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Defizit
Krankenkassenbeiträge könnten steigen

Die gesetzlichen Krankenversicherungen dürften im ersten Halbjahr ein Defizit von rund einer halben Milliarde Euro gemacht haben. Teure Medikamente, Tarifsteigerungen bei Ärzten, Mehrkosten in Krankenhäusern - Gründe gibt es viele. Jetzt wird über den zu erwartenden Zusatzbeitrag spekuliert.

Von Benjamin Hammer | 25.08.2015
    Ohne Foto bald nicht mehr gültig: Die Gesundheitskarte
    Die Gesundheitsversorgung in Deutschland wird immer teurer. (dpa/picture alliance/Harald Tittel)
    Das Medikament Sovaldi kann Menschenleben retten. Es ist relativ neu auf dem Markt, hilft einem Teil von Menschen mit Hepatitis C - und: Es ist sehr, sehr teuer. 500 Millionen Euro pro Jahr, so schätzen die gesetzlichen Krankenkassen, kostet die Kassen allein dieses Medikament.
    Sovaldi ist damit ein Grund von mehreren, warum für Patienten in Deutschland die Beiträge für die Krankenkassen steigen könnten. Der Hintergrund: Die gesetzlichen Krankenversicherungen geben mehr Geld aus, als sie einnehmen. Im ersten Halbjahr 2015 dürften sie einen Verlust von 500 Millionen Euro gemacht haben. Das berichten unter anderem das "Handelsblatt" und die "FAZ". Florian Lanz, Sprecher des GKV Spitzenverbandes.
    "Die Medienberichte zeichnen ein durchaus realistisches Bild. Wir gehen davon aus, dass es im ersten Halbjahr ein Defizit von rund einer halben Milliarde Euro gegeben hat. Exakte Zahlen allerdings wird es erst in der kommenden Woche geben. Wenn das Bundesgesundheitsministerium aus verschiedenen Quellen die Zahlen zusammengefasst hat und auch veröffentlichen wird."
    Es gibt noch weitere Gründe für das Defizit bei den gesetzlichen Kassen. Tarifsteigerungen bei Ärzten gehören dazu, Mehrkosten in Krankenhäusern, mehr Geld für niedergelassene Ärzte. Den SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach haben die Verluste der Kassen nicht überrascht.
    "Das ist erst der Beginn der Kostensteigerung im Bereich der Pflege. Bei den Ärzten haben wir das zum Teil schon in den Kliniken gesehen. Und die Hausärzte werden wir auch nur zusätzlich gewinnen, weil wir haben ja einen Hausarztmangel in einigen Landteilen bereits, werden wir dort mehr ausgeben. In sofern: Der Druck kommt und reflektiert auch die demografische Veränderung im Land."
    Spekulationen über Höhe des Zusatzbeitrages
    Und dieser Druck dürfte nun auch bei den Patienten ankommen. Seit Anfang des Jahres können gesetzliche Krankenkassen einen sogenannten Zusatzbeitrag erheben. Dieser liegt im Schnitt bei aktuell 0,9 Prozent. Das bedeutet, dass der gemeinsame Beitrag von Arbeitnehmern und Arbeitgebern im Schnitt 15,5 Prozent des Bruttolohns beträgt. Die Besonderheit: Der Zusatzbeitrag wird nur von den Arbeitnehmern, nicht jedoch von den Arbeitgebern getragen. Sollte der Zusatzbeitrag also steigen, würde dies allein die Arbeitnehmer treffen. Schätzungen reichen von Steigerungen um 0,3 Prozentpunkte im kommenden Jahr, bis zu einer Verdoppelung in den kommenden vier Jahren. Karl Lauterbach sieht Handlungsbedarf.
    "Die gesamte wirtschaftliche Belastung, die mit der Demografie einhergeht, das wäre dann alleine von den Mitgliedern zu bezahlen. Nicht mehr von den Arbeitgebern. Das halten die Mitglieder nicht lange durch. Das ist klar, dass diese Beitragssätze dann den Einzelnen überfordern würden. Da sind wir in der Politik in der Bringschuld. Dahingehend, dass wir den Arbeitgeberbeitrag wieder paritätisch gestalten müssen. So dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer die zusätzliche Last zur Hälfte bezahlen."
    Beim Koalitionspartner stößt Lauterbachs Vorstoß auf Ablehnung. Georg Nüßlein, CSU, Vize der Unions-Fraktion im Bundestag.
    "Letztendlich geht es um Arbeitsplätze und Arbeitskosten an der Stelle. Es war die Idee der rot-grünen Bundesregierun, das damals so zu machen. Eben aus Rücksicht auf Arbeitsplätze. Und ich halte es immer noch für durchaus richtig auf diese Arbeitsplätze noch Rücksicht zu nehmen."
    Das Bundesgesundheitsministerium wollte sich zu der aktuellen Diskussion nicht äußern. Offizielle Prognosen über den Zusatzbeitrag soll es erst im Herbst geben.