Donnerstag, 28. März 2024

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Debüt-Album von Faber
"Sei ein Faber im Wind"

Die Kritiker sind sich einig: Für ein Debüt ein überdurchschnittliches reifes Album, das in der eigenen Song-Lyrik schwelgt. Der Schweizer Singer-Songwriter mit dem Künstlernamen Faber singt über kaputte männliche Egos, Stolz und Aggression. Wie er es geschafft hat, dass die Swisscom sein CD-Projekt mitfinanzierte, erläuterte der 23-Jährige im Interview für Corso.

Julian Pollina im Interview mit Sascha Ziehn | 15.07.2017
    Faber mit Gitarre und Kopfhörern vor einem Mikrofon im Studio
    Der Schweizer Singer-Songwriter Faber im Studio (Deutschlandfunk Nova)
    Sascha Ziehn: Es darf wieder so ein bisschen rotzlöffeliger werden, in der deutschsprachigen Musik, in Hamburg würde man sagen "kodderiger": Direkte Sprache, einfach aussprechen, was man sagen will, ohne irgendwelche kunstvollen Wortbilder zu malen. Da passt Julian Pollina gerade ganz gut rein, unter dem Namen "Faber" hat er letzte Woche sein erstes Album veröffentlicht - inspiriert von versoffenen Chansonniers wie Jacques Brel oder Fabrizio de André. "Sei ein Faber im Wind" heißt das Album - wir hatten die Gelegenheit, mit Faber zu sprechen und haben ihn als erstes mal gefragt, woher dieser Künstlername eigentlich kommt, Faber?
    Julian Pollina: Ich hab in dem Moment, wo ich mir das ausgedacht habe, gedacht: Ja, yo, ich such mir die Geschichte dazu später aus. Der Name passt mir jetzt gerade ganz gut und hab da schon Potenzial gesehen für gewisse Stories. Und ich wusste auch, dass da irgendwie jemand vielleicht Max Frisch sagen wird, der ja so die wichtigsten Schweizer Romane geschrieben hat. Und ich fand, dass das Leute auch ganz gut denken sollen, dass ich daher den Namen habe, weil es auf jeden Fall eine gute Referenz ist.
    "Wir ziehen alle paar Monate um. Wir wohnen in Abrisshäusern."
    Ziehn: Sie leben in Zürich. Und immer, wenn ich mal in Zürich bin, denke ich, es gibt irgendwie keine Stadt in der das Geld so offensichtlich auf der Straße rumläuft wie in Zürich. Wie ist das, wenn man da lebt?
    Pollina: Also dadurch, dass die Stadt halt so extrem teuer ist, kann es sich es halt kaum noch jemand erlauben, da zu wohnen. Natürlich, man verdient auch sehr, sehr viel. Gerade wenn man das in Deutschland so erzählt. Keine Ahnung, 18 Franken die Stunde ist schon so für einen Kellner-Job schon fast wenig. Und da denkt man in Deutschland: Woah, shit ey, ich muss auch da hin gehen. Da werde ich mega reich. Aber damit hat das halt nix zu tun. Du zahlst halt auch für ein Getränk im Club schon so 16, 18, 20 Euro. Und das gleitet dann total aus. Ich finde es eigentlich katastrophal, wie das da geregelt wurde. Dass die Stadt zum einen immer teurer wurde, ist eine Sache. Aber dass die Stadt überhaupt nichts unternimmt dagegen, dass die Mieten so krass sind und dass sich eigentlich junge Leute da unmöglich … Wir ziehen alle paar Monate ziehen um. Wir wohnen in so Abrisshäusern. Die sind dann nicht hässlich oder so, die sind einfach, weil der Boden so viel wert ist, … Die reißen die ab und bauen was Neues drauf, wenn die dürfen. Und ich finde die Stadt sollte da einfach viel mehr … Die besitzt kaum Wohnungen mehr. Ich glaube, Wien hat sich irgendwie einfach zu 75 Prozent der Wohnungen gekauft. Also die Stadt. Das ist halt mega geil. Die kann halt einfach für Durchmischung sorgen. Und so etwas bräuchte es halt bei uns auch.
    Ziehn: Wie ist das als Musiker? Also wie ist so die Musikszene? Gibt es da viel? Hat man als junger Musiker Möglichkeiten?
    Pollina: Joa, Zürich bietet schon sehr viel an. Also für eine kleine Stadt, wir haben so 400.000 Einwohner, kannst du jeden Abend Theater gucken, jeden Abend in die Oper, jeden Abend Konzert sehen. Das ist eigentlich schon ganz gut. Was mir ein bisschen fehlt, ist, dass gerade, weil sich Zürich auch sehr, sehr international sieht, fehlt es manchmal fast so ein bisschen - wie soll ich sagen -, das Eigene zu unterstützen. Und das macht es dann eben wieder mega provinziell. Weil man denkt halt so: Ja, wir sind so international. Wir dürfen dürfen nur Indie-Bands aus England oder Trap aus Atlanta und - keine Ahnung - Techno aus Berlin hören. Dabei gibt es auch in Zürich gute Sachen. Sozusagen selbst gemachte Sachen. Eigene Künstler. Und die werden dann nicht besonders unterstützt.
    Crowdfunding - die Swisscom ausgetrickst
    Ziehn: Sie haben Ihre erste EP über Crowdfunding finanziert. Wie fühlt sich das eigentlich an, wenn so eine Kampagne läuft? Guckt man dann irgendwie dauernd ins Netz, um zu gucken, wie viel Zaster da schon zusammengekommen ist?
    Pollina: Bisschen schon. Aber ich habe auch, ich muss zugeben, eigentlich … Es war so, dass die Swisscom, also die Schweizerische Telekom, die hat so einen Booster von 3000 Franken freigegeben. Die hat gesagt: Der erste, der 3000 bei seinem Crowdfunding-Projekt hat, dem dem schenken wir auch 3000. Ich dachte so: Ich hab 3000! Ich lade die einfach selber schnell hoch und dann hole ich mir den Booster da. Und dann habe ich das gemacht, also selber einbezahlt, mir dann diesen Boost geklaut. Und dann war das schon ein Selbstläufer. Dann haben einfach andere Leute auch noch eingezahlt. Das war ganz nett. Aber eigentlich ging es mir vor allem um das Geld der Telekom.
    Ziehn: Aber hat man eigentlich auch eine andere Art der Verbindung zu diesen Leuten, die da mitfinanziert haben? Weil das geht ja schon so ein bisschen über dieses normale Fan-Sein hinaus, weil man ja auch so ein bisschen als Geldgeber Teil des Projekts ist. Ist das so eine andere Verbindung dann zu diesen Leuten, die da mitgemacht haben?
    Pollina: Hm, ja. Ich glaube, ich habe die meisten da über eine Ecke gekannt, das ist ja sowieso noch mal eine andere Verbindung. Aber grundsätzlich schon. Das ist schon eine super Sache, dass das möglich ist. Ich gucke jetzt auch immer wieder, was es so zu unterstützen gibt oder was es für geile Projekte gibt. Und du bist halt ein bisschen Teilhaber oder so.
    "Dann passiert es schon oft, dass einfach alle losheulen"
    Ziehn: Sie haben angefangen mit Hochzeits- und Restaurantauftritten. Ist das so die ganz harte und dreckige Schule für Musiker, von der man dann am Ende aber doch profitiert?
    Pollina: Also erst mal: Man profitiert auf jeden Fall. Du lernst wirklich, mit verschiedenem Publikum umzugehen und verdienst ein bisschen Geld, lernst ein bisschen, dich einzuschätzen. Du spielst halt, wenn du Glück hast, sehr, sehr schnell schon viel. Hart und dreckig würde ich jetzt nicht unbedingt sagen. Also gerade Hochzeiten, da ist das schon sehr, sehr berührend auch. Also du hast halt Leute, die emotional extrem aufgeladen sind. Und wenn du denen was singst, obwohl du die nicht kennst, dann passiert schon oft, dass einfach alle losheulen und so. Das ist schon extrem was Schönes. Und deshalb: Hart würde ich jetzt nicht sagen. Klar Restaurants - das mach nicht immer unbedingt Spaß. Aber Geburtstage und Hochzeiten, da sind auch ganz viele gute Erinnerungen dabei.
    "Auf der Bühne mit solchen Leuten zu stehen, das gibt ein Gefühl der Unsterblichkeit"
    Ziehn: Ich finde ja, Ihre Musik hat immer so ein bisschen lateinamerikanische Rhythmen mit eingebaut. Woher kommt dieser Einschlag?
    Pollina: Ja ich glaube, wir haben fast schon als Vorbereitung immer ganz viel Weltmusik gehört, ganz viel eben so kubanische Sachen, ganz viel Balkan-Sachen. Das hört man auf jeden Fall. Aber das ist nur, wie wir halt aufgebaut sind. Dass wir kein echtes Drum haben, wir nur so eine Basedrum und dann ganz viele Trommeln und so. Ich glaube, da passiert schon der erste Schritt, dass es nie so nach einem klassischen Rocksong klingt oder Popsong.
    Ziehn: Ich habe mich eh gefragt: Bei vielen Künstlern spielt die Qualität der Musiker, mit denen man da Musik macht, gar nicht mehr so eine riesengroße Rolle. Vor allem natürlich im Pop, wo das meiste sowieso aus dem Rechner kommt. Wie wichtig ist das für Sie und Ihre Musik, mit wirklich richtig guten Musikern zusammenzuarbeiten?
    Pollina: Das ist extrem wichtig. Also nicht nur für die Qualität der Musik, sondern auch einfach: Wenn du auf der Bühne stehst mit solchen Leuten, das gibt ein Gefühl der Unsterblichkeit. Du weißt, es kann egal was … Du kannst umfallen, dir das Bein brechen. Egal. Die regeln die Show auch ohne dich. Das ist echt super angenehm. Und natürlich: Ich glaube, es kommt immer darauf an, auch wenn viele Sachen aus dem Rechner oder so kommen, das muss ja auch irgendwo geil produziert sein, das muss megageil klingen. Das müssen auch gute Leute machen. Sonst wirkt es halt platt. Bei uns ist natürlich alles gespielt, aber das ist mehr eine Stilfrage.
    "Ein bisschen Mythenbildung"
    Ziehn: Fabrizio de André oder Jacques Brel sind jetzt nicht die allernaheliegendsten musikalischen Vorbilder für einen Teenager. Wie sind Sie anderen Musik geraten und was hat Sie daran so begeistert?
    Pollina: Ich muss auch sagen, dass das auch einfach so ein bisschen zur Mythenbildung gehört. Es ist jetzt nicht so, als hätte ich nur das gehört oder so. Oder die ganze Zeit nur so Chansons. Ich habe ganz normal auch … So 2007 musste man ja nur auch die Arctic-Monkeys-Platte hören und dann drei Jahre nur das. Und 2016 Kanye West oder so. Aber natürlich: Ich glaube, das ist einfach ein Einschlag, den ich habe, den viele andere nicht haben. Wo andere vielleicht Bob Dylan oder so sagen würden. Ich kenne das schon von zu Hause, würde ich sagen. Und ich finde es geil, wie sehr zum Beispiel bei Jacques Brel, wie sehr das ausbrechen darf und einfach ohne Angst zu haben, dass es irgendwie kitschig oder pathetisch oder so ist. Der ballert einfach voll seine Show durch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.