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Debatte um Englisch an Grundschulen
"Freude an der Sprache bekommen"

Englischunterricht ab der ersten Klasse? In Nordrhein-Westfalen gibt es eine politische Debatte, ob das nicht doch zu früh ist. Die Lehrerverbände halten eine grundsätzliche Neuregelung jedoch für unnötig und begründen Probleme mit der "Personalausstattung".

Von Vivien Leue | 18.10.2017
    "Good Morning Mrs. Thiele how are you?"
    Es ist 9 Uhr morgens, zweite Schulstunde. Die Klasse 3b der Düsseldorfer Paulusschule hat gerade Englischunterricht.
    "Good Morning Mrs. Thiele how are you this special day…"
    Die acht- und neunjährigen Kinder lernen seit knapp zwei Jahren Englisch, denn in Nordrhein-Westfalen beginnt der Englischunterricht schon im zweiten Halbjahr der ersten Klasse.
    "What’s the weather like today?"
    "Cloudy."
    "A little bit cold."
    Spielerisches Lernen steht im Vordergrund
    Die Schüler können sich mit ihrer Lehrerin schon über das Wetter unterhalten, über ihre Gefühle, darüber, welche Tiere oder Farben sie mögen und was sie am liebsten in ihrer Freizeit machen.
    "Ganz im Vordergrund steht das spielerische Lernen, ganz viel Kommunikation", erklärt die Direktorin der Paulusschule, Monika Maraun, die Ziele des frühen Englischunterrichts.
    "Letztendlich bahnt die Grundschule das Sprechverstehen an, das Hören, die Grundschule legt so die Grundsteine für die englische Sprache."
    Ob das ausreicht und ob die Grundsteine schon ab der ersten Klasse wirklich gut gelegt werden – das wird von einigen Parteien in Nordrhein-Westfalen mittlerweile bezweifelt. Es könnten also Änderungen anstehen. Im Düsseldorfer Landtag sagte Schulministerin Yvonne Gebauer, FDP, vergangene Woche:
    "Ich halte es persönlich auch für notwendig, dass man sich Dinge, die vor fast zehn Jahren aktueller Stand der Erkenntnisse waren, heute noch einmal genau anschaut. Daher ist es auch richtig, zu prüfen, ob sich die damals damit verbundenen Erwartungen durch die gewählten und praktizierten Formen auch erfüllt haben."
    Im Mai kam eine Studie der Ruhr-Uni Bochum und der TU Dortmund zu dem Ergebnis, dass der frühe Englischstart in der ersten Klasse die Kinder nicht besser auf die Fremdsprache vorbereite – im Gegenteil: Kinder, die Englisch erst ab der dritten Klasse lernten, schnitten einige Jahre später in dem Fach besser ab, als Schüler, die schon in der ersten Klasse mit Englisch konfrontiert wurden. Aber: Die Studienautoren sagten auch, wenn das pädagogische Konzept stimmt, könne auch früher Englischunterricht sinnvoll sein.
    Forderung der AfD-Fraktion im Landtag
    Die AfD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag fordert mit Blick auf diese Studie dennoch, Englisch künftig in der Grundschule ganz abzuschaffen und dafür Deutsch und Mathe zu stärken.
    Das lehnen die anderen NRW-Parteien zwar ab. Aber Verbesserungen könnte es geben, sagt der schulpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Jochen Ott,
    "In einer globalisierten Welt, in unserem gemeinsamen Europa, dass die Kinder sehr früh Englisch lernen, mit den Begriffen vertraut werden, das ist völlig in Ordnung. Ob die Lehrpläne in Ordnung sind, ob da was angepasst werden muss, ist eine ganz andere Situation. Deshalb kann man das evaluieren und sich angucken."
    Die Lehrer-Verbände schütteln angesichts dieser erneuten Lehrplan-Diskussionen den Kopf. Es gebe weitaus drängendere Probleme, heißt es von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, und der Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung, Udo Beckmann, erklärt:
    "Es braucht vor allen Dingen eine vernünftige Personalausstattung, es braucht vernünftige Rahmenbedingungen, damit die Lehrkräfte in den Grundschulen auch ihre Arbeit vollbringen können."
    Mehr Personal, bessere Ergebnisse
    Dann, wenn man sich voll und ganz auf die Kinder und den Unterricht konzentrieren könne, funktioniere es auch mit dem Englisch sehr gut, sagt Schuldirektorin Monika Maraun:
    "Man merkt zunehmend, wie die Kinder auch Sachen wiedererkennen, wie sie reagieren auf Aufforderungen, wie sie was umformulieren, oder oder. Und ich glaube es wäre sehr tragisch, wenn man das jetzt wieder zurückschrauben würde."
    Der Englischunterricht an Grundschulen solle die Kinder nicht zur Zweisprachichkeit bringen, sondern Grundsteine legen, erklärt auch VBE-Chef Beckmann:
    "Es geht gar nicht darum, dass Kinder schon fix und fertig Englisch schreiben können, wenn sie am Gymnasium ankommen, sondern es geht darum, dass sie die Freude an der Sprache bekommen, und da ist der Einstieg in der ersten Klasse aus meiner Sicht weiterhin der richtige."