Der "Beat Club"

Kultsendung im 68er-Zeitgeist

Das SW-Foto aus den 1960er Jahren zeigt die britische Supergruppe "The Cream" während einer Aufzeichnung der legendären Beat-Club-Sendung von Radio Bremen.
Das SW-Foto aus den 1960er Jahren zeigt die britische Supergruppe "The Cream" während einer Aufzeichnung der legendären Beat-Club-Sendung von Radio Bremen. © dpa/picture alliance/Radio Bremen
Von Hartmut Goege · 25.09.2015
Vor 50 Jahren machte sich der Generationenkonflikt neben der Politik auch in der Musik bemerkbar. Während Ältere englischsprachige Musik noch weitestgehend ignorierten, begeisterten sich die Jugendlichen für Beatmusik. Radio Bremen nutzte diese Nische für sich und sendete vor 50 Jahren den ersten Beat Club, der im Deutschen Fernsehen schnell Kultstatus erreichte.
Wilhelm Wieben: "Liebe Beat-Freunde, nun ist es endlich soweit: In wenigen Sekunden beginnt die erste Show im Deutschen Fernsehen, die nur für Euch gemacht ist."
Während 150 jugendliche Gäste im Bremer Fernsehstudio gespannt dem Startschuss entgegenfieberten, bat Fernsehansager Wilhelm Wieben an diesem 25. September 1965 die älteren Zuschauer um Nachsicht.
"Sie aber, meine Damen und Herren, die Sie Beat–Musik vielleicht nicht mögen, bitten wir um Ihr Verständnis: Es ist eine Live–Sendung mit jungen Leuten für junge Leute. Und nun gehts los ..."
Es war die Zeit der biederen deutschen Schlager-Wirklichkeit der 1960er Jahre: Ludwig Erhard war Bundeskanzler und die Bildschirmhoheit lag bei den Erwachsenen. Während die Öffentlich-Rechtlichen englischsprachige Popmusik noch ignorierten, lauschten viele Jugendliche - oft heimlich - lieber den Hits auf britischen und amerikanischen Soldatensendern. Diesen Abwanderungstrend wollte die ARD stoppen. Von nun an galt in deutschen Fernsehhaushalten einmal im Monat - samstags vor der Sportschau - der Ausnahmezustand.
"Wie Sie hören, geht es im Studio bereits hoch her, also auf zum Beat Club dritte Folge ..."
Zwischen Irrsinnigen und Jugendstars
Während im Studio adrette Teenager zum Beat brav die Hüften bewegten, versammelten sich vor den Bildschirmen Jugendliche in Partylaune - wenn es denn die Eltern erlaubten. Viele Erwachsene empörten sich in Leserbriefen über die Sendung:
"Ich war erschüttert, was man sich da anhören und ansehen muss. Eine Bande Irrsinniger und Hysteriker wird da auf das Publikum losgelassen."
Der Beat Club, von dem Discjockey Gerd Augustin und dem Regisseur Mike Leckebusch von Radio Bremen konzipiert, erreichte unter Jugendlichen bald Kultstatus. Das Gesicht der 30-minütigen Sendung wurde die 21-jährige Uschi Nerke - im ersten Jahr noch von Augustin unterstützt.
"Hallo liebe Freunde, Gerd und ich werden durch diese Sendung führen und versuchen Euch über das Neueste auf dem internationalen Beatmarkt zu informieren. So, und nun gleich weiter mit Musik. Die Yankees und 'Tequila' ..."
Waren die Yankees noch eine Bremer Lokalgröße, lud man sich bald durch Deutschland tourende britische Bands ein. Der wachsende Erfolg der Sendung sprach sich schnell herum. Manager der Musikbranche erkannten das Werbepotenzial. Ab 1967 liest sich die Liste der Beat Club-Bands wie ein Who is Who der Rock- und Popgeschichte: Ob Jimmy Hendrix, The Hollies, The Beach Boys, Eric Clapton, Joe Cocker oder The Rolling Stones, alle landeten irgendwann bei Uschi, die in Lackstiefeln und Minirock auch noch bundesweite Modetrends setzte.
"... und als Schlussnummer kommen jetzt noch einmal The Who mit 'My Generation'..."
Der Beat Club avancierte zum Exportschlager
Während die Röcke kürzer wurden und die Haare länger, wuchs die Popularität des Beat Club weiter. Gleichzeitig nahmen Jugend- und Studentenproteste gegen starre Strukturen, Vietnamkrieg und rigide Sexualmoral zu. Im Herbst 1968 verdoppelte man die Sendezeit. Der Beat Club mit nun zehn Millionen jugendlichen Zuschauern in ganz Deutschland avancierte zum Exportschlager in rund 50 Länder.
"... und damit gratuliert die Kapelle Max Dürnheimer recht herzlich zur 50. Sendung des Beat Clubs ..."
Der 68er-Zeitgeist machte die Sendung mutiger, politischer und frecher:
"Wenn Springer mal rülpst, wenn Springer mal rülpst, rattern alle Fernschreiber - Da, ein Langhaariger!"
Umfragen, Interviews und Kurzbeiträge zu aktuellen Themen gehörten ebenso zum Programm wie Satire.
"Der Ruin eines Volkes beginnt mit der Übersteigerung des Trieblebens. Deshalb warnt "Sex ist mies" alle jungen Männer und Jungfrauen: Augen zu und Hände weg vom Sex, denn Sex ist mies!"
Und mittendrin immer wieder Uschi Nerke: Psychodelische Farbeffekte kommen in den 70ern dazu
"Unser Angebot umfasst heute Phlorescent Leech & Eddie, King Crimson, Alice Cooper, Mike Hugg, Stone the Crows und Fanny ..."
Mit der Einführung des Farbfernsehens ab 1970 änderte sich allmählich auch der Charakter der Sendung. Eingetaucht in psychedelische Farbeffekte, traten nicht selten experimentelle Jazz-Rock-Formationen auf, die immer weniger den Massengeschmack der Jugendlichen bedienten. Ende 1972 war nach 82 Sendungen Schluss. Der Samstagnachmittag war als Sendeplatz nicht mehr populär. Doch das Nachfolgeformat Musikladen wartete schon in den Startlöchern.