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Demonstration in Polen
Der Regierung auf die Finger schauen

Das Komitee zur Verteidigung der Demokratie (KOD) hat für heute zu einer Großdemonstration in Warschau aufgerufen - es geht um die Einhaltung der Verfassung in Polen. Das Datum ist bewusst gewählt: 1989 fand in Polen die erste zumindest teilweise freie Parlamentswahl statt. Damals ein Erfolg der Gewerkschaft Solidarnosc.

Von Florian Kellermann | 04.06.2016
    EPA / TOMASZ GZELL POLEMenschen führen einen Banner mit der Aufschrift "Stop PiSlam" von der KOD. Sie protestieren gegen die regierende PiS-Paretei und wollen die Demokratie verteidigen. Der Marsch ist ein Ausdruck der Unterstützung für die polnische Präsenz in der Europäischen Union.
    Demonstranten des Komitee zur Verteidigung der Demokratie in Polen. (picture-alliance/dpa/ epa/Tomasz Gzell)
    Das Ziel der Veranstalter ist, mindestens so viele Teilnehmer wie vor vier Wochen auf die Straße zu bringen. Ein hochgestecktes Ziel: Zur bisher größten Demonstration in Warschau Anfang Mai kamen deutlich über 100.000 Menschen.
    Das Datum werde die Menschen diesmal anlocken, der 4. Juni, meint Arkadiusz Szczurek, ein Bauingenieur:
    "Ich erinnere mich, wie ich Ende der 1980er-Jahre nach Griechenland fahren wollte. Auf der Polizei musste ich erklären, was ich dort will, wozu ich einen Reisepass haben möchte. Das konnte ich natürlich nicht sagen. Aber am 4. Juni 1989 wusste ich, dass das bald zu Ende sein würde."
    Damals fanden die ersten zumindest teilweise freien Parlamentswahlen in Polen statt - und damit die ersten im ganzen sogenannten Ostblock. Ein Erfolg der unabhängigen Gewerkschaft "Solidarnosc", die neun Jahre zuvor entstanden war.
    Unterschriftenaktionen gegen Regierung
    Arkadiusz Szczurek steht in Warschau vor dem Gebäude, in dem das Regierungskabinett arbeitet. Hier sammelt er fast täglich Unterschriften gegen die Regierung. Diese blockiere das Verfassungsgericht, sagt er, und begehe damit ein Verbrechen. Der 51-Jährige fürchtet um die Demokratie in seinem Land.
    "Die Menschen haben Angst. Wenn ich sie bitte, das hier zu unterschreiben, sagen sie: Ich bin zwar Rentner, mir kann keiner etwas anhaben. Aber meine Tochter hat eine Firma, ich will nicht, dass sie Ärger bekommt. Dabei geht es in dieser Unterschriftenliste nur darum, dass der Justizminister Ziobro, der inzwischen in Amtseinheit Generalstaatsanwalt ist, endlich sein Abgeordnetenmandat niederlegen soll. Er darf nicht Staatsanwalt und Abgeordneter sein."
    Arkadiusz Szczurek wird heute Nachmittag bei der Demonstration ein großes Plakat tragen. Es enthält einen Appell an den Vorsitzenden der rechtskonservativen Regierungspartei PiS Jaroslaw Kaczynski. Dieser solle die Verfassung achten, steht da.
    KOD will Achtung der Verfassung
    Der Ingenieur Szczurek gehört dem kleineren, radikaleren Flügel der Protestbewegung an. Dessen erklärtes Ziel sind vorgezogene Neuwahlen - obwohl die Regierungspartei PiS in Umfragen weiterhin deutlich vorne liegt. Das werde sich ändern, meint Szczurek, wenn der Regierung im kommenden Jahr das Geld ausgehe.
    Das "Komitee zur Verteidigung der Demokratie", kurz KOD, das die heutige Demonstration organisiert, spricht nicht von Neuwahlen. Es gehe KOD zunächst einmal um die Verteidigung des Verfassungsgerichts, erklärt dessen Vorsitzender Mateusz Kijowski:
    "Unser Hauptziel ist es, eine Zivilgesellschaft aufzubauen. Ständig kommen neue Mitglieder dazu. Bald wird auch ein Think Tank entstehen, der mit unserer Bewegung verbunden ist. KOD soll immer bestehen bleiben, unabhängig von der jeweiligen Regierung, denn jeder Regierung muss auf die Finger geschaut werden."
    Mateusz Kijowski ist inzwischen auch international bekannt: Bei einem Besuch in Brüssel hat er mit wichtigen EU-Politikern gesprochen.
    Im Streit zwischen der EU-Kommission und der polnischen Regierung ist indes weiterhin keine Einigung in Sicht. Polnische Medien berichten, dass die Kommission inzwischen eine sehr kritische Stellungnahme nach Warschau geschickt hat. Dort heißt es nach inoffiziellen Angaben, dass Polen - nach Einschätzung von Brüssel - rechtsstaatliche Prinzipien verletzt. Die polnische Regierung hat nun zwei Wochen Zeit, um daran etwas zu ändern. Sollte nichts geschehen, wird die EU-Kommission Polen zu konkrete Maßnahmen auffordern.