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Dem Tode geweiht?

Internet.- Mit HTML 4.1 wird derzeit noch eine Version genutzt, die über zehn Jahre alt ist, also quasi aus dem letzten Jahrtausend stammt. Was HTML5 bringen wird und ob es das Ende für Adobes Flash einläutet, erklärt Wissenschaftsjournalist Achim Killer im Interview mit Manfred Kloiber.

10.04.2010
    Manfred Kloiber: Tatsächlich arbeiten schon etliche Browser mit HTML5, obwohl ihn das zuständige Normengremium, das World Wide Web Consortium, W3C, erst in den nächsten Jahren standardisieren will. Herr Killer, ist denn ein neuer Web-Standard wirklich nötig?

    Achim Killer: Ja, auf jeden Fall. Der aktuelle Standard HTML 4.1 stammt ja noch aus dem Jahr 1999, also wenn man so will aus dem letzten Jahrtausend. Und seitdem hat sich nun wirklich einiges getan im Internet. 1999 gab’s noch kein YouTube und keine Podcasts. Wikipedia und Facebook waren noch nicht gegründet. Also all das, was das moderne Web ausmacht, wie wir’s heute kennen, gab’s damals noch nicht. Der Standard ist seitdem gleich geblieben. Das Web hat sich verändert. Und das hat natürlich proprietären Technologien wie Adobes Flash Tür und Tor geöffnet.

    Kloiber: Warum blieb denn dieser HTML-Standard so lange unverändert?

    Killer: Naja. Am Anfang gab es keinen rechten Grund, etwas zu ändern. Wir erinnern uns: Vor zehn Jahren, da hat Microsoft gerade Netscape von der Platte geputzt. Und war anschließend praktisch Monopolist. Und wenn es de facto nur einen Browser gibt, dann braucht man den nicht zu standardisieren. Microsoft hat den Internet-Explorer auch kaum noch weiterentwickelt, nachdem die Konkurrenz durch den Netscape-Navigator ausgeschaltet war. Also am Anfang bewegte sich technologisch erst einmal gar nichts. Und das W3C hat auch eine sehr unglückliche Rolle gespielt. Es hat versucht, HTML in Richtung XML zu entwickeln, in Richtung Extensible Markup Languguage. Das ist eine andere Auszeichnungssprache, eine sehr hochstehende, die aber mit der Wirklichkeit des Web nur sehr wenig zu tun hat. Der Anstoß zu HTML5 ist denn auch nicht vom World-Wide-Web-Consortium selber gekommen, sondern von der Web Hypertext Application Technology Working Group um die Mozilla Foundation, Apple, Opera und Google. Die haben darauf gedrängt, dass ihre Anforderungen an ein modernes Web endlich umgesetzt werden.

    Kloiber: Um welche Anforderungen geht es denn? Geht es nur um Video?

    Killer: Nein, die Einbettung von Video ist nur die augenfälligste Neuerung. So ein Browser ist heute ja, was früher die Kommandozeile war, also man bedient Anwendungsprogramme darüber, Web-Anwendungen. Und deshalb befasst sich HTML5 beispielsweise auch mit einem Cache für Programm-Code, damit auf mobilen Endgeräten eine Anwendung weiterlaufen kann, auch wenn die UMTS- oder WLAN-Verbindung gerade schwächelt. Eine grafische Umgebung etwa für Browser-Spiele wird standardisiert und etliches andere mehr. Web-Anwendungen kann man natürlich auch heute schon fahren. Aber man braucht meistens proprietäre Plug-ins dafür. Der Flash-Player ist nur eines davon. Andere sind etwa Microsoft Silver- und Moonlight oder Gear von Google.

    Kloiber: Welche Interessenten oder Interessen stehen denn hinter HTML5?

    Killer: Also Google will ganz klar, dass Anwendungen vom Desktop ins Web wandern und dass das problemlos geht. Apple hat ganz gern die Software, die auf seinen Geräten läuft, fest im Griff. Und da ist es dem Konzern natürlich ein Dorn im Auge, dass so etwas Wichtiges wie Web-Video nur mit der Software eines Konkurrenten funktioniert. Und etliche Smartphone-Hersteller, die hoffen auf HTML5, weil Adobe für ihre Geräte noch keinen Flash-Player entwickelt hat.

    Kloiber: Und Microsoft?

    Killer: Ja, am Beispiel von HTML5 kann man die schwindende Bedeutung des Konzerns im Internet ablesen. Microsoft gehört nicht zu den Unternehmen, die den Standard vorangebracht haben. Es ist nicht in der Web Hypertext Application Technology Working Group. Mit Silverlight hat Microsoft eine mit Flash vergleichbare Multimedia- und Programmiertechnologie. Viele haben deshalb geglaubt, Microsoft werde HTML5 hintertreiben. Aber der Konzern hat sich rein passiv verhalten und hat dann auf seiner Web-Entwickler-Konferenz letzten Monat in Las Vegas eine Vorabversion des Internet-Explorers 9, also der nächsten Browser-Generation, gezeigt, die HTML5 implementiert.

    Kloiber: Wie schätzen Sie den Trend ein: Wird Flash bald verschwinden?

    Killer: Nein, sicherlich nicht. Ein Großteil der Entwicklung des Web in den letzten Jahren ist ja nur durch Browser-Plug-ins wie den Flash-Player überhaupt erst möglich geworden. Und entsprechend hoch entwickelt sind diese Technologien. HTML5 wird deshalb nur die Grundfunktionen von Flash oder von Microsofts Silverlight übernehmen. Für die werden sicherlich noch Nischen bleiben. Aber für solche Nischen-Anwendungen muss der Surfer dann ein Plug-in installieren, das er fürs alltägliche Surfen nicht braucht. Dafür muss es dann gute Gründe geben. Und entsprechend klein werden die Nischen dann sein.