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Dem Mörder auf der Spur

Für die Spurensicherung der Polizei stellen Fingerabdrücke, die ein Verbrecher auf Gläsern, Metall oder Papier hinterlassen hat, kein Problem dar: Sie lassen sich vergleichsweise einfach abnehmen und vergleichen. Bei einem Mord sind oft aber auch auf der Leiche selbst Abdrücke vorhanden. Sie nachzuweisen, ist aber ungleich komplizierter. Im Rahmen des EU-Projektes "Fingerspuren auf Leichenhaut und Fremd-DNA" suchen europäische Kriminaltechniker die besten Methoden.

Von Mirko Smiljanic | 23.04.2008
    Der Tatort, nachdem die Spurensicherung schon da war
    Der Tatort, nachdem die Spurensicherung schon da war (Stock.XCHNG / Nate Nolting)
    Kein schönes Bild, das sich den Polizeibeamten bietet: Eine Frau, Alter etwa 45 Jahre, liegt tot im Bett, um den Hals rötliche Würgemale, das Gesicht leicht blau gefärbt, in den Bindehäuten punktförmige Einblutungen. Tod durch Erwürgen konstatiert der Gerichtsmediziner und ein Kriminaltechniker fügte mit Blick auf die Hämatome am Kehlkopf hinzu, dass der Täter ja möglicherweise Fingerabdrücke auf der Haut des Opfers hinterlassen hat. Möglicherweise, denn Fingerspuren auf Leichenhaut nachzuweisen ist kompliziert:

    " Denn es ist ja biologisches Material auf biologischem Material, die Haut ist ja auch ein Substrat, das natürlich aus Zellen besteht, aus DNA besteht, "

    sagt Peter Schneider, Professor für forensische Genetik am Institut für Rechtsmedizin der Universität zu Köln. Fingerspuren lassen sich mit Kontrastmitteln sichtbar machen, die auf Haut aber nicht richtig funktionieren, weil es überall Gewebe und Zellen, Fett- und Proteinspuren gibt. Fingerabdrücke mit Rußpulver einzupinseln macht wenig Sinn, da die gesamte Haut fettig ist und nicht nur der eng umgrenzter Fingerabdruck. Ganz anders sieht es aus beim genetischen Fingerabdruck. Wer etwas anfasst, hinterlässt Hautzellen. Diese Hautzellen reichen für Gentests - zumindest in vielen Fällen, nicht aber in allen! Wissenschaftler des Forensic Science Service in Großbritannien haben herausgefunden:

    " Dass also einzelne Probanden regelmäßig sehr viel DNA-Spuren hinterlassen haben, während andere Probanden dies nicht gemacht haben und sehr wenig DNA-Spuren hinterlassen haben. Und man vermutet hier, dass es sich möglicherweise auch um eine genetische Eigenschaft handeln könnte, und das hängt wahrscheinlich damit zusammen, wie schnell sich die Hautzellen erneuern und in welchem Stadium sie abgeschilfert werden. Die Epithelzellen unterliegen einer ständigen Erneuerung, sie wachsen von unten nach oben, die oberste Schicht verhornt, und werden als kleinste Hautschüppchen abgegeben. "

    Manche Menschen fassen etwas an und hinterlassen eine vergleichsweise dicke Zellschicht, bei anderen bleibt alles sauber. Um eine fremde DNA auf Leichenhaut nachzuweisen, sind aber möglichst viele Zellen notwendig. Immerhin hantiert der Gentechniker mit einer Zell-Mischung von zwei unterschiedlichen Menschen:

    " Und die Systeme verhalten sich in der Analyse so, dass wir nur dann eine Beimischung finden, wenn sie mehr als fünf bis zehn Prozent beträgt an der Mischung, wenn sie weniger als diesen Betrag entfällt, dann geht sie verloren und kann nicht mehr nachgewiesen werden. "

    Gibt nun der Täter zufälligerweise viele Zellen ab, sind die Probleme noch nicht beseitigt. Die nächste Frage heißt: Wie lassen sich die Zellen des Opfers von denen des Täters trennen?

    " Man könnte halt versuchen, einen leichten Abklatsch zu machen mit Klebefolie, wo man dann darauf hoffen könnte, dass primär die aufgelagerte Hautzellen abgenommen werden, während die noch mit der Oberfläche verbundenen Zellen zurückbleiben, sodass man dann einen Selektionseffekt hat in Bezug auf die locker anhaftenden Hautzellen der Fremdperson. "

    Anschließend - fährt Peter Schneider fort - müsse man die Hautpartikel unter dem Mikroskop einzeln absammeln, typisieren und mit dem Genotyp der Leiche vergleichen. Was aber eine wahre Sisyphusarbeit sein kann, die viele hundert Analysen erfordert und entsprechend teuer ist.

    " Und dann könnte ich mir vorstellen, dass es im Moment nicht unbedingt die hohe Priorität hat, hier tagelang nach Hautpartikeln zu suchen, wenn andere Dinge doch wichtiger sind. "

    So wie im Fall der Mittvierzigerin: Der Täter hatte vor dem Mord mit ihr Wein getrunken - seine Fingerabdrücke auf Glas und Flasche nachzuweisen, war ein leichtes Spiel!

    Das EU-Projekt "Fingerspuren auf Leichenhaut und Fremd-DNA" ist fast abgeschlossen. Im Oktober werden die Resultate veröffentlicht.