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Denominierte Herzklappen

Zukunftspreis. - Als Chirurg hat es Professor Axel Haverich, Leiter der Klinik für Herzchirurgie an der Medizinischen Hochschule Hannover, täglich mit Herzen aus Fleisch und Blut zu tun. Wenn heute der Deutsche Zukunftspreis verliehen wird, dürfte aber auch sein eigenes Herz schneller schlagen als sonst. Denn auch sein Team war für diesen Preis nominiert, doch dann hat die Jury ihre Entscheidung wieder zurückgezogen - aus patentrechtlichen Gründen, wie es hieß.

Von Michael Engel | 03.12.2008
    Medizinische Hochschule Hannover. 8.30 Uhr. Professor Axel Haverich steckt wieder mal in der typischen Arbeitskleidung eines Herzchirurgen: Grüne OP-Haube, Kittel, Mundschutz, sterile Handschuhe:

    " Und wir werden jetzt, nachdem der Brustkorb eröffnet ist, in Richtung Herz vorarbeiten. Und hier präparieren wir jetzt ein wenig Fettgewebe, was immer um das Herz herum liegt. Und stellen uns als erstes dar hier auf dem Herzbeutel, unter dem wir das Herz schlagen sehen. "

    Der Chirurg machte weltweit Schlagzeilen, als er zum herzkranken russischen Präsidenten, Boris Jelzin, nach Moskau geholt wurde. Mediales Aufsehen auch, als Haverich Anfang September einen vierjährigen Jungen in Hannover mit einer "mitwachsenden Herzklappe" versorgte. Es handelt sich um die Klappe eines Verstorbenen, die im Labor von allen Zellen des Spenders befreit wird.

    " Und dann reagiert diese Klappe wie eine körpereigene Klappe auf die Wachstumssignale des kleinen Patienten, so dass sie tatsächlich dann auch mitwächst. "

    Bislang setzte Axel Haverich die mitwachsenden Herzklappen bei 18 Kindern ein. Der Chirurg begann mit den ersten Versuchen bereits im Jahre 2002 - in Moldawien - was ethisch nicht unumstritten war.

    " Wir haben dann dort an der Universitätsklinik in Chisinau eine Ethikkommission ins Leben gerufen, die isoliert für dieses Projekt beschieden hat, dass es ethisch einwandfrei sei, und wir haben dann darüber hinaus einen Kooperationsvertrag zwischen der Universität Chisinau und der Medizinischen Hochschule für dieses Projekt abgeschlossen, so dass ich dann auch die Sicherheit hatte, dass wir es sehr gut vertreten konnten. "

    Als Haverich und sein Team Mitte Oktober für den "Deutschen Zukunftspreis" nominiert wurde, rechnete er sich noch gute Chancen aus.

    " Die Chancen haben wir ganz sicher, deswegen, weil wir ein völlig neues Produkt entwickelt haben, was als Prototyp für weitere medizinische Anwendungen sicherlich eine große Strahlkraft in die Medizin, aber auch in die Bevölkerung haben wird. "

    Jedoch: Alles kam ganz anders. Schon zwei Wochen später, am 28. Oktober, zog die Jury die Nominierung völlig überraschend zurück. Haverich auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz - sichtlich geknickt:

    " Ich persönlich bin außerordentlich enttäuscht. Aber genauso enttäuscht sind die vielen Mitarbeiter, die über die letzten zwölf Jahre an diesem Projekt gearbeitet haben, was zwischenzeitlich hoch gelobt und jetzt so tief gefallen ist, wie man tiefer nicht fallen kann, indem man nämlich denominiert wird für einen Zukunftspreis. "

    Die Jury, die das Team um Haverich von der Kandidatenliste strich, nannte "ungeklärte patentrechtliche Probleme" als Grund. Ein Herzchirurg der Berliner Charité reklamierte für sich, die mitwachsenden Herzklappen als erster eingesetzt zu haben. Es gibt aber auch Vermutungen, dass Haverich mit den ersten Versuchen in Moldawien einen unverzeihlichen Fehler beging. Nicht ethischer, sondern politischer Natur: Weil die Versuche im Ausland stattfanden, könne so Deutschland indirekt als innovationsfeindliches Land vorgeführt werden, und das widerspreche der Idee des "Deutschen Zukunftspreises". Haverich indes fühlt sich im Recht, will patentrechtlichen Fragen klären lassen, vor allem aber mit voller Kraft weitermachen.

    " Wir rechnen mit einer Zulassung für 2011. Also einige Jahre noch müssen wir uns über Heilversuche, klinische Studien über Wasser halten und die dringendsten Fälle mit diesen Klappen versorgen. "

    Theoretisch ist es zwar möglich, für den Deutschen Zukunftspreis erneut zu kandidieren. Doch ein zweites Mal wird es für Haverich nicht geben, selbst wenn die patentrechtlichen Fragen zu seinen Gunsten entschieden werden sollten. Dafür war die Enttäuschung über die spektakuläre Denominierung einfach zu groß.

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