Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Der Aufklärer

Neugier war nach eigener Aussage zeitlebens das Hauptmotiv für Hoimar von Ditfurth. Neugier auf das, was die Welt im Innern zusammenhält, woher die Ordnung des Kosmos' kommt. Vor 20 Jahren starb der Wissenschaftsjournalist.

Von Andrea Westhoff | 01.11.2009
    "Die Barriere aus Gleichgültigkeit und Unkenntnis überwinden" – das war es, was Hoimar von Ditfurth nach eigener Aussage immer gewollt hatte. Und so ging er noch bis kurz vor seinem Tod am 1. November 1989 in die Öffentlichkeit, um über seine naturwissenschaftlich-philosophischen Ideen zum Kosmos und dem Platz des Menschen im Universum zu sprechen. Sein letztes Buch "Innenansichten eines Artgenossen" war gerade erschienen, und die Baden-Württemberger Literaturtage in Staufen, wo Ditfurth lebte, hatten ihn Anfang September zu einer Lesung eingeladen:

    "Meine Damen und Herren, ich muss Sie sehr um Entschuldigung dafür bitten, dass Sie hierher gekommen sind mit dem Versprechen, dass ich aus meinem Buch lese – ich kann es nicht."

    Er war sehr gebrechlich und von seiner Krebserkrankung gezeichnet, und trotzdem zeigte sich auch an diesem Abend noch einmal die besondere Fähigkeit, seinen Zuhörern Freude am Wissen und einen Einblick in die Geheimnisse der Natur zu vermitteln.

    Hoimar von Ditfurth, am 15. Oktober 1921 in Berlin geboren, hatte Medizin, Psychologie und Philosophie studiert und zunächst als Arzt an der Universitätsklinik Würzburg, später auch in der pharmazeutischen Industrie gearbeitet. Außerdem lehrte er als außerordentlicher Professor für Neurologie und Psychiatrie in Würzburg und Heidelberg. 1969 stieg er dann aber aus dem regulären Wissenschaftsbetrieb aus und wurde freier Journalist und Autor populärwissenschaftlicher Bücher. Fast eine Institution war seine Fernsehsendung "Querschnitte" im ZDF, die er von 1971 an über zwölf Jahre moderierte. Im Radio war er schon seit 1963 regelmäßig zu hören:

    "Das Jenseits. Erfahrungen mit einer anderen Wirklichkeit – Heute: Die Sterne leuchten, auch wenn wir sie nicht sehen. Naturwissenschaftliche Beobachtungen von Hoimar von Ditfurth"

    Er suchte sich keineswegs leichte Stoffe: Evolution, Kosmologie, künstliche Intelligenz, Bevölkerungsexplosion, Klimawandel, Virusforschung – und immer verstand es von Ditfurth, komplexe Sachverhalte allgemein verständlich, oft mit eindrucksvollen Experimenten, darzustellen. Aber: Bei aller Popularisierung der Wissenschaft hat Hoimar von Ditfurth sich nie zu weit von ihr entfernt:

    "Gewiss gibt es Vieles zwischen Himmel und Erde, was Naturwissenschaft nicht fassen kann. Aber: Wer ernstlich die Möglichkeit in Betracht zieht, dass Uri Geller seine Gabeln mit übernatürlichen Kräften verbiegt und nicht mit der Hilfe irgendwelcher Tricks aus der Kiste der Zauberkünstler, der spricht den Naturgesetzen ihre Gültigkeit ab."

    Hoimar von Ditfurth blieb ein Aufklärer im klassischen Sinne – ohne sich dem Fortschrittsglauben zu unterwerfen. Ende der 70er-Jahre wurde er mehr und mehr zum Mahner gegen Naturzerstörung, Raubbau an Rohstoffen, Bevölkerungsexplosion und Rüstungswahn. Allerdings nicht in einem fatalistischen, sondern politisch aktivem Sinn: 1983 trat er zum Beispiel in einem Wahlspot für die Partei der Grünen auf, die seine Tochter Jutta mitgegründet hatte.

    "Ob wir wie bisher wie die Lemminge auf dem alten Weg weiter ziehen, der die Zukunft unserer Kinder endgültig ruinieren wird, das hängt von der politischen Willensbildung ab."

    Mit den Jahren allerdings wurde seine Haltung pessimistischer:

    "Wir reden immer noch davon, dass die Umweltgefahren drohen. Sie drohen nicht, sondern wir stehen mit beiden Beinen knietief drin!",

    warnte Hoimar von Ditfurth in einer Rede vor Politikern und Fachleuchten 1986. Und sein vermutlich bekanntestes Buch "So laßt uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen" drückt das noch schärfer aus: Die Menschheit wird eine Umkehr im Verhalten und damit ihre Rettung wohl nicht mehr schaffen.

    Politisch und weltgeschichtlich hat sich inzwischen vieles verändert, vieles auch, was sich Hoimar von Ditfurth nicht einmal hätte vorstellen können. Aber eine seiner Grundüberzeugungen erwies sich in vielen Krisen der letzten Jahrzehnte als wahr:

    "Als Naturwissenschaftler möchte ich daran erinnern, dass es permanentes kontinuierlich fortgesetztes Wachstum in der ganzen belebten Natur aus guten Gründen nicht gibt. Abgesehen von der bezeichnenden Ausnahme des lebenszerstörenden Wucherns einer Krebszelle!"