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Der bedeutenste Geograf und Kartograf seiner Zeit

Gerhard Mercator fertigte die besten Karten seiner Zeit und ließ sie zu Bänden zusammenbinden, die er Atlas nannte. Mit seiner neuartigen Art der Darstellung der Erdkugel auf einer Karte revolutionierte er die Kartografie und schuf eine Projektion, die heute noch von Seeleuten und Flugkapitänen angewandt wird.

Von Günther Wessel | 05.03.2012
    "Jedes Kind in Feuerland weiß, was ein Atlas ist, aber jedes Kind auch in Grönland weiß, was ein Atlas ist – also, das ist ein Begriff, der weltweit bekannt ist,"

    sagt Gernot Tromnau, ehemals Leiter des Duisburger Stadtmuseums und Vorsitzender der Mercator-Gesellschaft. Er steht in der Schatzkammer des Museums und im Halbdunkel glitzern die Globen und Kartenwerke, die Mercator als Atlanten bezeichnete und zusammenbinden ließ, in den Vitrinen.

    "Der Name Atlas ist von Mercator geprägt. Aber es ist nicht der Gigant, der also das Himmelsgewölbe stützt, sondern es ist eigentlich dieser mythologische König aus Mauretanien mit dem Namen Atlas, der in der Antike lebte und der als allwissend galt. Und dem wollte Mercator nachstreben."

    Gerhard Mercator, am 5. März 1512 als Gerhard De Kremer in Rupelmonde in Flandern geboren, Schulbesuch bei Augustinern, dann Student in Löwen. Er beginnt in der Werkstatt des Gelehrten Gemma Frisius mit der Herstellung von Erd- und Himmelsgloben, macht sich bald selbstständig, zieht um nach Antwerpen und veröffentlicht erfolgreich Globen und Karten.

    1536 heiratet er die Bürgerstochter Barbara Schellekens. Sechs Kinder hat das Paar. Doch dann wird das Idyll erschüttert.

    "Er ist ja 1544 in Rupelmonde eingekerkert worden, und zwar hat man ihn der Lutherei verdächtigt. Das war damals die Inquisition, die die Leute einlochte, wo sie sie kriegen konnte."

    Aber Mercator hat Fürsprecher, auch unter Katholiken, und kommt bald frei. Acht Jahre später verlässt er jedoch die Niederlande und zieht ins liberalere Duisburg.

    Das 16. Jahrhundert ist das Jahrhundert der Entdeckungen. Seefahrer brauchen gute Karten, und jeder Kartograf hat dasselbe Problem: Wie bilde ich die Kugeloberfläche der Erde auf einer ebenen Fläche ab? Wegen der Erdkrümmung ist das nur eingeschränkt möglich. Auf den bislang verwendeten Karten treffen Breiten- und Längengrade nicht rechtwinklig aufeinander, und so müssen Seeleute auf ihnen den geraden Kompasskurs als gekrümmte Linie einzeichnen.

    "Und dann wächst in ihm der Gedanke, er müsste doch eigentlich jetzt eine Karte herstellen, die den Navigatoren es möglich macht, mit dem Lineal wirklich den Kurs als gerade Linie abzusetzen."

    Wilhelm Krücken hat sich als Mathematiker und Philosoph mehr als sein halbes Leben mit Mercators Denken beschäftigt.

    "Das Unsterbliche an ihm ist tatsächlich die Mercator-Projektion."

    Mercators Fast-Zeitgenosse, der englische Mathematiker und Kartograf Edward Wright, erklärt 1599, wie man sich diese Projektion vorzustellen habe: Man sehe die Erde als Luftballon an und stecke diesen Luftballon in einen Zylinder, sodass der Äquator genau die Wand berühre. Jetzt pumpe man den Ballon weiter auf bis er überall auf die Wand träfe. Die Innenseite des Zylinders bilde nun eine Karte, die nur ausgerollt werden müsse.

    Das Problem dabei: Je weiter man vom Äquator nach Norden und Süden geht, desto stärker muss man den Ballon aufpumpen, damit dieser die Zylinderwand berührt. Somit verändert sich der Maßstab kontinuierlich. Die Karte ist zwar winkelgetreu, aber eben nicht flächengetreu.

    "Grönland ist auf einer Mercator-Karte genauso groß wie Afrika."

    Real misst es nur etwa ein Vierzehntel. Aber:

    "Gauß hat 1842 bewiesen: Es ist unmöglich, die Erde sowohl längentreu, als auch winkeltreu abzubilden."

    Mercator ist sich des Problems bewusst und erklärt deshalb auf seiner 1569 veröffentlichten Weltkarte, der ersten in der neuen Projektion, wie sie und der wechselnde Maßstab zu lesen seien. Allerdings auf Latein – was nicht jeder Seefahrer versteht. Trotzdem setzt sich ab Mitte des 17. Jahrhunderts die Mercator-Projektion in der Seefahrt durch. Auch heute noch navigieren Seeleute und Flugzeugkapitäne mit Karten, die so die Erde abbilden.

    Gerhard Mercator stirbt am 2. Dezember 1594 in Duisburg als angesehener und reicher Mann. Sein Grabdenkmal in der Salvatorkirche zeigt ihn mit einem Globus in den Händen. Die Inschrift bezeichnet ihn als einen Mann, der wie Atlas das ganze Gewicht der Erde auf seinen Schultern getragen habe – nicht als den allwissenden König, sondern als den Titanen aus der griechischen Mythologie.