Freitag, 19. April 2024

Archiv

Demo in Straßburg
Widerstand gegen das EU-Eisenbahnpaket

Die EU-Kommission will mit dem neuen Eisenbahnpaket für mehr Wettbewerb auf der Schiene sorgen. Es sieht eine Trennung von Schienennetz und Bahnbetrieb vor. Mitarbeiter der Deutschen Bahn, aber auch Eisenbahner aus der ganzen EU fürchten um ihre Jobs und wollen heute in Straßburg demonstrieren.

Von Anke Petermann | 25.02.2014
    Ingmar Pfaff ist Lok- und Rangierführer bei der Deutschen Bahn. Gemeinsam mit mehr als tausend Eisenbahnern aus ganz Deutschland demonstriert er am Nachmittag vorm Europäischen Parlament.
    "Wir möchten halt in Straßburg ein deutliches Zeichen setzen, dass wir als Bahnbeschäftigte das vierte Eisenbahnpaket so ablehnen und wir für den Erhalt von Netz und Betrieb sind."
    Und zwar unter dem Dach der Deutschen Bahn. Trennt man die Schieneninfrastruktur vom Fahrgeschäft, zerschlägt man das Unternehmen. Das fürchten Bahnführung und Konzernbetriebsrat aus unterschiedlichen Gründen. Die einen sehen die wirtschaftliche Schlagkraft des Konzerns gefährdet, die anderen vor allem die Zukunft der Beschäftigten. Als Betriebsratsmitglied moniert Ingmar Pfaff:
    "Wir haben momentan einen innerbetrieblichen Arbeitsmarkt. Das heißt, wenn ein Lokführer aufgrund von Krankheit seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, dann ist es so, dass intern im Unternehmen durch verschiedene Instrumente geschaut wird, ob ein anderer Arbeitsplatz frei ist, auf dem er dann arbeiten kann. Dieses Instrument würde dann wegfallen. Das würde bedeuten, er müsste sich wie ein Externer neu bewerben. Die ganzen Ansprüche, die er die ganzen Jahre erworben hat, die ganzen Qualifikationen, würden wegfallen."
    Das beträfe nicht nur die DB-Beschäftigten, erklärt Andreas Schäfer von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft, kurz EVG. Auch Mitarbeiter der konkurrierenden Hessischen Landesbahn fahren mit zum Demonstrieren.
    Bei der Deutschen Bahn könnten Transportdienstleitungen nicht mehr konzernintern vergeben, sondern müssten europaweit ausgeschrieben werden. Lohndumping fürchten die deutschen Eisenbahner. An ihrer Seite bauen sich in Straßburg Franzosen, Italiener und Österreicher auf. Die französische SNCF will das Netz wieder zurück in den Staatsbetrieb holen, was das neue Eisenbahnpaket nicht erlauben würde.
    "Nach unserer Auffassung ist das vierte Eisenbahnpaket in seiner jetzigen Auffassung etwas, was vom Liberalismus getragen wird. Letztendlich versucht man, durch die Verschärfung des Wettbewerbs der Eisenbahnunternehmen, insgesamt mehr Verkehr auf die Schiene zu bekommen. Nach unserer Auffassung ist aber das Problem nicht der Wettbewerb der Eisenbahnunternehmen untereinander, sondern wir stehen als Eisenbahnbeschäftigte eher im Wettbewerb zu den anderen Verkehrsträgern, LKW, Straßenverkehr, das sind eigentlichen Wettbewerber und nicht die Kollegen in anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen."
    Das EU-Gesetzesvorhaben ist über Parteigrenzen hinweg umstritten. Befürworter wollen mit den neuen Regeln unter anderem verhindern, dass Steuermittel fürs Schienennetz zweckentfremdet werden. Zu verbieten, dass die Bahn damit oder mit Trassenerlösen Wettbewerber aufkauft, das findet Zustimmung auch bei Gewerkschaftern.
    "Geld, was der Bund für die Infrastruktur zur Verfügung stellt, muss auch in die Infrastruktur investiert werden, und da lehnen wir nicht ab, dass man das nachvollziehbar gestaltet, dass das Geld, was der Konzern erhält, auch in die Infrastruktur fließt. Die Notwendigkeit, dass man den Bahnkonzern deshalb auseinandernimmt, die sehen wir an dieser Stelle allerdings nicht."
    Mit Kundgebung und Protest wollen die Beschäftigten der europäischen Staatsbahnen die Parlamentarier zum Einlenken bewegen. Signaltechnik und technische Standards harmonisieren – in Ordnung für sie. Aber den Schienenfernverkehr zum Eldorado des freien Wettbewerbs zu machen – das lehnen sie ab. Wettbewerb im Nahverkehr hat eine EU-Richtlinie längst möglich gemacht. Zum Wohl der Kunden, betonen deutsche Fahrgastverbände. Dass aber die günstigeren Preise der DB-Konkurrenten anfangs durch schlechter bezahltes Personal erreicht wurden, kritisierte selbst die Lobby der Bahnkunden.