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"DeineGeschichte.de" ist Bildungsidee des Jahres

Das Online-Bildungsportal DeineGeschichte.de hat den bundesweiten Wettbewerb "Ideen für die Bildungsrepublik" vom Bundesministerium für Bildung gewonnen. Das vom Berliner Verein Lichtschliff/Kooperative initiierte Portal geht mit modernen Medieninhalten auf die deutsche und europäische Geschichte ein.

Von Jürgen König | 09.08.2012
    Auch ein Donnergrollen gehört zu den Sounds von "Deinegeschichte.de", wo in einer Art journalistischem Grundkurs nicht nur gezeigt wird, wie man historische Themen findet und recherchiert, sondern auch, wie man daraus Texte, Interviews, Reportagen, Porträts macht; Aufnahmegeräte und Kameras werden erklärt, Audio- und Videoschnitt - jeder kann auf "Deinegeschichte.de" lernen, Radio- und Filmbeiträge zu machen - mit Sounds und Atmos zur deutschen Geschichte.

    Wir sind das Volk.

    Oliver Baumann, Begründer und Projektleiter von "Deinegeschichte.de":

    "Genau darum ging es uns eben, nicht nur Geschichte zu vermitteln, das können die Lehrer zum größten Teil viel besser als wir, wir ergänzen nur, aber vor allem eben ihnen Handwerkszeug an die Hand zu reichen, wie Geschichte spannend werden kann. Also wenn die Jugendlichen zu Geschichtsreportern werden, haben wir die Erfahrung gemacht, wenn sie mit Kamera arbeiten, mit Mikrofon arbeiten, dann fangen sie an, Spaß zu haben, und wenn sie Spaß haben, sind sie dabei, interessieren sich und können sich die Sachen auch gut merken."

    "Deinegeschichte.de": ein Portal, das jungen Menschen - aber nicht nur ihnen - die deutsche und europäische Geschichte multimedial näher bringen möchte. Das scheint auch dringend nötig zu sein, zeigte doch eine Studie des Frühsommers, wie erschreckend gering das zeitgeschichtliche Wissen sehr vieler deutscher Schüler ist. Das Fach "Geschichte" ist wenig attraktiv, das jetzt ausgezeichnete Projekt "Deinegeschichte.de" will dem abhelfen.

    Das Portal stellt für die Schulen "klassische" Unterrichtsmaterialien wie Arbeitsblätter und Dokumente bereit; vor allem aber geht es darum, die Medienkompetenz von Lehrenden und Lernenden zu verbessern. Die Schüler werden animiert, in der eigenen Umgebung geschichtsträchtige Orte aufzusuchen, Zeitzeugen zu finden, Interviews zu führen und daraus etwas zu machen. Alle in den Schulen entstandenen Beiträge, Umfragen, Reportagen, alle Interviews der Schüler, oft an historischen Orten geführt, zeigt Deinegeschichte.de. Dazu Stücke professioneller Autorinnen und Autoren: ein umfangreiches Zeitzeugenportal, bedrückende wie auch komische Erzählungen.

    Frau
    "Alles, was ich fragte, gabs nicht mehr. Gulasch ist aus, Hefeklöße sind aus, Sauerbraten ist aus..."

    "Was haben Sie denn noch zu essen?"

    Und die Kellnerin antwortet ganz schnippisch:
    "MS mit BW!"

    Und ich sag:
    "Was ist denn das?"

    Da sagt sie:
    "Weiß doch jeder: Mayonnaisesalat mit Bockwurst!"

    Gregor Seebacher, vom Evangelischen Gymnasium Hermannswerder, ist sehr angetan vom Konzept der "Geschichtsreporter".

    "Ich habe erlebt, dass die Schüler da engagiert arbeiten, sie lernen auch, im Team zu arbeiten, gegenseitig Ideen aufzunehmen und vor allen Dingen: sie erfahren tatsächlich Geschichte aus ihrem Umfeld, das ist ja auch beim Konzept dabei, und das bleibt, das merkt man, wenn man die Jahre später noch mal spricht: Da erinnern sie sich dran. "

    Das bestätigt Tom Dahlke von der Bertha-von-Suttner-Oberschule in Berlin.

    "Normalerweise wird einem immer selbst was erzählt und man muss das wiedergeben, was einem erzählt wurde. Das ist da ein wenig anders, auch wenn der Fokus auf das Produzieren der Jugendlichen an sich ein bisschen verloren gegangen ist, finde ich es trotzdem gut, dass es darum geht, dass die ,Jugendlichen selbst was machen und nicht immer das wiederholen, was ihnen schon gesagt wurde."

    Bei der Preisverleihung wurde "Deinegeschichte.de" als Beispiel dafür gewürdigt, wie historisch-politische Bildung für Jugendliche im 21. Jahrhundert aussehen sollte. Der Geschichtsdidaktiker Christoph Kühberger von der Pädagogischen Hochschule Salzburg:

    "Das Interessante an Geschichte sind nicht die Daten und Fakten. Das Interessante an Geschichte ist die Bewertung dieser Daten und Fakten und das Kontextualisieren mit meinem eigenen Leben, mit meinen eigenen Erfahrungen und mit der Gesellschaft, in der ich lebe."

    Doch genau für diese Bewertung und die Kontextualisierung der Geschichte mit dem eigenen Leben, so Christoph Kühberger, sei im Geschichtsunterricht nach wie vor viel zu wenig Zeit, und auch ein wirkliches Bewusstsein dafür gäbe es noch kaum. Leider könnte der Weg, den das Portal "Deinegeschichte.de" geht, zur Sackgasse werden: Denn die Projektförderung der Bundesstiftung Aufarbeitung läuft zum Ende des Jahres aus - und kann nicht verlängert werden.