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Dengue-Fieber
Tropenmediziner: "Wir können nur zu Mückenschutz raten"

In Mittel- und Südamerika sowie der Karibik hat sich das Dengue-Fieber stark ausgebreitet. Eine Erklärung für die die hohen Infektionszahlen gebe es bisher ebenso wenig wie wirksame Methoden gegen die Krankheit, sagte der Tropenmediziner Tomas Jelinek im Dlf. Am Ende helfe meist nur Mückenschutz.

Tomas Jelinek im Gespräch mit Lennart Pyritz | 26.11.2019
Angehörige sitzen bei Patienten, die an Dengue-Fieber erkrankt sind. Die Betten sind mit Mückennetzen geschützt.
Netze bieten Schutz vor der Tigermücke (AFP)
Lennart Pyritz: Mittel- und Südamerika und die Karibik erleben derzeit den größten dokumentierten Ausbruch von Dengue-Fieber in der Region, eine Virusinfektion übertragen von tagaktiven Stechmücken. Mehr als 2,7 Millionen Krankheitsfälle wurden seit Jahresbeginn registriert, 1.200 Menschen sind inzwischen gestorben. Was das für die Menschen vor Ort und auch für Reisende bedeutet, darüber sprechen wir jetzt mit Professor Tomas Jelinek, Leiter des Zentrums für Reise- und Tropenmedizin in Berlin. Guten Morgen, Herr Jelinek!
Tomas Jelinek: Schönen guten Morgen!
Pyritz: Wie äußert sich denn so eine Infektion mit dem Dengue-Virus?
Jelinek: Da ist zunächst mal allgemeine grippale Symptomatik spürbar mit einer starken Betonung auf Schmerzen. Die Briten haben das auch Breakbone-Fieber getauft, also Knochenbrecherfieber, weil die Schmerzen so eindrucksvoll sein können. Das heißt, im klassischen Verlauf hat man vor allen Dingen damit zu tun. Es gibt aber auch Patienten, die merken gar nichts. Also die machen das weitgehend asymptomatisch durch. Dann gibt es am anderen Ende des Spektrums Patienten, die können Blutungsbeschwerden kriegen, also ein sogenanntes hämorrhagisches Fieber, und das kann dann auch lebensbedrohlich werden.
Pyritz: Gibt es Erkenntnisse, Erklärungsansätze dafür, warum sich das Dengue-Fieber in diesem Jahr in Süd- und Mittelamerika so stark ausgebreitet hat?
Jelinek: Es gibt nur Spekulationen. Wir haben es ja mit vier verschiedenen Viren tatsächlich zu tun, also Dengue 1, 2, 3, 4, und die kommen unterschiedlich häufig vor. Wenn ein Virus längere Zeit weg war und dann wiederkommt, dann gibt es auch wieder mehr Fälle, weil Leute zum Teil damit noch nicht vertraut sind, aber das ist im Moment noch nicht so belegt, und am Ende muss man zugeben, verstehen wir ja die Epidemiologie nicht hundertprozentig. Also wir wissen nicht ganz genau, warum der Anstieg jetzt stattfindet.
Impfstoff ist "nur sehr eingeschränkt wirksam"
Pyritz: Wie wird denn Dengue-Fieber behandelt, wenn es zu so einer Infektion gekommen ist?
Jelinek: Wir können es symptomatisch behandeln, also nur die Beschwerden, den Schmerz vor allen Dingen angehen. Das ist das Problem. Man hat keine ursächliche Behandlung. Das ist vor allen Dingen auch das Problem bei kompliziertem Dengue, also wenn es zum Beispiel zu Blutungen kommt, dann kann man nur Blut substituieren, also Erythrozyten, Blutplättchen geben und so weiter, bis die Krise vorbei ist. Das ist natürlich mit viel Aufwand, viel Kosten verbunden, was in vielen dieser Länder nur schwer machbar ist für so viele Patienten.
Pyritz: Es gibt ja offenbar inzwischen einen Impfstoff gegen das Dengue-Virus. So richtig etabliert ist der aber noch nicht, oder?
Jelinek: Es gibt einen Impfstoff seit ein paar Jahren, der ist mittlerweile auch in der EU zugelassen. Der ist allerdings nur sehr eingeschränkt wirksam. Also wirklich effektiv ist er nur für Menschen, die schon mal eines dieser vier Dengue-Vieren hatten. Dann hat man so eine Schutzrate von 60 Prozent etwa. Bei Menschen, die noch nie Dengue hatten, ist der Schutz bei nur 20 Prozent etwa. Wie sich gezeigt hat, auf den Philippinen insbesondere, kann dann sogar bei den Geimpften später ein kompliziertes Dengue auftreten. Insofern ist der so ein bisschen mit Vorsicht zu genießen und wird deswegen nur sehr gezielt in Ausbrüchen eingesetzt und auch nur bei Leuten, von denen man weiß, dass sie schon mal eine Erkrankung durchgemacht haben.
Eine Asiatische Tigermücke (Aedes albopicts)
Eine Asiatische Tigermücke (Aedes albopicts) (picture alliance / dpa / James Gathany/CDC)
Pyritz: Wie können sich denn die Menschen jetzt vor Ort in Amerika bei diesem Dengue-Ausbruch vor einer Infektion schützen?
Jelinek: Das ist das Frustrierende. Wir können eben letztendlich nur zu Mückenschutz raten. Das ist bei dieser speziellen Mücke, der Tigermücke, sehr, sehr schwierig, weil die ein sogenannter Kulturfolger ist, also die mag den Menschen, die mag die Urbanisierung, die brütet in Müllhalden, im rumliegenden Plastikmüll, Autoreifen, was auch immer, und ist deswegen nur extrem schwer in den Griff zu kriegen.
"Schnell ärztliche Hilfe suchen"
Pyritz: Welche Ratschläge können Sie Reisenden geben, die jetzt in diese Region fahren, vor allem eben solche, die bereits einmal an Dengue erkrankt waren?
Jelinek: Guten Mückenschutz, darauf reiten wir ziemlich intensiv rum bei der Beratung. Was anderes kann man ja nun auch nicht wirklich anbieten, also vor allen Dingen einen Einsatz von effektiven Repellentien, also Mitteln, die man auf die Haut sprüht, um sich unattraktiver zu machen für die Mücke. Wenn man schon mal Dengue hatte, dann sollte man das natürlich umso mehr einsetzen, ansonsten muss man bei Beschwerden schnell reagieren, also schnell ärztliche Hilfe suchen, damit dann mögliche Komplikationen aufgefangen werden können.
Pyritz: Sie haben eben schon die Tigermücken erwähnt, die Überträger des Dengue-Virus, die gibt es inzwischen auch in Deutschland, die leben auch hier. Müssen wir irgendwann auch hierzulande mit Dengue-Ausbrüchen rechnen in Zukunft?
Jelinek: Das ist eine bedauerliche Entwicklung. Man kann die Tigermücke sicherlich als großen Gewinner der Globalisierung bezeichnen. Also die reist unheimlich gerne selber mit Frachtschiffen und Ähnlichem und kommt mit dem Klima in Südeuropa insbesondere gut klar, also so leicht kühle Temperaturen verkraften die asiatischen Tigermücken insbesondere ganz gut. Die haben sich seit den 2000ern sehr erfolgreich in Europa ausgebreitet und haben auch das Rheintal zum Beispiel in Deutschland erreicht. Das heißt nicht, dass wir jetzt sofort Ausbrüche kriegen, aber es ist natürlich so, dass wenn dann infizierte Menschen im Sommer, wenn die Mücken aktiv sind, in diese Gebiete kommen und die Mücken anstechen, dann kann es zu einer Übertragung zumindest von Einzelfällen kommen. Das ist auch schon passiert in Italien, Kroatien, Frankreich zum Beispiel.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.