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Demonstrationen
Hebammenproteste gegen Verlust der Haftpflichtversicherung

Bundesweit demonstrieren Hebammen gegen hohe Haftpflichtprämien und die Gefährdung ihrer beruflichen Existenz. In Bremerhaven können Frauen ihre Kinder schon heute nur noch in der Klinik zur Welt bringen, da die letzte freiberufliche Hebamme dort ihre außerklinische Geburtshilfe aufgeben musste.

Von Franziska Rattei | 08.03.2014
    Eine Frau hat ein Schild an ihrem Kinderwagen mit der Aufschrift "Rettet unsere Hebammen" befestigt.
    Hebammen protestieren gegen die Erhöhung der Versicherungsprämie (picture alliance / dpa / Axel Heimken)
    Sylvia Schiefer spielt mit ihrer Tochter Loreley. Das Mädchen ist neun Monate alt. Ein munteres, neugieriges Kind. Loreley wurde zu Hause geboren:
    "Ja, und sie ist auch ein sehr entspanntes Kind. Und ich denke, dass das auch damit zu tun hat, dass die Geburt trotz der Länge nicht stressig war und dass man halt das Kind in eine Atmosphäre hinein auf die Welt bringt, die auch angenehm ist."
    Eine Geburt in der Klinik wäre für Sylvia Schiefer nicht in Frage gekommen. Sie wollte mit einer vertrauten Hebamme entbinden. Die hat sie in Maren Willmann gefunden. Die 49-Jährige hat die junge Mutter vor, während und nach der Geburt betreut:
    "Ich glaube einfach, dass unsere Arbeit eine ganz wichtige ist, die Frauen darin zu stärken, dass sie schon vieles selber können, aber auch bei Fragen – noch so blöden Fragen – einfach den Ansprechpartner/Ansprechpartnerin haben, die das leisten können. Aber ich wüsste nicht, wer das alternativ machen könnte."
    Versicherungssumme für Geburtshilfe nicht mehr finanzierbar
    Ein Kinder- oder Frauenarzt etwa ist nicht rund um die Uhr erreichbar. Maren Willmann kann sich nicht vorstellen, was werden soll, falls es ihren Beruf bald nicht mehr gibt. Von einem Herzstück ihrer Tätigkeit hat sie sich schon getrennt – seit drei Monaten bietet sie keine Geburtshilfe mehr an:
    "Bei durchschnittlich 8 bis 10 Geburten im Jahr ist das einfach völlig unwirtschaftlich. Was vorher schon grenzwertig war, jetzt einfach mit der neuen Versicherungssumme, die dann bei über 5.000 Euro liegt, wirklich einfach nicht mehr leistbar ist."
    Die Hebamme meint die Haftpflichtprämie, die sie zu zahlen verpflichtet ist, wenn sie als Freiberuflerin Geburtshilfe anbieten will. Vor 12 Jahren, als Maren Willmann in den Beruf einstieg, lag die Summe noch bei rund 450 Euro. Seitdem hat sich der Betrag mehr als verzehnfacht. Seitdem sie in Anführungszeichen "nur" noch Vor- und Nachsorge anbietet, zahlt sie sehr viel weniger, aber schwangere Frauen müssen in Bremerhaven zur Geburt in die Klinik. – Ein Beispiel, aber nicht das einzige, sagt Heike Schiffling, Vorsitzende des Hebammenlandesverbandes:
    "In die Richtung laufen wir gerade. Und das passiert schleichend, aber nicht langsam."
    Auch Beleghebammen in Kliniken sind gefährdet
    Die Entwicklung betrifft übrigens auch Beleghebammen – also freiberufliche Hebammen, die Geburtshilfe in der Klinik leisten. Auch sie müssen die hohen Haftpflichtprämien zahlen. Und rund ein Viertel aller Kinder in Deutschland kommt mit der Hilfe dieser Beleghebammen auf die Welt. Nach Meinung der Hebammenverbände muss eine politische Lösung gefunden werden. Die Haftpflichtprämien beziehungsweise die Haftungsobergrenze muss gesenkt werden.
    Momentan sind freiberufliche Hebammen für sechs Millionen versichert. Nicht, weil es so viele Geburtsschäden gibt. Aber die Schadenssummen sind extrem gestiegen, sagt Heike Schiffling. Seit der rot-grünen Bundesregierung können nicht nur Eltern Hebammen verklagen, sondern auch die Sozialversicherungsträger.
    "Das heißt, wir werden in der Regel verklagt, wenn ein Schaden vorgefallen ist bei der Geburt oder ein eventueller Schaden. Dann werden wir relativ zügig von den Krankenkassen verklagt, die versuchen, sich die kompletten Pflegekosten schon mal pauschal einzuklagen. Und der Rentenversicherungsträger fordert von uns alle Renten von uns ein, die dieses Kind mal im Laufe seiner Erwerbstätigkeit potenziell gebracht hätte."
    Berufsverbot für freiberufliche Hebammen ohne Haftpflichtversicherung
    Dazu kommen Entschädigungszahlungen und die Rentenbeträge für die pflegenden Eltern. Es gibt kaum noch Versicherer, die dieses Risiko tragen wollen, sagt die Vorsitzende des Hebammenverbandes. Genau genommen sind es drei; und einer von ihnen steigt Mitte 2015 aus. Die verbleibenden beiden werden den Versicherungsschutz nicht aufrecht erhalten können. Und das wiederum bedeutet: Freiberufliche Hebammen dürfen nicht mehr arbeiten – egal ob mit oder ohne Geburtshilfe. Ohne Haftpflichtversicherung ist das verboten.