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Demo gegen Polizeiaufgabengesetz
Innenminister Herrmann spricht von "Lügenpropaganda"

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, CSU, verteidigt sein umstrittenes Polizeiaufgabengesetz, nachdem Zehntausende dagegen in München protestiert haben. Herrmann wirft seinen Kritikern vor, die Öffentlichkeit in die Irre zu führen. Doch auch Datenschützer schlagen Alarm.

Von Tobias Krone | 11.05.2018
    Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann, CSU, spricht vor einem Landeswappen
    Die Sorgen der Kritiker, dass mit dem Gesetz auch bisher unauffällige Bürger ins Visier der Polizei geraten könnten, teilt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, CSU, nicht. (dpa/Peter Kneffel)
    München, gestern Mittag - eine Großdemo, wie man sie nicht oft erlebt. Eine junge Demonstrantin staunt.
    "Ich habe eben ein Schild gesehen, da steht drauf: 'Wenn sogar München mal protestiert'. Und ich finde, das trifft’s ganz gut. Wenn selbst München sich aufrafft und sagt: Jetzt reicht’s aber mal - dann brennt’s."
    Über eine Stunde lang schieben sich zwischen 30.000 und 40.000 Gegner des neuen Polizeiaufgabengesetzes an Markus Söders Regierungssitz, der Bayerischen Staatskanzlei, vorbei. Ihr Ziel: Das Innenministerium am Odeonsplatz, wo in den vergangenen Monaten die umstrittene Novelle geplant, und auch heute weiter verteidigt wurde. Innenminister Joachim Herrmann von der CSU im "Radiowelt"-Morgenmagazin des Bayerischen Rundfunks:
    "Ja, in der Tat, das war eine beeindruckende Zahl. Und das waren mehr als die Veranstalter wohl selbst erwartet hatten. Das muss man ernst nehmen. Aber ich bin vor allen Dingen doch überrascht, dass die zum Teil auch Lügenpropaganda der letzten Wochen wohl auch manche unbedarfte Menschen in die Irre geführt hat."
    90 Parteien und Verbände protestieren
    Unbedarft wirkt der Bauingenieur Daniel Köberle, Vorsitzender des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend Bayern, eher nicht. Er hat eigens den Katholikentag in Münster ausfallen lassen, um zusammen mit rund 90 Parteien und Verbänden gegen das Polizeiaufgabengesetz zu demonstrieren.
    "Wenn man sich hier umsieht, sieht man ganz viele junge Menschen. Das ist ein eindeutiger Beweis dafür, dass diese eben kein Interesse daran haben, überwacht zu werden, wenn sie zum Beispiel ins Internet gehen, sich informieren oder kommunizieren."
    Nach der Gesetzesnovelle soll die Bayerische Polizei künftig mehr dürfen - etwa, auch unbemerkt Handys ausspähen, sie soll DNA-Spuren zur Ermittlung von Verdächtigen analysieren dürfen. Zudem sollen intelligente Überwachungskameras künftig in der Öffentlichkeit verdächtige Gegenstände aufspüren. Innenminister Herrmann hält diese Maßnahmen für zeitgemäß "angesichts der technologischen Entwicklung. Wenn heute eben auch Verbrecher manche Daten auf einem Handy speichern."
    Polizei könnte wie ein Geheimdienst agieren
    Auch politisch unabhängige Datenschützer schlagen dagegen Alarm: Denn einerseits könne die Polizei mit dem neuen Gesetz stärker eigenmächtig agieren - teils ohne richterliche Anordnung - , zum anderen ändere die Polizei damit gewissermaßen ihre Rolle. Denn wenn sie im Vorfeld von möglichen Verbrechen handle, dann agiere sie wie ein Geheimdienst - nur eben mit der Möglichkeit, Waffen einzusetzen.
    Bisher durfte sie nur bei einer konkreten Gefahr einschreiten - nun soll sie auch bei so genannter drohender Gefahr tätig werden. Innenminister Herrmann beruft sich hier auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Doch die Opposition sieht dieses Urteil verdreht wiedergegeben. Landtagsabgeordnete Claudia Stamm von der Kleinpartei Mut.
    "Die drohende Gefahr war vom Bundesverfassungsgerichtshof gemeint, um es konkret auf Terror anzuwenden. Und hier ist die drohende Gefahr allumfassend ausgeweitet worden. Es geht nämlich auch zum Beispiel um Sachbeschädigung."
    Herrmann besteht auf Prävention gegen Straftaten
    Doch Herrmann bleibt dabei, die Polizei solle stärker präventiv Straftaten vorbeugen. Sein Parteifreund und Bundesinnenminister Horst Seehofer hat angekündigt, das bayerische Polizeiaufgabengesetz zum Muster bundesweit auszuarbeiten.
    Und auch andere Bundesländer wollen Befugnisse erweitern: In Nordrhein-Westfalen soll die Polizei künftig auch WhatsApp-Nachrichten mitlesen dürfen, Baden-Württembergs Regierung will nach bayerischem Vorbild Spezialeinheiten mit Sprengstoff ausrüsten, Sachsen plant Handgranaten und Maschinengewehre für Spezialeinheiten. Hier aber verhinderte die mitregierende SPD eine verschärfte Überwachung von Internet und Smartphones.