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Den Machthabern ein Dorn im Auge

Bevor Ruslan Sharipov ein Interview gibt, lässt er über mehrere Quellen prüfen, ob es die deutsche Radio-Korrespondentin die sich angemeldet hat und ihr Radioprogramm wirklich gibt. Ruslan Sharipov ist sehr vorsichtig geworden. Seit ein paar Monaten lebt der Journalist aus Usbekistan in Kalifornien. Als politischer Asylant. Er hat in seiner Heimat die Korruption der Regierung unter Präsident Islam Karimov angeprangert. Er hat die Verfolgung religiöser Minderheiten kritisiert und die Kriminalisierung Homosexueller. Sharipov nannte Namen. Die Regierung warnte ihn vor schmerzlichen Konsequenzen. Der junge Journalist schrieb weiter kritische Artikel, schickte sie an internationale Organisationen und Regierungen. Und wurde im Mai 2003 verhaftet.

Von Kerstin Zilm | 07.02.2005
    Sie haben angefangen, mich zu foltern. Der Vertreter des Anti-Terrorismus Ministeriums sagte: "der Befehl kommt von ganz oben. Innenministerium und Regierung. Du machst besser keinen Ärger." Sie haben eine Gasmaske über meinen Kopf gestülpt und Säcke, davor etwas angezündet, so dass ich fast erstickte. Es gab Elektro-Schocks, sie haben irgendwas in meinen Rachen gesprüht und in die Venen gespritzt. Haben gesagt es sei der Aids-Virus. Ich hatte große Angst und habe verstanden, dass ich nichts tun kann.

    Unter Druck entschuldigte sich Sharipov für seine Artikel' erklärte, dass er alles erfunden hatte. Und unterschrieb eine Selbstmord-Notiz. 'Reporter ohne Grenzen' ist eine der internationalen Menschenrechtsorganisationen, die sich für die Freilassung des inzwischen 26-jährigen Ruslan Sharipovs einsetzten und auf Verletzungen der Meinungsfreiheit in Usbekistan aufmerksam machen. Lucie Morillon, US-Vertreterin der 'Reporter ohne Grenzen:

    Die Regierung setzt Redakteure immer mehr unter Druck, ihre Artikel selbst zu zensieren. Sie müssen sich mit jeglicher Kritik zurück halten. Die meisten Journalisten und Menschenrechtler müssen heimlich mit der Regierung zusammen arbeiten, für kritische Berichte die Erlaubnis holen. Viele bleiben auf der sicheren Seite und zensieren sich selbst.

    Ruslan Sharipov begann nach einem Stipendium in den USA, kritisch über die usbekische Regierung zu schreiben. Offiziell hat ihm das keiner vorgeworfen. Er wurde angeklagt und zu mehr als fünf Jahren Haft verurteilt wegen Homosexualität und sexuellem Kontakt mit Minderjährigen. Beruhend auf einem Gesetz aus der Stalin-Zeit. Dass es der Regierung in Wirklichkeit darum ging, Sharipov und Gleichgesinnte zum Schweigen zu bringen, zeigte sich, als der Journalist von Vertretern des Innenministeriums und des Präsidenten bedroht wurde. Und von der Abteilung für Terrorismusbekämpfung. Ruslan Sharipov:

    Das wichtigste bei meiner Arbeit war für mich immer, über die Selbst-Zensur zu informieren und darüber, was der Krieg gegen den Terrorismus wirklich bedeutet. Offiziell bekämpft Usbekistan Terroristen. In Wirklichkeit landen Menschrechtsvertreter im Gefängnis, Journalisten, jedem kann es passieren, ohne dass irgend jemand davon erfährt.

    Nach den Anschlägen vom elften September haben die USA und Usbekistan eine Erklärung über eine 'strategische Partnerschaft' unterzeichnet. US-Kampfflugzeuge und Spezial-Einheiten des US-Militärs sind seither in dem Land stationiert. Auch Bundeswehrsoldaten sind im Land – im Rahmen der Afghanistan-Mission. Die finanzielle Hilfe der USA für Usbekistans Militär wurde um fast 2000 Prozent im Interesse des Kampfes gegen den Terrorismus aufgestockt. Die politische Opposition bekommt dagegen weniger Unterstützung aus Washington. Lucie Morillion von 'Reporter ohne Grenzen':

    Es ist eine sehr knifflige Situation für die USA. Sie legen nicht zu viel Gewicht auf Menschenrechtsfragen, um die Allianz am leben zu erhalten. Wir müssen die US-Regierung auffordern, mehr Druck auf Präsident Karimov auszuüben und sich weiter für mehr Menschenrechte einzusetzen.

    Ruslan Sharipov wurde dank des internationalen Drucks eine Gelegenheit gegeben, Usbekistan zu verlassen. Über Moskau gelang dem Journalisten die Flucht in die USA. Die Meinungsfreiheit in dem Land wurde dadurch noch mehr eingeschränkt. Lucie Morillion:

    Unglücklicherweise war Ruslan ein Symbol für Journalismus, der die Regierung kritisiert und unzensiert über Usbekistan berichtet. Er war der bekannteste und jetzt gibt es im Land keine Person mehr, die für Pressefreiheit steht und journalistische Standards.

    Sharipov sucht nach Wegen, aus dem Exil die Lage in seinem Land zu verbessern. Seine Hauptforderung richtet sich an internationale Regierungsorganisationen:

    Ich mache mir große Sorgen um mein Land, ich möchte, dass man versucht, die Lage dort zu ändern. Es wird sich unter diesem Regime nichts von alleine ändern. Man muss aufhören, mit diesem Regime zusammen zu arbeiten und ernsthafte Schritte gegen die Regierung unternehmen. Gegen Praesident Karimov, der auf unbegrenzte Zeit in dieser Position bleiben wird.

    Sharipov arbeitet mit ehemaligen Kollegen an einem Projekt zur Information über die Situation in Usbekistan. Sie haben große Probleme, für dieses Projekt finanzielle Unterstützung zu finden.