutschland betrifft. Weltweit sieht die Sache anders aus. Hier haben BioNTech/Pfizer tatsächlich Nachholbedarf. Der Impfstoff der Universität Oxford/AstraZeneca wird längst vom Serum Insitute of India in Lizenz hergestellt, für ein paar Dollar pro Dosis. Das Mainzer Unternehmen verspricht hier Ähnliches, es fehlt aber noch an konkreten Vereinbarungen.
Hier könnte ein wenig Druck etwas bewirken, aber wenn es um die internationale Solidarität geht, sind die Klagewichte laut hörbar still.