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Den Antimaterie-Galaxien auf der Spur

Physik. - Heute abend, 21:47 Uhr MESZ, soll das Space-Shuttle Endeavour vom US-Weltraumbahnhof Cape Canaveral zur ISS starten. Mit an Bord, das Alpha-Magnetspektrometer AMS 02. Es soll auf die Suche nach Antimaterie gehen. Professor Stefan Schael von der RWTH Aachen gehört zum Wissenschaftlerteam.

Stefan Schael im Gespräch mit Arndt Reuning | 29.04.2011
    Reuning: Herr Schael, sind Sie wenige Stunden vor dem Start des Experiments nicht aufgeregt?

    Schael: Also noch sind wir, wahrscheinlich wider Erwarten, relativ entspannt. Für uns wird es richtig spannend zweieinhalb Stunden nach dem Start, denn für unser empfindliches Messinstrument ist der Start natürlich eine sehr große Belastung und wir sind sehr gespannt darauf, wie gut wir diesen Start überstehen.

    Reuning: Das Instrument ist ein Detektor für die kosmische Strahlung. Welche Informationen können Sie denn Ihren Messungen entnehmen?

    Schael: Was uns interessiert, primär interessiert, sind die geladenen Teilchen der kosmischen Höhenstrahlung. Und um elektrische Ladungen messen zu können, braucht man einen Magneten, und daher kommt auch der Name: Alpha-Magnetspektrometer, also ein Magnetspektrometer ist ein Messinstrument, was einen Magneten enthält und einen so genannten Spurdetektor, mit dem wir die Spur dieser Teilchen durch unser Instrument nachweisen können und daraus die elektrische Ladung der Teilchen bestimmen können und ihre Energie.

    Reuning: Auch auf Antimaterie könnte AMS neue Hinweise liefern. Warum ist das so wichtig?

    Schael: Wir gehen heute davon aus, dass das Universum mit einem Urknall entstanden ist, der aus einem Vakuum entstanden ist. Das Vakuum ist elektrisch neutral. Das heißt, am Anfang sollte es genauso viel Materie wie Antimaterie, genauso viele positive wie negative Teilchen gegeben haben. Das Universum, was wir heute beobachten, enthält nur noch eine Sorte von Materie und wir versuchen seit mehr als 50 Jahren zu verstehen, was die Ursache ist. Dafür gibt es verschiedene Ansätze. Ein möglicher Ansatz wäre, dass sich eben Materie, wie auch Antimaterie nach dem Urknall räumlich getrennt haben, nach diesem Modell würde es dann Bereich im Universum geben, die aus Antimaterie bestehen. Dort würde Antimaterie-Galaxien geben mit Antimaterie-Sternen, und diese Sterne könnten in einer Supernovaexplosion Antimaterie auf hohe Energien beschleunigen, und dieser Antimaterie Teilchen würden dann durch unser Instrument durchgehen, uns sozusagen in die Falle gehen und wir würden es beobachten und könnten aus der Beobachtung eines einzelnen Anti-Kohlenstoffkerns Rückschlüsse darauf ziehen, dass es Antimaterie-Sterne gibt und damit eine der wichtigsten offenen Fragen der Physik beantworten.

    Reuning: Wo her stammten bei Ihnen eigentlich die Faszination für Themen wie dunkle Energie und Antimaterie?

    Schael: Ja, dafür habe ich mich schon relativ früh begeistert, durch das Lesen von Science-Fiction-Romanen hat mich also die Physik immer mehr interessiert, die hinter solchen Romanen steckt. Und ich habe also sehr früh beschlossen, dass ich Astrophysiker werden will, heute habe ich das Vergnügen, dass ich diese Ideen verfolgen kann, mich mit Fragen auseinandersetzen kann, wie unser Universum entstanden ist, und ein bisschen diese Faszination Kosmos im täglichen Berufsleben wieder finde.

    Reuning: Dass AMS hat 1,5 Milliarden Euro gekostet. Ist das nicht vielleicht ein Betrag, der auch ganz gut hier auf der Erde für drängende Probleme hätte investiert werden können?

    Schael: Das ist sicherlich richtig, dass man sich bei Projekten dieser Größenordnung immer fragen muss: Haben wir das Geld sinnvoll angelegt? Die Grundlagenforschung brauchen wir, damit sich unsere Zivilisation weiter entwickelt. 50 Jahre später sehen wir dann die Konsequenzen im täglichen Leben. Wenn Sie also 100 Jahre von heute zurückgehen, Max Planck hat sich also mit der Frage der Wärmestrahlung eines schwarzen Körpers beschäftigt. Daraus ist die Quantentheorie entstanden, darauf basieren heute viele Geräte unseres täglichen Lebens, wie zum Beispiel Computer, Laser. Das heißt, das moderne Leben könnten wir uns heute gar nicht mehr vorstellen, wenn diese Grundlagenforschung vor 100 Jahren nicht gemacht worden wäre.